Barkeeper-Ikone Stefan Gabányi und seine Zaubertränke
Auch wenn er das nicht so gerne hört: Der Mann mit den beeindruckenden Koteletten und dem verwegenen Clint-Eastwood- Stirnrunzler ist eine Barlegende. Über 20 Jahre war Stefan Gabányi Bartender im weltberühmten Schumann’s in der bayrischen Hauptstadt, bis er mit 55 Jahren beschloss, seine Zaubertränke zukünftig doch lieber über den eigenen Tresen zu schupfen.
Auch wenn er das nicht so gerne hört: Der Mann mit den beeindruckenden Koteletten und dem verwegenen Clint-Eastwood- Stirnrunzler ist eine Barlegende. Über 20 Jahre war Stefan Gabányi Bartender im weltberühmten Schumann’s in der bayrischen Hauptstadt, bis er mit 55 Jahren beschloss, seine Zaubertränke zukünftig doch lieber über den eigenen Tresen zu schupfen.
Der Schritt in die Selbstständigkeit sei sowohl eine Vernunft- als auch eine Bauchentscheidung gewesen, sagt Gabányi. „Ich hab mir gedacht, wenn ich jetzt nicht bald was Eigenes mach, sterb ich hier hinterm Tresen noch, und dann gab’s da diese Bar bei mir ums Eck … Was weiß ich, irgendwie hab ich dort immer das Gefühl gehabt: Das ist meine Bar!“, sagt er. Dass diese Ecke im Westen der Stadt damals nicht als die einfachste galt, bereitete ihm keine schlaflosen Nächte. Wahrscheinlich, weil der gute Mann eine leise Vorahnung hatte, dass ihm sein Ruf nach 32 Jahren Schumann’s vorauseilen würde.
Chichibefreiter Branchentreff
Tatsächlich brummt die Bar Gabányi seit der Eröffnung 2012, viele kamen und kommen nach wir vor, weil er sich als Whiskey-Wizard einen Namen gemacht hat – sein „Schumann’s Whisk(e)y-Lexikon“ erschien 2020 sogar in den USA –, und „weil ich eben ein paar Leute kenne“. Der Großteil dieser „paar Leute“ sind Münchner Berufskollegen und Gastronomen, die sich nach Dienstschluss an Gabányis Tresen zusammenrotten, um sich ganz unaufgeregt einen hinter die Binde zu kippen und mit Würstl im Saft oder Rindergulasch so nebenbei auch was für die feststoffliche Grundversorgung zu tun.
Frage: Braucht eine Bar, eine so gut gehende noch dazu, unbedingt eine Barfoodkarte mit warmen Gerichten? „In Berlin würd eine Bar auch ohne Küche funktionieren, weil da gehen die Leut ja zwischendurch zu ihren grausligen Würschtelständen“, antwortet Gabányi in moderat gebändigtem Bayrisch. „Aber in München gibt’s diese Tradition nicht, und gerade die Kollegen aus der Gastronomie wissen extrem zu schätzen, dass sie bis kurz vor Sperrstund noch was Warmes in den Magen kriegen.“
Gepflegt berauscht
Dass er so viele Gastro-Kollegen zu seinen Stammgästen zählen darf, mache Gabányi stolz, weil es eine schöne Form der Anerkennung sei. „Davon abgesehen sind Gastro-Menschen einfach großartige Gäste. Die machen keinen Zirkus und brauchen auch keinen, weil den haben sie eh selber den ganzen Tag in ihren Läden. Wenn einer Zirkus und Herumgegockel und eine Bühne haben will, dann ist er woanders besser aufgehoben. Zu mir kommen Leute, die gerne, aber klug trinken. Die gepflegt auf eine andere Ebene kommen möchten.“
Beim Trinken geht’s natürlich um den Rausch.
Stefan Gabányi
Wenn es ums Thema Rauschigsein geht, legt Gabányi Wert darauf, zwischen der metaphysischen Dimension des Betrinkens und dem exzessiven Rausch zu unterscheiden. „Beim Trinken geht es natürlich um den Rausch“, legt er los. „Für die meisten Menschen bedeutet Rauschigsein ja, sich komplett dicht zu machen. So wie das am Oktoberfest gern passiert, wobei dieses Sich-Verkleiden und Total-Ansaufen hat ja auch was Faszinierendes. Aber der verständnisvolle, kluge Trinker sucht und erreicht einen angenehmen Zustand der Transzendenz.“ Das verständnisvolle Betrinken zur Erreichung eines offenen Geisteszustandes sei eine phänomenale, althergebrachte Kulturtechnik. Die könne man getrost beibehalten, findet Gabányi.
Das Gin-Dilemma
Es gibt aber auch Dinge, die schon lange währen, mit denen Stefan Gabányi keine rechte Freude hat. Zum Beispiel mit dem nicht enden wollenden Gin-Boom. Aus Sicht des Cocktailbarbesitzers sei Gin natürlich ein Bringer. Der seit Jahren meistverkaufte Drink in der Bar Gabányi namens „Pink Elephant“ ist auch eine Eigenkreation aus Gin, Holunderblütenlikör, Rhabarbernektar, Zitronensaft und Soda. Persönlich kann er dem Wacholdersprit aber nichts abgewinnen. „Ich seh das so: Hinter diesem Hype steckt ein enormes Marketing-Aufgebot, was dazu geführt hat, dass du heute als Barbesitzer am besten 200 verschiedene Gins im Regal hast. Die musst aber auch erst einmal verkaufen. Da mach ich nicht mit.“
Mehr noch als der Marketingzirkus rund um Gin stört sich Gabányi aber an der seiner Meinung nach fehlenden geschmacklichen Tiefe und Komplexität des Wacholderbrandes. In den meisten Fällen, betont Gabányi, handelt es sich bei Gin um aromatisierten Neutralsprit, der entsprechend unkompliziert zu konsumieren ist. Das macht ihn populär, aber – anders als braune Spirituosen wie Whisky, Rum, Cognac oder Mezcal, in die man sich als Keeper und als Gast reinarbeiten muss – halt auch fad.
Ru(h)mreiche Zukunft?
Geht es nach ihm, dürfte jedenfalls die langsam anrollende Mezcal-Trendwelle ruhig noch weiter Fahrt aufnehmen, auf die schon seit längerer Zeit angekündigte Rum-Welle warten er und viele seine Kollegen aber noch. Dabei sei das Schöne am Rum, dass man mit dem Entdecken neuer Perlen nie ganz fertig wird und dass Rum sowohl pur auf Eis als auch in Cocktails perfekt funktioniert. Seine persönlichen Favoriten aus der Rum-Ecke: Haitianische Clairins – besonders kräftige und intensive, traditionell haitianische Destillate – und Rhum Agricole aus der Karibik. Ob Rum den guten, alten Gin vielleicht doch irgendwann in naher Zukunft vom Thron stoßen wird? „Keine Ahnung, ich hoff’s halt!“, lacht Gabányi.
Der Gin-Hype ist ein Marketing-Zirkus.
Stefan Gabányi
Apropos Hoffnung: Als grundpositiv eingestellter Mensch hat er die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, seine Bar noch dieses Jahr wieder wie gewohnt bis vier beziehungsweise fünf Uhr morgens aufsperren zu können. Die aktuell im Freistaat geltende, coronabedingte Sperrstunde um ein Uhr sei nämlich für eine Bar, in der es erst um 23 Uhr so richtig losgehe, umsatztechnisch schon eine kleine Katastrophe. „Aber gut“, brummt er. „Wahrscheinlich ist es eh am gescheitesten, man nimmt das alles mit Humor, weil sonst wird man eh wahnsinnig. Und ich mach das alles ja sowieso nicht, um reich zu werden. Zum Leben, um meine beiden Burschen hinter der Bar anständig zu bezahlen und meiner Tochter ein bisschen was zum Studium zuzuschießen, reicht’s.“
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STEFAN GABÁNYI hat schon als kleiner Junge im Urlaub in Südtirol gern Würschtl am Volksfest verkauft. Für eine Karriere als Würstelstandbesitzer hat es dann nicht gereicht, für eine in Charles Schumanns Bar aber schon. 32 Jahre werkte Gabányi ebenda und erarbeitete sich nebenbei den Ruf als absoluter Whisky-Experte, bis er 2012 in München seine eigene Bar Gabányi aufsperrte. In der gibt’s neben jeder Menge Eigenkreationen und Cocktailklassikern auf der Karte – Preisrange im Schnitt um die 10,50 pro Drink – auch regelmäßig Livemusik on stage und eine Barfoodkarte mit kleinen warmen Gerichten.