Reiste man lange Zeit vor allem wegen einer kleinen, bronzenen Meerjungfrau nach Kopenhagen, ist es heute die Elite der nordischen Küchenbewegung, die Menschen aus aller Welt nach Dänemarkt zieht. „Doch wir versuchen das N-Wort nicht mehr zu verwenden, weil es schon so überstrapaziert ist. Wie ein Pop-Song, der einem so in die Gehirnwindungen gepustet wurde, dass man ihn nicht mehr hören kann.“ Sagt Aamanns-Küchenchef Magnus Pettersson. Seines Zeichens Chefkoch in Dänemarks bekanntester Smørrebrød-Bude.
Sein Boss Adam Aamann eröffnete vor sieben Jahren in Kopenhagen mit Aamanns Smørrebrødsdeli das erste Lokal des Landes, in dem die beliebte Roggenbrotstulle eine völlige Neuinterpretation erfuhr. Und das kongeniale Duo Aamann/Pettersson ist heute die leuchtende Reklame dafür, wie sich die New Nordic Cuisine weiterentwickelt hat. Oder kann.
Ausschließlich mit lokal erhältlichen und saisonalen Bio-Produkten innovativ in Szene gesetzt, ist das Roggenbrötchen Dreh- und Angelpunkt des Aamann’schen Food-Konzepts. Die traditionell wenig bekömmlichen klassischen Bestandteile des Smørrebrød – etwa Mayonnaise, Remouladensauce & Co. – ersetzte er durch leichte, verträgliche und durchweg hochwertige Zutaten. Darunter: Beef Tatar, Freilandschwein-Pasteten, Hähnchen-Salat, Roastbeef, süß-saurer Lachs und natürlich Hering in verschiedenster Ausprägung. Fixbestandteile sind darüber hinaus Kräuter, Nüsse und leichte hausgemachte Saucen. Der Erfolg gab dem Dänen recht. So sehr, dass er 2009 direkt an das Deli anschließend ein schickes, durchwegs unprätentiöses Fine-Dining-Restaurant, Aamanns Etablissement, eröffnete.
Und hier werkt seit zwei Jahren der gebürtige Schwede Magnus Pettersson. „Ich bin nun seit 17 Jahren Koch und war in vielen Ländern wie Frankreich, den USA oder Großbritannien beruflich im Einsatz. Ein langer Lebenslauf. Ich will da gar keine Stationen aufzählen, da mich jeder Chef, den ich hatte, auf seine Art beeinflusst hat.“ Beeindruckt hat den heute 37-Jährigen auf jeden Fall das Konzept Adam Aamanns, weswegen er sich vor zwei Jahren auch für die vakant gewordene Stelle des Küchenchefs bewarb: „Ich habe Adam abends eine Mail geschrieben, er rief mich gleich am nächsten Tag in aller Früh an und eine Stunde später war ich praktisch schon eingestellt“, schildert Pettersson das Rekrutierungsverfahren im Schnelldurchlauf.
Wir versuchen nie zwanghaft, Dinge zu erneuern. Wenn Tradition Sinn macht, konnen wir auch damit sehr gut leben.
Seitdem bringt der sympathische Schwede seine ganz individuelle Handschrift ein und entwickelt das Konzept weiter. „Wir haben nur ein kleines Restaurant mit einer winzigen Küche und wenigen Mitarbeitern. Genau das hat mir aber von Anfang an gefallen.“ Sich auf Details zu konzentrieren. Zudem haben Aamann und Pettersson die gleiche Einstellung gegenüber Essen. Pettersson bekommt von seinem Chef alle Freiheiten, die er braucht. Neue Ideen müssen natürlich im Rahmen des ursprünglichen Konzepts bleiben.
„Wir versuchen nie zwanghaft, Dinge zu erneuern. Wenn Tradition Sinn macht, können wir auch damit sehr gut leben.“ Aber wie der Schwede jeden Tag erneut festellt, gibt es so viele Möglichkeiten, gewisse Dinge neu zu interpretieren. Roggen-Sauerteigbrot hat nämlich einen ganz speziellen Geschmack und da gilt es, zielgerichtet die passenden Zutaten und Aromen zu finden, die perfekt zu diesem Geschmack passen. „Das ist eine extrem spannende Herausforderung“, freut sich Pettersson über diese Challenge. Jede Woche wird die Karte zudem erneuert. Das hat den Grund, dass sich auch die Qualität der Produkte mit den Jahreszeiten verändert. Und wenn man Produkte immer nur zum richtigen Zeitpunkt mit dem perfekten Geschmack servieren will, muss man sich eben danach richten.
Das Nummer-eins-Topping im Smørrebrød-Restaurant ist Hering. „Wir machen darüber auch gerne Scherze, da man traditionell Schnaps zum Hering trinkt.“ Und der Hering-Smørrebrød-Umsatz ist vor allem am Wochenende meist ungleich höher. „Wir flachsen also gerne, dass der Hering nur eine Ausrede ist, um Schnaps zu trinken“, schmunzelt Pettersson über die hochprozentigen Vorlieben der Dänen. Das Brot wird ausschließlich selbst gebacken. Im Keller. Hier gibt es eine wenig glamouröse Küche, die aber genug Raum bietet, um die großen Mengen an Brot herzustellen. „Dabei arbeiten wir mit einer unserer Brauereien zusammen, die uns mit herausragendem Getreide beliefert.“ Der ganze Prozess ist genau auf drei Tage getimt, das heißt, man muss straff organisiert sein, denn ohne Brot kein Business.
POULTRY – Chicken from Graasten
Hüte deine Produzenten!
Qualität geht im Aamanns über alles. „Wir haben nicht nur einen Fischhändler oder Gemüsebauern oder Fleischproduzenten. Wir haben großartige Spezialisten“, sagt Pettersson. Produzenten bezeichnet er als wichtigstes Erfolgsrezept. Und seinen Gemüsebauern, dessen Farm übersetzt „Grüne Welt“ heißt, nennt er liebevoll „absoluten Freak“. Dieser Bauer beliefert nur drei Restaurants in Dänemark und dazu zählt auch das Aamanns. Pettersson ist mit dem Farmer im ständigen Diskurs über neue Produkte oder das Angebot fürs nächste Jahr. „Er spricht auch mit seinem Gemüse. Der ist zwar schräg, aber gut.“
Zudem hat er drei verschiedene Fischhändler, deren Spezialität unterschiedliche Fischarten sind. Dabei wird bewusst auf Großhändler verzichtet, Pettersson muss sich aber selbst um den Transport kümmern. „Das ist ein Extra-Aufwand, den wir zugunsten der Qualität aber gerne in Kauf nehmen.“ Auch hier arbeiten absolute Food-Nerds. „Wir stehen da teilweise vor der Tatsache, in der Makrelen-Saison keine Makrelen zu bekommen. Unsere Händlerin sagt dann, sie kann sie uns aktuell nicht in der Qualität liefern, wie wir das erwarten würden.“ Das ist ehrlich und so etwas schätzt der schwedische Koch. „Wenn man mit solchen Menschen zusammenarbeitet, bekommt man immer die beste Qualität.“ Und genau um das geht es gerade. Es gibt derzeit in Kopenhagen so viele talentierte und außergewöhnliche Köche. Um sich da noch abzuheben, muss man einfach durch absolut außergewöhnliche Produktqualität auffallen. Dazu gilt es eben, die richtigen Beziehungen zu den besten Produzenten herzustellen.
Wenn man mit Freaks als Produzenten zusammenarbeitet, dann bekommt man immer die bestmogliche Qualität.
NEW POTATOES – chicken skin, almonds and ramson
Smørrebrød im Big AppleFür einige Zeit gab es aufgrund des großen Erfolgs auch ein Aamanns Restaurant in New York City. Das wurde groß gefeiert und beim Opening war sogar die dänische Prinzessin anwesend. Das hat Adam Aamann aber mittlerweile wieder aufgegeben, da sich zu viele Investoren eingemischt haben und er nicht mehr hinter dem Projekt stehen konnte.
Heute besteht das Unternehmen aus dem Restaurant Etablissement, dem Deli, einem Catering-Unternehmen und einem Restaurant am Kopenhagener Flughafen.Aamann und Pettersson demonstrieren also eindrucksvoll, dass man nicht unbedingt Ameisen auf Garnelenschwanz servieren muss, um erfolgreiche nordische Küche zu kochen. Doch N-Wort hin oder her: „Die ganze Nordic-Cuisine-Bewegung hat so viel Positives bewirkt, dass man nicht dankbar genug sein kann.“ Alleine die neu entstandene Produktvielfalt sei laut Pettersson extrem außergewöhnlich.
Hin und wieder passiert es dem talentierten Schweden, dass er von reichen Amerikanern gefragt wird: „Komm, lass uns doch (Anm. d. Red.: ohne Aamann) in dieser Art ein Restaurantkonzept in den Staaten machen.“ Aber das würde dort nicht funktionieren. „Daher könnte ich bei so einem Engagement auch nie zusagen. Mir macht es hier aktuell so viel Spaß, dass ich derzeit noch gar nicht über einen Wechsel nachdenke.“
Und solange Pettersson das Gefühl hat, hier genug Freiheiten zu bekommen und etwas bewirken zu können, wird sich das auch so schnell nicht ändern.