Der Erste seiner Art
Fotos: Wolfgang Hummer
Mit der französischen Küche verhält es sich in diesem Land ein wenig wie mit der Frage nach der Henne und dem Ei. Was war zuerst da: die naturgegebene Verweigerung der Gäste jeglichen kulinarischen Horizonts, der auf den Kopf gestellten Apfelkuchen übersteigt? Oder doch die Angst der Spitzenköche, sich dieser Horizonterweiterung konsequent zu widmen? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es wahrscheinlich nicht. Aber es gibt Hoffnung. Und zwar in Form eines Kochs, der sich diese Frage überhaupt nie gestellt hat und es auch dem größten Franko-Skeptiker unmöglich macht, der modernen französischen Küche nicht zu verfallen.
Und diesem kulinarischen Wagemut nicht genug, werkt besagter Koch auch noch in Vorchdorf. Ein Ort irgendwo zwischen Linz und dem Salzkammergut, fernab landschaftlicher Glanzlichter und nahe der Autobahn. Warum gerade hier…
Fotos: Wolfgang Hummer
Mit der französischen Küche verhält es sich in diesem Land ein wenig wie mit der Frage nach der Henne und dem Ei. Was war zuerst da: die naturgegebene Verweigerung der Gäste jeglichen kulinarischen Horizonts, der auf den Kopf gestellten Apfelkuchen übersteigt? Oder doch die Angst der Spitzenköche, sich dieser Horizonterweiterung konsequent zu widmen? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es wahrscheinlich nicht. Aber es gibt Hoffnung. Und zwar in Form eines Kochs, der sich diese Frage überhaupt nie gestellt hat und es auch dem größten Franko-Skeptiker unmöglich macht, der modernen französischen Küche nicht zu verfallen.
Und diesem kulinarischen Wagemut nicht genug, werkt besagter Koch auch noch in Vorchdorf. Ein Ort irgendwo zwischen Linz und dem Salzkammergut, fernab landschaftlicher Glanzlichter und nahe der Autobahn. Warum gerade hier der ideale Ausgangspunkt für die Entdeckung der Grande Nation sein sollte, erschließt sich nicht unbedingt auf den ersten Blick. Dafür muss man seinen Fuß schon über die Schwelle eines ehemaligen Bürgerspitals an der Ortseinfahrt setzen und Rainer Stranzinger kennenlernen – oder besser gesagt die Küche, die er im Restaurant Tanglberg serviert.
Stranzinger, 33 Jahre, 17 Gault-Millau-Punkte und bis zum Rückzug des Guide Michelin aus Österreich 2009 mit zwei Sternen bedacht, ist die fleischgewordene Antithese zu so ziemlich allem, was die menschliche Vorstellungskraft beim Stichwort „Fine-Dining“ hergibt. Das fängt schon beim ungewöhnlichen Karriereweg des gebürtigen Welsers an, der seit mehr als sieben Jahren in der absoluten Gourmet-Top-Liga spielt, bis zu seinem 23. Lebensjahr aber noch keinen Fuß in eine Haubenküche gesetzt hatte. „Das ist heute ja gar nicht mehr denkbar“, schmunzelt Stranzinger, während sich die kalt gepresste Foie gras in der überschaubar dimensionierten Küche der kulinarischen Formvollendung nähert. „Die Bewerbungen des heutigen Nachwuchses sind eine Liturgie an Referenzen.
Aber wenn man mit dem Pacojet in der Hand aufwächst, verlernt man die Basics, die nur noch die wenigsten beherrschen.“ Stranzinger beherrscht sie jedenfalls mehr als nur gut, und auf seitenweise Referenzen legten Tanglberg-Patronne Ricki Staudinger und Galerist Erich Spitzbart auch keinen Wert, als sie ihn 2005 als Nachfolger von Adi Nairz im Tanglberg verpflichteten. Zu augenscheinlich waren das unglaubliche Talent und Know-how des jungen Ausnahmekochs. „Die Fußstapfen waren groß, Nairz hatte zwei Hauben erkocht und es war nicht ganz risikolos, zu versuchen, an diesem Ort mit einer klar französisch ausgerichteten Küchenlinie an diese Leistung anzuschließen“, erinnert sich Stranzinger.
Ist und bleibt … alles anders
Mittlerweile hat der medienscheue Spitzenkoch mit Hang zu Purismus am Teller und bildgewaltiger Tattoo-Kunst am Körper seinen Vorgänger in puncto Auszeichnungen weit hinter sich gelassen – ebenso wie viele Konventionen, die den Regelbetrieb in einem so hochdekorierten Haus normalerweise bestimmen. Das Tanglberg funktioniert in vielerlei Hinsicht ein wenig anders als andere Restaurants in dieser Liga. So werkt etwa außer Stranzinger lediglich ein weiterer Koch in der Tanglberg-Küche, gemeinsam mit drei Servicekräften handeln sie 35 Sitzplätze, die an jedem der vier Abende pro Woche, an denen geöffnet ist, hart umkämpft sind. Das klingt stressig. „Ist es auch, aber wir haben mittlerweile Routine und den Aufwand danach angepasst“, wiegelt Stranzinger die Frage nach der Wahrscheinlickeit, bald ein echt französisches Burn-out zu erleiden, ab.
„Tausend Punkte und Striche am Teller gibt es bei uns eben einfach nicht, das ist meiner Meinung nach aber auch nicht notwendig.“ Sehr wohl notwendig findet er dafür, genau so zu kochen, wie es ihm gefällt. Da wären wir auch schon bei der nächsten Ausnahme von der Regel angelangt, denn vom aktuellen Regional-Fetischismus, der heimische Top-Küchen heimsucht, hält der bekennende Produktfanatiker wenig. Was Monsieur Stranzinger gefällt, ist nun mal nicht im Tante-Emma-Bio-Laden um die Ecke zu bekommen. „Natürlich beziehe ich die meisten Produkte aus Frankreich, ich koche ja auch französisch“, sagt er bestimmt. Man könne keine französische Küche propagieren und dann Pauillac-Lamm und bretonischen Wolfsbarsch durch des Nachbars Schäfchen und Saibling ersetzen.
Dass man es hier mit einem Mann mit Prinzipien zu tun hat, ist spätestens nach diesem Satz klar. Und während man immer tiefer in die fabelhafte Welt des Rainer Stranzinger eindringt, wird immer klarer, warum Gourmets sogar aus München anreisen, um sich an Bluttaube oder Atlantikhummer mit Bockshornklee zu delektieren: Der Typ macht einfach genau das, was ihm selbst wirklich Spaß macht. „Ich habe ein unglaubliches Bedürfnis, das alles hier in erster Linie für mich selbst und nicht für die Gäste zu machen“, bestätigt er.
So herrlich unangestrengt wie das atmosphärische Gesamtkunstwerk Tanglberg mit seinen Arkaden, antiken Stuben und moderner Kunst an den Wänden ist eben auch Stranzingers fulminanter kulinarischer Beitrag zur Völkerverständigung. „Die Kombination aus einer gewissen Leichtigkeit und einer ordentlichen Portion Willensstärke lässt tolle Dinge entstehen“, sagt Rainer Stranzinger noch, bevor er das Licht in der Küche für diesen Abend ausknipst. „So wie im Film ‚Brust oder Keule‘ von Louis de Funès. Dieser Film hat mich geprägt. Hätte ich ihn nicht gesehen, ich hätte wohl niemals angefangen, mich der französischen Küche zu widmen.“ Auch in dieser Hinsicht tickt Rainer Stranzinger eben ein bisschen anders als die anderen.
Aalrute / Met / Fenchelkraut
Aalrute
4 Aalruten-Filets,
ohne Haut und Gräten
20 ml Met
Maldonsalz
Fenchelkraut
2 Fenchelknollen
3 Schalotten
80 g Butter
2 EL Estragonessig
200 ml Portwein, weiß
6 Korianderkörner
Zucker, Salz, Pfeffer
Olivenöl
Safranfäden
Anrichten
8 Stk. Melothria
Waldklee
Beluga-Malossol-Kaviar
Bronzefenchel
Fenchelpollen
Birkenöl, Zitrone
Salz
Aalrute
Die Aalruten-Filets in A4-große Vakuumbeutel legen, mit Maldonsalz und Met würzen. Mit dem Plattiereisen etwa 2 Millimeter dünn klopfen, anschließend für 2 Stunden in den Kühlschrank legen.
Fenchelkraut
Fenchelknollen putzen und in feine Streifen schneiden. Die fein geschnittenen Schalotten mit den Fenchelstreifen in wenig Olivenöl anschwitzen. Mit Portwein und Estragonessig ablöschen, auf die Hälfte einkochen. Safranfäden zugeben, Fenchel mit Wasser bedecken und bissfest kochen. Mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken. Anschließend den Safransud vom Kraut trennen. Den Sud mit Korianderkörnern noch einmal ziehen lassen, mit der Butter binden.
Anrichten
Das Fenchelkraut auf der Tellermitte platzieren, mit Korianderbutter übergießen und das plattierte Filet vorsichtig darüberlegen. Den Fisch mit Maldonsalz bestreuen. Die abgezupften Pollen und Kräuter und die geschnittene Gurke mit Salz, Zitronensaft und Birkenöl marinieren und auf dem Fischfilet verteilen. Kaviar dazureichen.