Chefdays 2015 – Dani García: Konzept: Märchen
Dani García ist ein Geschichtenerzähler. Auf 2-Sterne-Niveau. Seine Märchen sind voller Kontraste und doch eine runde Sache, vom Betreten seines Restaurants „Dani García“ in Marbella, der Eröffnung mit Amuse Gueules aus einem Märchenbuch bis hin zum Abschluss mit Petits Fours aus der Teekanne von Alice im Wunderland. Ja, der 40-jährige Andalusier kann Märchenstunden abhalten. Und zwar von der Sorte, die auch Erwachsene wieder ins Träumen versetzt. Dabei folgt García einem genauen Konzept. Wobei zu jeder Zeit natürlich genügend Freiraum für kreative Ideen und Spielereien eingeräumt wird. Aus Spiel wird manchmal auch Ernst und somit ein Gericht auf Dani Garcías Degustationsmenü mit dem passenden Titel: „Es war einmal …“
„Wir versuchen immer, das Gleichgewicht zwischen absoluter Verrücktheit und Vernunft zu halten“, erklärt der Spanier eines der Geheimnisse, die hinter seinen ausgeklügelten Gerichten stecken. So wie die Nitro-Tomate. Das wahrscheinlich meistkopierte Gericht der High-End-Gastronomie überhaupt. Auch diese wird Dani García bei den CHEFDAYS 2015 vorzeigen. „Mit meinen drei Gerichten möchte ich das Konzept sowie die Techniken in meiner Küche erklären“, spricht der Spanier und marschiert hinter den Küchenblock. An seiner Seite: Jorge Martín del Cañizo, Küchenchef im Restaurant Dani García.
Von der Natur inspiriert
Seit 2008 haben Dani García und sein Team den Klassiker auf der Karte. Anhand der Nitro-Tomate erklärt Dani García angewandte Techniken in seinem Restaurant. García: „Wir variieren die Tomate in der Rezeptur immer wieder. Ganz runternehmen können wir sie nicht vom Menü. Wenn Gäste zu uns kommen und von den 21 Gängen nicht einer die Tomate ist, sind sie enttäuscht. Die Herausforderung ist, in der klassischen Hülle doch immer noch zu variieren.“ Die aktuelle Interpretation der Nitro-Tomate besteht aus einer Pipirrana-Mousse. Eigentlich eine typisch andalusisches Gericht, das in Dani Garcías Märchenwelt zum verführerisch glänzenden Paradiesapfel wird.
Die Rezeptur im Inneren: Tomaten, grüne Paprika, Zwiebel und Knoblauch gemixt. Dazu etwas Olivenöl in Pulverform. „Da steigt einem schon direkt der Duft Andalusiens in die Nase“, spricht der 2-Sterne-Koch und wickelt die Masse in eine Frischhaltefolie ein. Dabei erklärt er, dass die Mousse in Dani Garcías echter Märchenwelt vor dem Einwickeln noch 24 Stunden rastet und mit Sherryessig und Olivenöl verfeinert wird.
Die Tomatenoptik entsteht dabei einfach wie genial: Durch das Eindrehen in die Frischhaltefolie bilden sich Falten an der Oberfläche, die der einer echten Tomate erstaunlich entsprechen. Danach noch mit Nitrogel, Tomatenwasser, Lebensmittelfarbe überzogen und fertig ist die Hauptkomponente von Garcías Signature Dish, der für solche und ähnliche Ideen bereits mit 23 Jahren zum jüngsten Sternekoch Spaniens ausgezeichnet wurde. 17 Jahre später ist Dani García Executive Chef des gleichnamigen Restaurants in Marbella sowie des angrenzenden Bistros Bibo. Beide erst seit Kurzem an dieser Adresse und daher in der Ausstattung nigelnagelneu und vom Konzept her genial durchgeplant. Von der Sorte, dass man als besuchender Koch kaum den Finger vom Handy-Fotoauslöser nehmen kann. Es ist eben schon fein, wenn man eine Küche genau nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen planen kann. Das sieht auch Dani García so: „Endlich haben wir genug Platz in unserer Küche. Auch um zu experimentieren und um Ideen nachzugehen.“ Gastro-Luxus, den sich Dani García heute erlauben kann. Zu verdanken hat der Ausnahmekoch das kontinuierlicher Arbeit auf Top-Niveau, immerwährender Neugier und der Offenheit für Neues, die in einer kulinarischen Erfahrung für den Gast resultieren, die auch auf internationalem Niveau hochgeschätzt wird.
Die Quellen der Inspiration sind für Dani García dabei genauso kreativ und vielfältig wie seine Gerichte selbst. So steht das nächste Gericht ganz im Zeichen eines kulinarischen Klassikers, den Dani García wie viele andere seiner andalusischen Landsleute seit ihrer Kindheit kennt. Ausgarniert beziehungsweise optisch gepimpt mit einer weiteren Kindheitserinnerung: gehäkelten Spitzendeckchen. Ebenso wie in unseren Breitengraden haben diese filigran gehäkelten Deckchen unter Obstschüsseln, auf dem Ohrensessel und Co. nämlich auch in Südspanien Tradition. Für Dani García eine, die sich wunderbar als essbare Geschichte erzählen lässt und sich sogar im Design seines Restaurants widerspiegelt. „Wir kreieren basierend auf der Tradition, kombinieren gegensätzliche und für sich stehende Aromen, dazu eine Prise Talent und ein Ätzelchen Innovation. Dazu verblüffende Texturen, mit Illusion bestäubt“, so beschreibt der sympathische Südspanier seine Küche, die Philosophie des Restaurants.
Im Falle des zweiten Gerichts bei den CHEFDAYS manifestiert sich diese Philosophie als „Croché“, im Spanischen der Name für diese Art von gehäkelten Spitzendeckchen. Die Grundidee der Zubereitung basiert auf dem Originalrezept seiner Mutter: einer Sepia-Suppe, die andalusisch mit gehackten Mandeln, Knoblauch, Tomate, frittiertem Knoblauch, Zwiebel und zum Abschluss eben mit Tintenfisch zubereitet wird. „Den intensiven Geschmack dieser Komponente schwächen wir mit einer Chipirón-Emulsion, also vom selben Tier, ab.“ Genau das sei es nämlich, was beim Gast Emotionen hervorrufe. „Die Kombination einer geschmacksintensiven Komponente mit einer feinen, harmonisierenden, und dazu die eigene Geschichte. Denn gute Rezepte gibt es viele, die eigene Story dazu macht es erst interessant, emotional.“ Und schließlich sei so ein Restaurantbesuch auch etwas Emotionales.
Die Sepia-Consommé also ganz nach traditioneller Manier zubereitet, wird bei Dani García im nächsten Schritt geliert und in Häkeldeckchen-Form gebracht. „Wir erhitzen die Sauce auf 65 Grad, beim Abkühlen geliert die Suppe.“ Das Deckchen auf die sämig-cremige Emulsion aus Chipirón platziert, und fertig ist die Hommage an die Großmutter, die ihrem Spitzendeckchen auf dem Gericht anstatt unter dem Teller auch einiges abgewinnen kann. García: „Wir zeigen dieses Gericht sehr gerne bei Präsentationen, weil es den Konzeptgedanken sehr gut transportiert.“ Konzept hinter diesem Teller ist die Verwendung eines Klassikers aus der Region, die Inspiration aus der eigenen Tradition und Kindheit, und zu guter Letzt das Transformieren dieser Erinnerung in ein Gericht. „In meinem Fall sind es Spitzendeckchen und Choco, also Sepia. Aber aus dem Konzept an sich und ganz anderen Erinnerungen können Tausende verschiedene Gerichte entstehen.“ Wenn man Dani García ist und somit seine Leidenschaft lebt, ist es auch nicht möglich, an einem ganz normalen Laden vorbeizugehen, ohne gleich wieder mit einer Idee mehr in das Restaurant zurückzukehren. Im Fall von Gericht Nummer drei, das Dani García zeigt, war es eine Zitronenpresse aus Glas. „Ich habe sie meinem Team gezeigt und gemeint, ich würde sie irgendwie gerne ins Menü einbauen. Darum haben wir uns überlegt, was man damit anstellen könnte“, lacht García. Herausgekommen ist eine Zitrone. À la Dani García, versteht sich. Konkret: Yuzu-Eis mit Basilikum-Gel. Das Yuzu-Eis sieht bei Dani García und seinem Team dabei – Silikonform sei Dank – aus wie eine echte halbe Zitrone. An dieser Stelle dankt García der Wissenschaft: Eine Menge an Techniken, die heute in der gehobenen Gastronomie etabliert ist, wie eben die Silikonformen, wäre ohne die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft nicht möglich.
Für die täuschend echte Zitronenoptik bekommt das Eis noch einen mit etwas Lebensmittelfarbe eingefärbten Manitol-Mantel. Eine Zuckerart, die bei 180 Grad schmilzt und in festem Zustand eine knusprige Hülle um das Eis bildet. „Wichtig ist, dass diese Schicht so dünn wie möglich ist. Nur so ergibt sich der richtige Crunch, also das gewünschte Texturenspiel, sowie die Optik, die jede Pore einer Zitronenschale abbildet. Serviert auf der Zitronenpresse, die allen Anfang dieses Desserts darstellt, das am 1. Juli Premiere in Dani Garcías Restaurant feiert. García: „Natürlich ist die Optik in Gerichten sehr wichtig. Aber der Gast soll den Geschmack wollen. Am Ende des Tages sind wir ein normales Lokal. Wichtig ist nur, komplett frei zu sein beim Kochen. Dann kommen die Ideen von selbst.“
Nitro-Tomate
Tomatenmousse mit ceviche-creme und datteln