Harter Haas(e)
Sucht man den Namen Hans Haas im Internet, stößt man auf – nein, eben nicht auf einen Koch. Hans Haas beeindruckte als österreichischer Gewichtheber (1906 bis 1973), Weltrekordler und zweifacher Olympiamedaillengewinner! Und dann noch auf Hans Haas, den Pfarrer, Missionar und Gelehrten, der sogar mit dem Titel eines Ehrendoktors ausgezeichnet wurde. Der Hans Haas der Jetztzeit hat von beiden etwas. Eine unmittelbare Verwandtschaft dürfte wohl nicht bestehen, aber als er das Erbe von Eckart Witzigmann und Heinz Winkler stemmen musste, war die Kraft eines Koberinds und die Glaubensfähigkeit Benedikts XVI. nötig.
Endlich hatten sich die Münchner an den Tantris-Stil abseits vom braven Schnitzel gewöhnt, Fleisch geworden durch Witzigmann und Winkler – und dann kam auf einmal so ein junger Tiroler daher. Plötzlich spielten nicht mehr nur Hummer, Gänseleber und Trüffeln die Hauptrolle, unter Hans Haas wurden auch die Nebenrollen Kalbskopf, Rinderbäckchen und Beuschel in das Rampenlicht gerückt. So ein Schmarren. „Das Standardprogramm hat eh jeder“, meint der frühere Rebell und wippt dabei in seinen Turnschuhen, die unter der Schürze hervorlugen. Bei Leber & Co. sei der Freiraum für Kreativität ziemlich eng, nur bei den Zutaten könne man noch variieren. Ganz anders, wenn man sich über weniger noblen Stoff drübertraut. Bestes Beispiel: Die geschmorten Rinderbäckchen sind mittlerweile ein Klassiker, die Hans Haas als Erster in Deutschland auf die Karte setzte. Das schmeckte allerdings nicht jedem.
Heute kann er grinsen, wenn er von der Schneidearbeit absetzt und mit seinem Riesenmesser gestikulierend vor der Kamera des Fotografen fuchtelt. Schon allein das Interieur mit seiner Orgie…
Sucht man den Namen Hans Haas im Internet, stößt man auf – nein, eben nicht auf einen Koch. Hans Haas beeindruckte als österreichischer Gewichtheber (1906 bis 1973), Weltrekordler und zweifacher Olympiamedaillengewinner! Und dann noch auf Hans Haas, den Pfarrer, Missionar und Gelehrten, der sogar mit dem Titel eines Ehrendoktors ausgezeichnet wurde. Der Hans Haas der Jetztzeit hat von beiden etwas. Eine unmittelbare Verwandtschaft dürfte wohl nicht bestehen, aber als er das Erbe von Eckart Witzigmann und Heinz Winkler stemmen musste, war die Kraft eines Koberinds und die Glaubensfähigkeit Benedikts XVI. nötig.
Endlich hatten sich die Münchner an den Tantris-Stil abseits vom braven Schnitzel gewöhnt, Fleisch geworden durch Witzigmann und Winkler – und dann kam auf einmal so ein junger Tiroler daher. Plötzlich spielten nicht mehr nur Hummer, Gänseleber und Trüffeln die Hauptrolle, unter Hans Haas wurden auch die Nebenrollen Kalbskopf, Rinderbäckchen und Beuschel in das Rampenlicht gerückt. So ein Schmarren. „Das Standardprogramm hat eh jeder“, meint der frühere Rebell und wippt dabei in seinen Turnschuhen, die unter der Schürze hervorlugen. Bei Leber & Co. sei der Freiraum für Kreativität ziemlich eng, nur bei den Zutaten könne man noch variieren. Ganz anders, wenn man sich über weniger noblen Stoff drübertraut. Bestes Beispiel: Die geschmorten Rinderbäckchen sind mittlerweile ein Klassiker, die Hans Haas als Erster in Deutschland auf die Karte setzte. Das schmeckte allerdings nicht jedem.
Heute kann er grinsen, wenn er von der Schneidearbeit absetzt und mit seinem Riesenmesser gestikulierend vor der Kamera des Fotografen fuchtelt. Schon allein das Interieur mit seiner Orgie in schreiendem Orange war für viele ein rotes Tuch und dann erlaubte sich der Grünschnabel auch noch die Rückkehr von oft üblichem Aktionismus auf dem Teller zu leisen Zwischentönen, die für Haas die Raffinesse eines Gerichts ausmachen. Die kleineren Sternerestaurant-Portionen trieben manche nach dem Tantris-Besuch noch in die Pizzeria. Das hätte sich aber mittlerweile gebessert, meint Tantris-Begründer Fritz Eichbauer süffisant.
„Die ersten zwei Jahre als Küchenchef waren schon schwierig“, gibt Hans Haas offen zu, während er Brot, Butter und ein Einweckglas mit seiner traumhaften, selbst gemachten Marillenmarmelade zu uns herüberschiebt. Das fruchtige Kunstwerk mit ganzen Stücken (lecker!) harmoniert sogar mit den Fliesen in der Küche, die – natürlich – in Orange gehalten sind. „Ich habe noch einen Zeitungstitel im Kopf: ,Tantris von Platz 2 auf 42 abgewertet‘.“ Schlaflose Nächte hatte er deshalb nicht. „Ich habe gewusst, was ich kann.“ Wie ein Tiroler Berg trotzte er dem Gegenwind. Ein Gast sagte ihm zwar einmal ins Gesicht: „Es ist einfach nicht mehr so wie beim Herrn Witzigmann.“ Haas konterte aber locker: „Na, Gott sei Dank, sonst würde ich ohnehin nur kopieren.“ Mittlerweile steht er schon 16 Jahre an der Spitze des Tantris und fühlt sich „narrisch wohl“ in München.
Hans Haas hätte auch locker Skifahrer werden können. In seinem Heimatort Oberau in der Tiroler Wildschönau ist den Leuten das Skifahren als Genom quasi eingepflanzt und Haas war schon als Bub einer der Besten. Sein Vater war Skilehrer und sein Bruder ist es noch, neben dem Bauernhof daheim musste man schließlich noch ein Zubrot verdienen. Für Hans Haas sind die Bretter, die für einen Tiroler die Welt bedeuten, auch heute noch ein Stück Leidenschaft. Beim San-Pelegrino-Cup, bei dem sich 70 der angesagtesten Köche auf der Piste matchen, putzt er regelmäßig seine Kollegen – auch Eckart Witzigmann, als Salzburger ein ausgewiesen exzellenter Skifahrer. „Na ja, was soll ich sagen?“, druckst Haas herum und grinst, „er fährt auf jeden Fall den schöneren Stil.“ Vielleicht hätte Haas sogar Profiradrennfahrer werden können, wohl auch erfolgreicher Maler und Bildhauer, Talent hätte er überall gehabt. Die zweiwöchige Hochzeitsreise mit seiner Frau Ina verbrachte er auf dem Rad und als Ausgleich zum Job lebt er sich zu Hause künstlerisch aus. Als Maler oder als Bildhauer. Selbst aus Steinbuttkarkassen formt er Skulpturen. Manchmal gibt er sich zur Gaudee als junger Künstler aus und signiert mit Jean Lapin, französisch für Hans Haas. Was kann der Haas eigentlich nicht? Und trotzdem: Schon als Zehnjähriger stellte er sich wie Grisu hin und wiederholte zwar nicht wie der Drache, dass er Feuerwehrmann werden wollte, aber Koch – das war’s. Damals kein extrem verheißungsvoller Berufswunsch. „Ist einem gar nix Besseres eingefallen, wurde man eben Koch. Da hatte man es wenigstens warm und zu essen gab es auch genug.“
Auf den Geschmack war Hans Haas gekommen, als ihn sein älterer Bruder Wastl zum Kellerwirt in Oberau mitnahm und er beim Abwasch aushalf. Die Wirtin stellte ihm eine Bierbank vor die Spüle, sonst wäre der kleine Haas nicht einmal an das Geschirr gekommen. Aus einem Aushilfsjob wurde eine Ferienbeschäftigung und bald durfte er zum Salatputzen und Pommes-frites-Backen ran. Die Ansprüche und das Niveau steigerten sich schnell. Eineinhalb Jahre bei den Gebrüdern Haeberlin und viereinhalb als Souschef bei Eckart Witzigmann im legendären Aubergine stehen auf seiner Visitenkarte. Beide Stationen bezeichnet Haas als seine prägendsten Zeiten und zu den Großmeistern beider Häuser hat er noch immer freundschaftliche Beziehungen. Bei Witzigmann war er der am längsten dienende Souschef. Eigentlich wollte er schon früher weiterziehen, aber sein Chef meinte nur: „Du kannst eh noch nichts, bleib bei mir.“ Wenn Hans Haas an Marc Haeberlin denkt, fällt ihm nicht nur die feine Küchenmannschaft ein, die wie eine große Familie zusammenhielt, ihn verbindet auch eine andere Episode. Als einmal nichts los war im Restaurant – was praktisch so gut wie nie vorkam – nützten sie einfach die Straße zum Skifahren. Einer fuhr mit dem Auto, der andere ließ sich ziehen …
Ausreißer, die heute kaum mehr denkbar sind. An einem Abend mit bis zu 120 Gästen müssen rund 800 Gerichte über den Pass geschickt werden. Auf höchstem Niveau, versteht sich. Da ist höchste Disziplin gefragt und Haas kehrt den strengen Chef hervor. „Wenn die Burschen hier anfangen, müssen sie das Kochen noch einmal neu lernen.“ Die Anforderungen sind hoch und die Sternerichter streng. Zwei regnete es zuletzt auf das Tantris herab, Haas hat aber Appetit auf mehr. „Ich glaube, unsere Küche wäre auch 3-Sterne-würdig.“
Als der Bauunternehmer Fritz Eichbauer 1971 das Tantris ins Leben rief, stieß er in ein Vakuum. Ein Restaurant wie das Tantris hatte es eben in Deutschland einfach noch nicht gegeben, in München sowieso nicht. Schon allein der Standort im Norden Schwabings. In nächster Nachbarschaft ein Wohnhaus, eine Tankstelle und eine Polizeistation – nicht eben romantisch. Das Tantris selbst ist von außen ein schmuckloser Betonklotz, der von einem Rudel aztekisch anmutender Fabelwesen aus Beton bewacht wird. Im Inneren dominieren Hummerrot, Trüffelschwarz und natürlich Orange. Ein New Yorker Restaurantdesigner bezeichnete es einmal als schönste Feuerwehrstation, die er je gesehen hatte. Eigentlich erinnert das Tantris an eine kleine, moderne Kirche. Architekt Justus Dahinden hatte bisher auch hauptsächlich sakrale Bauten errichtet. Und der Spitzname Fresskirche ließ nicht lange auf sich warten, die Fachzeitschrift AD schrieb: „Das Restaurant, in dem Gott wohnt.“ Vorschläge, die Popikone zu schleifen, gab es reichlich. Einer wollte rustikale Holzemporen einbauen, eine Art Zeltlandschaft zu implantieren, wurde angedacht und man sprach sogar von einem künstlichen Wasserfall. Aber die Eichbauers blieben stur und entschieden sich für die schockgefrorene Variante der 70er. Früher Avantgarde, heute bereits Kult. Manche Gäste finden die orangeroten Plüschteppiche zwar auch heute noch hässlich, sie kommen trotzdem immer wieder. Die Streichelsanierung brachte nur ein kleines Facelifting, architektonische Botoxspritzen quasi. Eine halbe Million Euro flossen in die Neugestaltung, die eigentlich gar keine ist. Gut, die Teppiche wurden in der Schweiz neu gewoben, alles wurde ein bisschen aufgefrischt – das war es dann auch schon. Allerdings brach auch über das Tantris die Lounge-Welle herein und die Galerie wurde als Chill-out-Bereich für Fingerfoodgäste angepasst. Statt gesetzter Gängemenüs also kleine Happen und Champagner, die leistbarer sind. Und bautechnisch lässt sich von der Galerie herab gut beobachten, was die „Unterschicht“ genießt. Eins steht fest: Das Tantris wird weiter von der Eichbauer-Family gepflegt. Jetzt übernimmt aber Sohn Felix, der mit dem Betrieb groß wurde. Wer kann von sich schon behaupten, dass Eckart Witzigmann seine Milchflasche aufwärmte?
Bis das Tantris zum Kult wurde, musste Fritz Eichbauer einige Mark in den Betrieb pumpen. Ein Jahr, in dem eine schwarze Null unter dem Strich stand, war schon ein gutes Jahr. Und bis den Deutschen die Nouvelle Cuisine schmeckte, musste der damalige Küchenchef Eckart Witzigmann viele Nerven lassen. Wolfram Siebeck ließ in einem „Zeit“-Artikel den Koch des Jahrhunderts unter der Überschrift „40 Côtes und kein Coq“ zu Wort kommen. Von der Entrecôtes-Monogamie ist das Publikum nun geheilt, aber auch Hans Haas musste Rückschläge einstecken – zum Beispiel, als ihm vom Gault Millau ein Punkt aberkannt wurde. Da hilft Hans Haas der Glaube. „Ich geh dann auf den Berg und sage einfach Danke für mein Leben.“
>>Hans Haas im Zeitraffer
Die Karriere-Highlights:
Von 1982 bis 1987 arbeitete Hans Haas als Souschef in Eckart Witzigmanns Aubergine. Davor war er zwei Jahre im Restaurant Erbprinz in Ettlingen und im Dreisternerestaurant Auberge de L’Ill der Brüder Haeberlin als Chef de Partie.
Seit 1991 führt Hans Haas das Tantris als Chef de Cuisine konstant auf Zweisterneniveau. Zuvor arbeitete er im Frankfurter Restaurant Brückenkeller als Küchenchef.
Ausgleich findet er beim Skifahren und Mountainbiking und in seiner Bildhauerwerkstatt, wo er Plastiken aus den verschiedensten Materialien wie Holz, Stein oder auch Fischkarkassen anfertigt. Haas ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Auszeichnungen:
1987 Bocuse d’Or – 3. Preis
1995 Koch des Jahres Gault Millau
1999 Europäischer Kulturpreis
>>4 Fragen an Hans Haas
Ist Essen erotisch?
Erotik kann auch mit einem guten Essen beginnen – wenn sich langsam etwas aufbaut und zu etwas Besonderem wird.
Was wollen Sie noch unbedingt machen?
Fallschirmspringen war ich schon. Das habe ich meiner Frau allerdings nicht erzählt, sie war gerade mit unserem zweiten Kind schwanger. Ich würde gerne einmal mit dem Rad drei Wochen eine Art Tour de France fahren. Am Tag fahren und am Abend immer fein essen.
Was bedeutet Ihnen Tirol?
Viel. Da habe ich meine Wurzeln. Und wenn ich im Sommer auf einen Berg gehe und nur die Kuhglocken höre, ist die Welt in Ordnung.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nein. Ich bin religiös und glaube an ein Leben nach dem Tod. Ich gehe samstags in die Kirche, wenigstens um ein Vater- unser zu beten.
>>info
Tantris
Johann-Fichte-Str. 7
80805 München
Tel.: 00 49 (0) 89/36 19 59-0
Internet: www.tantris.de
Ruhetage: Sonntag, Montag
MarinierterSpanferkelrücken
mit Dörrpflaumen und Räucheraal
Rezept für 4 Personen:
300 g Spanferkelrücken, ausgelöst und ohne Haut
Salz, Pfeffer, Öl zum Anbraten
Den Spanferkelrücken mit Salz und Pfeffer würzen, dann in einer heißen Pfanne auf allen Seiten kurz anbraten, herausnehmen, auf ein Gitter legen und bei 160° C für ca. 12–15 Minuten im Ofen garen, so dass er schön rosa ist. Herausnehmen und auskühlen lassen, dann mit der Aufschnittmaschine in dünne Scheiben schneiden. Auf einem Teller schön auflegen, kurz bei starker Oberhitze erwärmen (nicht zu heiß!), herausnehmen, mit Salz und Pfeffer würzen und die lauwarme Marinade darübergießen.
100 g Schalotten, 1 EL Butter, 50 g Nolly Prat, 1/2 l Rinderbrühe, 1 mittlere geriebene Kartoffel
Schalotten in Butter angehen lassen, mit Nolly Prat ablöschen und der Rinderbrühe auffüllen. Mit Salz und Pfeffer würzen, eine Kartoffel fein reiben und langsam köcheln lassen, bis es leicht sämig ist, dann abpassieren.
1 EL Essig, 250 ml Öl, Saft von einer 1/2 Zitrone, Salz, Cayenne
Den Fond mit Essig, Zitronensaft, Salz und Pfeffer würzen und lauwarm das Öl einrühren.
2 EL Dörrpflaumen, fein gewürfelt, 4 EL Räucheraal, fein gewürfelt, 2 EL Brotcroûtons, 1 EL Frühlingszwiebeln, fein geschnitten
Die Dörrpflaumen und Räucheraal dazugeben und kurz vor dem Anrichten die Brotcroûtons. Die Marinade sollte unbedingt lauwarm sein, damit die warmen Spanferkelscheiben marinieren. Zum Schluss die fein geschnittenen Frühlingszwiebelscheiben darüber streuen.