Bäcker in Hannover: Shitstorm und Kündigungen nach Corona-Video?

Gerhard Bosselmann appelliert in einem Facebook-Video an seine Kunden, in den ortsansässigen Bäckereien einzukaufen. Es gelte nun, die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter zu retten. Die aber scheinen auch abseits des Umsatzes gar nicht so sicher, wie ein Schreiben zeigt.
März 23, 2020 | Fotos: Screenshots Facebook und Twitter

Angesichts der Corona-Krise wenden sich derzeit Unternehmer auf der ganzen Welt über Social Media an Mitarbeiter, Mitstreiter und Kunden. Jene, die noch öffnen oder verkaufen können, rufen Kunden dazu auf, sie, ihre lokalen Anbieter, zu unterstützen. Manchmal kann das auch nach hinten losgehen, wie die Geschichte des Gerhard Bosselmann zeigt. Der Bäcker aus Hannover hatte sich am Freitag auf Facebook in einem Video zu der aktuellen Lage geäußert.

Worum geht es in Gerhard Bosselmanns Video?

«Ich bedanke mich bei meinen Mitarbeitern, die kein Home Office machen können und Ihnen als Kunden die Gewissheit geben, dass wir bei Bosselmann für Sie genauso da sind wie in guten Zeiten», sagt der Bäcker. «Aber ohne Sie als Kunden, hat das alles keinen Sinn. Wir brauchen einen bestimmten Mindestumsatz – sonst wird unser Unternehmen nach sechs bis acht Wochen sterben.»

Die Zeit drängt, denn: Die Förderungen, die von der Regierung versprochen wurden, würden bei den Hausbanken nicht ankommen. «Wir werden alleine gelassen. Die Versprechen der Politiker kommen nicht unten an», klagt Bosselmann weiter. Der Mittelstand müsse sich nun selbst helfen. Er appelliert an alle Kunden, ihre Ware bei den Bäckereien in Hannover zu kaufen – ganz egal, welchen Namen diese trage. «Sie retten damit Arbeitsplätze», bittet der Unternehmer, der im Video sichtlich mit den Tränen kämpft. Eine «Scheißangst» hätte man bei Bosselmann, zehn Filialen müsste man bereits schließen. Trotzdem sollen medizinisches Personal & Co nun alle haushaltsüblichen Waren umsonst bekommen.

Eine großzügige Geste, das meinen auch viele User. Für das Video erntet der Bäcker auf Social Media starken Zuspruch – bis ein Schreiben an seine Mitarbeiter auftaucht. Es zeigt: Da hat wohl jemand das Internet unterschätzt.

Bosselmann droht Mitarbeitern mit Kündigung

Denn unter anderem publizierte der Twitter-User «runnertobi» prompt eine Mitteilung an die Mitarbeiter, um die Bosselmann im Video noch Angst hatte. Die Quintessenz der Botschaft: Eine Erkältung gelte nicht als Arbeitsentschuldigung. Krankmeldungen gebe es nur mit positivem Corona-Test. Und wer glaubt, er müsse in seiner Freizeit nun Freunde treffen, der werde fristlos entlassen. Aber: «Wir halten zusammen! Wir kommen da durch!» Also all jene, die die Krise nun nicht für Krankmeldungen nutzen, versteht sich. Und das Schreiben ist kein Fake, wie der Bäcker selbst gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und dem Spiegel zugibt.

Bosselmann, Video, Corona-Virus
Das Schreiben an seine Mitarbeiter ist echt – das gibt Bäcker Gerhard Bosselmann gegenüber der HAZ zu.

Warum reagierte Bosselmann derart drastisch?

Warum der Bäcker einerseits ein emotionales Video veröffentlicht, andererseits aber seinen Mitarbeitern mit Kündigungen droht, das interessiert nun die halbe Nation. In einem Interview mit dem Spiegel erklärt Bosselmann, er habe sich im Ton vergriffen. Der unmittelbare Auslöser für die Reaktion sei das Verhalten einer seiner Mitarbeiter gewesen. «Kein Kunde möchte Brot von uns kaufen, wenn dort womöglich ein mit dem Coronavirus infizierter Mitarbeiter draufgehustet hat», sagt der Unternehmer im Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin. «In den ersten Tagen der Krise aber war das Bewusstsein bei einigen jungen Mitarbeitern offenbar noch nicht vorhanden. Mich hat ein Mitarbeiter angerufen und gefragt, ob er noch zur Arbeit kommen müsse. Er sei am Vortag auf einer Corona-Party gewesen, auf der sich auch ein positiv getesteter Mensch aufgehalten habe.»

Was sagen Bosselmanns Mitarbeiter?

Die Bäckerei-Angestellten scheinen dafür mehr Verständnis zu zeigen als die breite Öffentlichkeit. «Nicht einer meiner Mitarbeiter hat sich beschwert, nicht einer meiner Mitarbeiter ist krank oder hat irgendetwas gegen mich unternommen, im Gegenteil, ich habe sogar Zuspruch aus der Belegschaft bekommen. Wir stehen fest zusammen», sagt er dem Spiegel. Auch jener Mitarbeiter, der nach der Corona-Party in Corona-Quarantäne muss, werde danach wieder seinen Dienst antreten.

Also gibt es doch keine Kündigungen? Bosselmann sagt Nein, er brauche jede Hand. Und das dürfte spätestens jetzt wirklich stimmen. Denn der Unternehmer muss nun neben der Corona-Krise auch mit einem Shitstorm kämpfen. Aber zumindest die Probleme des Mittelstandes sind oben angekommen. Wegen der großen Aufmerksamkeit, die das Video erregte, hat Bosselmanns Telefon sehr oft geklingelt: Unter anderem waren Bernd Althusmann, der Wirtschaftsminister Niedersachsens und der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil dran.

www.bosselmann-landbaeckerei.com

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