So ticken die Sterneköche
Fotos: altschaffel.com, Estudio Jose Lopez, Werner Krug, Jean-Georges Vongerichten, bocuse, Guide Michelin, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Christian Lejalé, Robert Frankenberg, Juan Lafita/Red Bull Photofiles, Arzah, Ristorante dal Pescatore
Am Montag, dem 24. Februar 2003, nahm Bernard Loiseau sein Jagdgewehr, erschoss sich und setzte damit den Gourmet-Guides dieser Welt ein Denkmal.
Der 52-jährige Patron des „Côte d’Or“ in Saulieu nahm sich sein Leben, weil ihn der „Gault Millau“ von 19 auf 17 Punkte hinabstufte und er daraufhin fürchtete ,einen seiner drei „Michelin-Sterne“ zu verlieren. Die schlechte Pointe: Er hätte ihn wieder verliehen bekommen.
Freitod, weil der Verlust einer Auszeichnung befürchtet wird? Der Fall Loiseau treibt die Bedeutung des „Guide Michelin“ auf die Spitze, seiner Macht entziehen können sich aber nur die wenigsten. „Die Leute glauben an den Guide. Keine Frage, die Sterne füllen dein Restaurant“, meint auch Shootingstar des Jahres, René Redzepi. Das „Restaurant Magazine“ kürte ihn und das „noma“ zum besten Restaurant der Welt. Dem „Guide Michelin“ ist die puristische Nordküche allerdings nur zwei Sterne wert. Was aber nicht weiter überrascht. Zumindest laut Lutz Hachmeister. Der hat in seiner nun erscheinenden Doku „Die Sterne und die Köche“ einen Blick hinter das System „Guide Michelin“ getan.
Keine Frage, die Sterne füllen das Restaurant.“
Sein 90 Minuten langer Film zeigt intime Einblicke in…
Fotos: altschaffel.com, Estudio Jose Lopez, Werner Krug, Jean-Georges Vongerichten, bocuse, Guide Michelin, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Christian Lejalé, Robert Frankenberg, Juan Lafita/Red Bull Photofiles, Arzah, Ristorante dal Pescatore
Am Montag, dem 24. Februar 2003, nahm Bernard Loiseau sein Jagdgewehr, erschoss sich und setzte damit den Gourmet-Guides dieser Welt ein Denkmal.
Der 52-jährige Patron des „Côte d’Or“ in Saulieu nahm sich sein Leben, weil ihn der „Gault Millau“ von 19 auf 17 Punkte hinabstufte und er daraufhin fürchtete ,einen seiner drei „Michelin-Sterne“ zu verlieren. Die schlechte Pointe: Er hätte ihn wieder verliehen bekommen.
Freitod, weil der Verlust einer Auszeichnung befürchtet wird? Der Fall Loiseau treibt die Bedeutung des „Guide Michelin“ auf die Spitze, seiner Macht entziehen können sich aber nur die wenigsten. „Die Leute glauben an den Guide. Keine Frage, die Sterne füllen dein Restaurant“, meint auch Shootingstar des Jahres, René Redzepi. Das „Restaurant Magazine“ kürte ihn und das „noma“ zum besten Restaurant der Welt. Dem „Guide Michelin“ ist die puristische Nordküche allerdings nur zwei Sterne wert. Was aber nicht weiter überrascht. Zumindest laut Lutz Hachmeister. Der hat in seiner nun erscheinenden Doku „Die Sterne und die Köche“ einen Blick hinter das System „Guide Michelin“ getan.
Keine Frage, die Sterne füllen das Restaurant.“
Sein 90 Minuten langer Film zeigt intime Einblicke in die Gourmetwelt: acht Dreisterner, Redzepi und der Direktor des „Guide Michelin“, Jean-Luc Naret. „Es ist eine Unart von Michelin, Redzepis Kochkunst nicht entsprechend zu würdigen, nur weil er gerade in aller Munde ist“, so Hachmeister. Ein Schicksal, das Olivier Roellinger mit dem Dänen teilt. Zwölf Jahre musste der Franzose auf die Vergabe des dritten Sterns warten. Als er kam, dankte Roellinger ab, schloss sein Gourmetrestaurant „Maisons de Bricourt“ in Cancale und führt nun seine Cuisine Corsair in seinem Zweitrestaurant „Le Coquillage“ weiter. Seine drei Sterne, teilte er Naret mit, wolle er nicht mehr, er will den Stress und die monetären Mittel nicht mehr aufwenden.
Diese Einstellung hätte er hinter sich gelassen. Das wiederum kratzt am Image des Guides und Naret nimmt es, auch zwei Jahre später, persönlich: „Sterne kann man nicht zurückgeben. Die Köche erklären in diesem Fall nur unseren Lesern, dass sie aus dem System, das sie berühmt, oder zumindest bekannt gemacht hat, aussteigen.“ Die Pointe an dieser Geschichte: Heuer bekam Roellinger erneut einen „Michelin-Stern“ verliehen.
Doch Roellinger ist eine Ausnahme. In der Regel ist es der Wunsch eines jeden Koches, mit Sternen ausgezeichnet zu werden. Die Höchstnote von drei erreichten in diesem Jahr 72. Sechs davon Frauen, eine davon Nadia Santini aus dem „Restaurante dal Pescatore“.
Die Puppenspieler und Marionetten
Die Familie Santini ist für zwei Dinge ein klassisches Beispiel: für das der italienischen, generationenübergreifenden Küche und für die Erhöhung des Marktwertes durch die Nennung im Guide. Abgeschieden in der Nähe von Cremona finanziert sich der Betrieb vor allem durch reiche Touristen, die den „Guide Michelin“ als Reiseführer verwenden. Antonio Santini, Ehemann von Nadia, ist sich dessen bewusst: „So ist das Spiel. Und das inkludiert, immer auf Maximalleistung zu arbeiten mit einem Minimum an Gewinn. Wer aber drei Sterne hat, kann das System nicht kritisieren, das ihn an die Spitze stellt.“
An diesem Punkt hakt Hachmeister ein: „Wie kann man ein ästhetisches Erlebnis kategorisieren, gibt es den Naret’schen Anspruch auf restriktive Objektivität?“ „Nein“, so die Antwort von Sternekoch Roland Trettl. „Wie soll man das bewerten? Es ist wie in der Kunst und der Musik, dem einen gefällt es, dem anderen nicht. Das System funktioniert nicht, es menschelt zu sehr.“
Das Gastkochkonzept des Hangar-7-Chefs basiert dennoch auf dem Bewertungssystem. Wer gut ist, ist drin. Wie Sergio Herman, aktuell mit 20 „Gault Millau“-Punkten und drei Sternen in den Gourmetcharts und Gastkoch im September. Lässt sich aber nach etwa 80 Gastköchen eine Gemeinsamkeit bei diesen feststellen? „Alle sind auf einem Gebiet herausragend. Ob nun bei Kreativiät, Produktselektion, Teamführung oder dem Blick auf das Detail. Sie stechen einfach heraus.“ Hachmeisters Antwort auf die Gemeinsamkeiten seiner neun sehr unterschiedlichen Filmprotagonisten: „Es ist eigentlich trivial. Die Präzision, mit der sie am High End des Kochens arbeiten.“
Der Tanz um das goldene Kalb
Naret kürte Tokio, erwiesenermaßen aus marketing- und umsatztechnischen Gründen, zur neuen Gourmetmetropole. Hideki Ishikawa erhielt auf Anhieb drei Sterne. „In Frankreich mag das große Bedeutung haben, hier in Japan ist der Gewinn oder Verlust eines Sterns nebensächlich. Keiner würde seinen Stolz deswegen verlieren.“ In Europa ist die Geschichte eine andere. Siehe Bernard Loiseau.
>> Info
1 Industriemechaniker/-in
2 Bankkaufmann/-frau
3 Industriekaufmann/-frau
4 Mechatroniker/-in
5 Bürokaufmann/-frau
…
21 Friseur/-in
22 Maler/-in und Lackier/-in
23 Fachverkäufer/-in im
Lebensmittelhandwerk
24 Hotelfachmann/-frau
25 Restaurantfachmann/-frau
Ausbildung ohne Niveau?
Laut DGB herrscht im Business schlechte Ausblidungsstimmung.
Die Schattenseiten
Bereits im vergangenen Jahr waren die Ausbildungen im Hotel- und Gaststättengewerbe unbefriedigend. Doch anstatt Verbesserungen zu erzielen, blieb das Niveau gleich. Nämlich unbefriedigend.
7317 Auszubildende wurden für den Ausbildungsreport 2010 des Deutschen Gewerkschaftsbundes befragt. Das Ergebnis ist durchaus ernüchternd: Das Ranking der 25 häufigsten Ausbildungsberufe ergab, dass die Ausbildungen zum Hotelfachmann/-frau und zum Restaurantfachmann/-frau die beiden letzten Plätze belegen. Hier herrscht laut Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, schlechte Stimmung: „Der DGB-Ausbildungsreport ist ein jährlicher Gradmesser für Qualität in der Ausbildung. Hier zeigt sich deutlich, in welchen Branchen es gut läuft und welche Nachholbedarf haben.“
Harte Arbeit, permanent viele Überstunden, ein oftmals rauer Umgangston und der Eindruck, als billige Arbeitskraft ausgenutzt zu werden, sorgen laut dieser Umfrage bei Auszubildenden im Hotel- und Gaststättengewerbe für großen Unmut. Ein zusätzlicher Dorn im Auge ist, dass es gerade diese Berufe sind, die – neben den Künsten des Koches – dazu beitragen, in einem der bedeutendsten Guides aufgenommen zu werden. Eine Änderung, die nun kommen soll, spielt laut DGB eher in die Tasche des Betriebes: „Das Jugendarbeitsschutzgesetz soll gelockert werden, um die Arbeitszeiten von minderjährigen Auszubildenden im Hotel- und Gaststättengewerbe bis in die Nachtstunden zu erweitern.“