Die große Döllerei
Fotos: Wolfgang Hummer, Döllerer’s Genusswelten
Es ist 8.30 Uhr morgens und am anderen Ende der Leitung befindet sich ein völlig müdigkeitsbefreiter österreichischer Spitzenkoch namens Andreas Döllerer. Eigentlich waren wir bereits am Vortag zum Interview verabredet. Es kam aber anders, genauer gesagt kam ein Mail: „Entschuldige bitte, bin heute den ganzen Tag im Weinkeller, lass uns morgen sprechen! Danke, A. D.“ Ich entschuldige natürlich. Der Mann ist immerhin chronisch totalbeschäftigt.
Ich läute zum Einstieg eine Schnellfragerunde ein. Es ist ja erst 8.30 Uhr …
Dein Vorsatz für 2013?
Glücklich sein.
Dein größter Irrtum?
Zu glauben, Österreich sei eine Fußball-
nation.
Wein oder Bier?
Jetzt im Moment noch Kaffee. Grundsätzlich kann ich mich aber…
Fotos: Wolfgang Hummer, Döllerer’s Genusswelten
Es ist 8.30 Uhr morgens und am anderen Ende der Leitung befindet sich ein völlig müdigkeitsbefreiter österreichischer Spitzenkoch namens Andreas Döllerer. Eigentlich waren wir bereits am Vortag zum Interview verabredet. Es kam aber anders, genauer gesagt kam ein Mail: „Entschuldige bitte, bin heute den ganzen Tag im Weinkeller, lass uns morgen sprechen! Danke, A. D.“ Ich entschuldige natürlich. Der Mann ist immerhin chronisch totalbeschäftigt.
Ich läute zum Einstieg eine Schnellfragerunde ein. Es ist ja erst 8.30 Uhr …
Dein Vorsatz für 2013?
Glücklich sein.
Dein größter Irrtum?
Zu glauben, Österreich sei eine Fußball-
nation.
Wein oder Bier?
Jetzt im Moment noch Kaffee. Grundsätzlich kann ich mich aber für Trauben und Hopfen gleichermaßen begeistern. Eine schlechte Seegurke schmeckt wie abgefahrene Autoreifen. Wer sagt das?
Tim Raue.
Ah. Also Autoreifen hab ich noch nicht gekostet. Fledermaus dafür. War aber keine kulinarische Offenbarung.
Der Mann ist zu Scherzen aufgelegt. Kann jetzt auch nicht jeder Spitzenkoch von sich behaupten. Schon gar keiner, der so dauerhochdekoriert ist. Der in seiner nicht vorhandenen Freizeit auch noch Präsident der Jeunes Restaurateurs Österreich ist. Außerdem noch Ehemann und zweifacher Vater. Und der 2012, so ganz nebenbei, mit dem Aus- und Umbau von Döllerer’s Genusswelten eine Großbaustelle managte.
Inoffizieller Gastro-Bauherr des Jahres 2012, 3-Hauben-Langstreckenläufer, Genuss-Imperialist, Vielflieger, Super-Dad, Küchenregionaut, Nachwuchs-Idol: Was steht denn als Nächstes an – Bürgermeister von Golling?
Mir reicht mein aktuelles Herrschaftsgebiet völlig. Danke.
Wie viel hat das neue Herrschaftsgebiet denn insgesamt gekostet?
Rund 5,5 Millionen Euro.
Nicht gerade ein Schnäppchen …
Nein. Aber es wird generell überschätzt, wie sehr wir mit den Genusswelten gewachsen sind. Im Genießerrestaurant haben wir gerade mal zehn Sitzplätze mehr, also 45. Aber durch den Umbau können wir auf bis zu 65 Sitzplätze aufstocken, und im Wirtshaus haben wir jetzt einen zweiten Raum mit 30 Sitzplätzen mehr. Wir sind damit wesentlich flexibler als zuvor. Zu Weihnachten hat sich das bereits bezahlt gemacht, da wurde viel bei uns gefeiert.
Jetzt ist Golling zwar ein schönes Dorf, aber nicht Shanghai oder Paris. Die Auslastung muss aber stimmen, damit sich das alles irgendwann auch rechnet, oder?
Natürlich müssen wir uns noch viel mehr um unsere Gäste bemühen als jemand, der in der Wiener Innenstadt ein Haubenlokal betreibt. Aber deshalb kriege ich jetzt auch keine Herzrhythmusstörungen. Klar ist, dass wir jedes Jahr super Zahlen schreiben müssen, damit sich die Investition rechnet.
Und wenn der Plan nicht aufgeht?
Dann konzentriere ich mich einfach nur noch auf meinen Wein und mein Weib.
Spitzenplan. Glaub ich aber nicht.
Ich eh auch nicht. Nein, ganz ehrlich, wir stehen mit Weinhandel, Enoteca, Gastronomie und Hotellerie auf einer breiten, gesunden Basis. Ich bin sicher, dass sich alle Sparten super entwickeln werden…
Was sind das denn eigentlich für Leute, die zu dir zum Essen kommen?
Ich habe lustigerweise sehr viele Gastronomen als Gäste. Keine Ahnung warum, aber das war immer schon so. Generell kommen viele Gäste aus der Stadt Salzburg, die bevorzugen aber eher das Wirtshaus. Die Münchner Klientel isst dafür lieber im Genießerrestaurant …
Döllerer unterbricht den Satz, schiebt den Hörer kurz ein wenig zur Seite und ruft Kommandos durch die Durchreiche in die Küche. So ist das, im Multitasking-Universum des Andreas Döllerer. Ich frage mich, ob einer, dessen vollgestopfter Terminkalender sogar Angela Merkels Agenda Konkurrenz machen könnte, überhaupt noch selbst in der Küche steht. Also frage ich:
Ich mache, außer wenn ich mal gerade irgendwo im Ausland bin, jedes Service mit. Mein Team ist großartig, aber anwesend zu sein, macht Sinn für mich, für das Team und für die Gäste. Denn die wollen sehen, dass der Chef auch wirklich da ist. Anwesenheit darf aber nicht zur lieblosen Gesichtswäsche verkommen. Ich denke, viele Kollegen unterschätzen deren Bedeutung.
Apropos Kollegen: Wenn du nicht hier bist, bist du ja nicht auf dem Sonnendeck, sondern in der Weltgeschichte zum Essen unterwegs …
Ja, im Jänner war ich in Belgien und Holland. Wir haben uns dort einige Restaurants angesehen, vom 3-Sterne-Lokal bis zum superfreakigen Laden im Nirgendwo.
Der da heißt?
In De Wulf. Das Restaurant von Kobe Desramaults.
Und isst man im Nirgendwo besser?
Anders. Für den durchschnittlichen österreichischen Gast wäre das wahrscheinlich schon einen Tick zu arg gewesen. Total reduziertes Lokal in einem alten Schuppen, die Mädels haben im Ruderleibchen serviert. Das Essen war „grenzwertig“, aber es waren auch echt geniale Kreationen dabei. Hat mich jedenfalls nachhaltig beeindruckt. Dieses ganze 3-Sterne-Brimborium auf dem Teller ist mir langsam ohnehin schon zu viel.
Gut und schön, für kulinarische Brachialakte ist die Döllerer’sche Küche jetzt aber auch nicht berühmt …
Natürlich nicht, ich mache Fine-Dining ja auch aus Überzeugung. Aber die Cuisine Alpine hat sich auch verändert, ist heute viel purer als früher.
Mit seiner Cuisine Alpine hat Döllerer zu einem Zeitpunkt, als Gourmetküche ohne bretonischen Wolfsbarsch undenkbar schien, eine kleine kulinarische Revolution gestartet. Auf den Teller kam nur noch, was auf den Bergen, in Wäldern und Gewässern rund um Golling haust. Wenn er vom neuen Purismus seiner Küchenlinie spricht, dann meint er damit vor allem den Plan, seine Gäste von Bestellern wieder zu Bekochten zu machen. Im Genießerrestaurant serviert er deshalb nur noch ein großes, zehn- beziehungsweise elfgängiges, und ein kleines, fünfgängiges Menü.
Wie oft hast du den Begriff Cuisine Alpine schon auf Speisekarten anderer Kollegen entdeckt?
Oft genug, um den Begriff markenrechtlich schützen zu lassen. Aber unser Anwalt ist nicht überarbeitet.
Das Regional-Saisonal-Label hängt sich mittlerweile aber auch so gut wie jeder um, der einen Kochlöffel halten kann. Ist das denn überhaupt noch ein ernst zu nehmendes gastronomisches Qualitätssiegel?
Da geb ich dir recht. Weil auf einen gut fahrenden Zug springt jeder auf. Deshalb werde ich aber nicht abspringen. Und wie schon gesagt: Die Cuisine Alpine ist ein lebendiges System. Früher haben wir etwa wahnsinnig viele Variationen in den Gerichten verpackt, heute reduzieren wir das auf zwei oder drei Komponenten. Wenn ich als Profi teilweise schon nicht mehr nachvollziehen kann, was ich da alles kredenzt bekomme, wie soll das dann der Gast verstehen?
Gibt es irgendetwas, was niemals auf deinem Teller landen würde?
Ich lehne keine Technik ab. Aber Sphäre würde ich jetzt trotzdem keine auf den Teller bringen, da wäre ich ein bisschen sehr spät dran. Und produkttechnisch schließe ich ja schon von vornherein so vieles aus, da gibt es nichts mehr wegzulassen. Sonst müssten meine Gäste am Porzellan nagen.
Wenn Andi Döllerer von seinen Lieferanten und deren Produkten erzählt, ist er ganz in seinem Element. Da blüht er richtig auf. Beinahe 100 Prozent seiner Waren bezieht er im Sommer von seinen langjährigen Mini-Produzenten, die vom Tauernlamm über Topfen bis zum Angusrind alles liefern, was Döllerer in seiner Küche verarbeitet. Im Herbst stehen übrigens schon mal bekannte oder weniger bekannte Wandersleute mit Körben voller Pilzen im Foyer des Hotels. Direktzustellung. Sehr praktisch. Nach zehn Minuten habe ich eine lange Namensliste mit Döllerer-Lieferanten, aber noch eine sehr wichtige Frage.
Du giltst seit gefühlten 1000 Jahren als todsicherer Anwärter auf eine vierte Gault-Millau-Haube, trotzdem gab es 2013 wieder keine. Echter Schmerz oder Phantomschmerz?
Ehrlich gesagt, gar kein Schmerz. Ich habe letztes Jahr schon alleine aufgrund des Umbaus echt andere Sorgen gehabt. Und ich bin sehr zufrieden mit den Bewertungen, wir haben einen Punkt mehr im Wirtshaus bekommen und 18 Punkte für das Gourmetrestaurant sind ja nichts, wofür man sich schämen muss.
… und so lebte er glücklich bis an sein Lebensende ohne vierte Gault-Millau-Haube?
Na ja, unglücklich bin ich sicher nicht, wenn ich noch eine bekomme! Aber wir haben seit 1997 durchgehend drei Hauben, Kontinuität ist also nicht das Thema. Die Zeit wird kommen und die Bewertungen werden dementsprechend sein. Bei so einem Satz drehen Journalisten gerne die Augen über, aber: Letztendlich werten die Gäste. Und wenn man sich in Deutschland die 3-Sterne-Restaurants anschaut, in denen dann gerade mal drei Leute sitzen – mal ehrlich, das ist doch auch scheiße, oder?
Spaceball
Caesars Dressing
100 ml Rindsuppe
50 g Crème fraîche
70 g weißer Balsamico
1 Eigelb
30 g Sardellen
50 g Minikapern
120 g Bergkäse, gerieben
300 ml Rapsöl
1 Knoblauchzehe
1 Zitrone, Abrieb
Caesars Salad
12 dünne Scheiben gelbe Tomaten
80 g Römersalat, geschnitten
8 Tomatenhälften, getrocknet
1 EL kleine Weißbrotcroutons
4 Flusskrebse, gekocht und ausgelöst
Bloody Mary
8 San-Marzano-Tomaten
40 ml Belvedere
50 ml Olivenöl Giovanni Dri
Basilikum, Peperoncino
Meersalz, Zitronenschale
Tomatenschaum
100 ml weißer Tomatenfond, klar,
gewürzt mit Salz und Weißweinessig Sojalecithin
Anrichten
4 Staudensellerie-Sticks
Caesars Dressing
Für das Dressing die Suppe mit Crème fraîche, Essig, Sardellen, Kapern, Käse und Knoblauch mixen. Eigelb und Zitronenabrieb einmixen, mit Öl aufmontieren und alles passieren.
Caesars Salad
Vier Plastikhalbkugeln mit je drei gelben Tomatenscheiben auslegen. Den Römersalat und die Trockentomaten dazugeben und das Ganze mit etwas Caesars Dressing marinieren.
Bloody Mary
Alle Zutaten aufmixen.
Tomatenschaum
Alle Zutaten aufmixen.
Anrichten
Die Flusskrebse in etwas Bloody Mary vorsichtig erwärmen und auf dem Salat anrichten. Bloody Mary in einem Glas anrichten, mit Tomatenschaum bedecken und mit Selleriestick garnieren. Die Kugel verschließen und vor dem Essen kurz durchschütteln.