Science Fiction im Kühlregal
Food-Start-ups unter der Lupe
Wie Jerry, die kleine, unscheinbare Maus, die dem Kater Tom immer wahnsinnig gerne auf der Nase herumgetanzt ist, schaffen es Food-Start-ups, sich in der Branche langsam, aber sicher selbst mit unmöglich erscheinenden Ideen ihren Raum zu schaffen. Sie sind kleiner, können schneller agieren, schaffen neue Techniken und nutzen aktiv die bestehende und müssen dabei nicht über gigantische Konsequenzen nachdenken, wie es die großen, eingefahrenen Food-Unternehmen der Branche müssen.
Bedarf an Neuerungen des aktuellen Angebots gibt es in der Lebensmittelbranche ohnehin: Nicht nur Alternativen zum Fleischkonsum werden händeringend gesucht, um die wachsende Weltbevölkerung auch noch im Jahr 2050 ernähren zu können. Auf der Liste stehen auch neue Anbautechniken, wassereinsparende und landwirtschaftsräumevergrößernde Ideen. Lebensmittelanbau in der Wüste, unter Wasser, in der Stadt – jeder Raum soll bestmöglich genutzt werden.
Ein Spielplatz voller Möglichkeiten
Weniger Bedarf, dafür mehr intelligente Spielerei sind Infrarotscanner, die verraten, was im Lebensmittel steckt, oder Becher, die die Inhaltsstoffe des Getränks an der Glaswand erläutern. Kühlschränke, die die Milch selbst nachbestellen, und Apps, die nach dem Scan der DNA personalisierte Ernährungstipps abgeben, gehören genauso zu dem Repertoire der kleinen, flinken Start-ups der Branche. Manchmal erscheinen die Ideen der kleinen Unternehmen eher realitätsfern als zum Greifen nahe, aber sie sprießen aus dem nahrhaften Boden der Branche und rütteln sie – vielleicht nicht heute, dafür aber bestimmt – wach.
Start-up-Gründer werfen einen ganz anderen Blick auf die Branche und haben daher meist andere Vorstellungen von der Realität als etablierte Unternehmen.
Hanni Rützler über den Blickwinkel von Quereinsteigern auf eine Branche
Food-Start-ups unter der Lupe
Wie Jerry, die kleine, unscheinbare Maus, die dem Kater Tom immer wahnsinnig gerne auf der Nase herumgetanzt ist, schaffen es Food-Start-ups, sich in der Branche langsam, aber sicher selbst mit unmöglich erscheinenden Ideen ihren Raum zu schaffen. Sie sind kleiner, können schneller agieren, schaffen neue Techniken und nutzen aktiv die bestehende und müssen dabei nicht über gigantische Konsequenzen nachdenken, wie es die großen, eingefahrenen Food-Unternehmen der Branche müssen.
Bedarf an Neuerungen des aktuellen Angebots gibt es in der Lebensmittelbranche ohnehin: Nicht nur Alternativen zum Fleischkonsum werden händeringend gesucht, um die wachsende Weltbevölkerung auch noch im Jahr 2050 ernähren zu können. Auf der Liste stehen auch neue Anbautechniken, wassereinsparende und landwirtschaftsräumevergrößernde Ideen. Lebensmittelanbau in der Wüste, unter Wasser, in der Stadt – jeder Raum soll bestmöglich genutzt werden.
Ein Spielplatz voller Möglichkeiten
Weniger Bedarf, dafür mehr intelligente Spielerei sind Infrarotscanner, die verraten, was im Lebensmittel steckt, oder Becher, die die Inhaltsstoffe des Getränks an der Glaswand erläutern. Kühlschränke, die die Milch selbst nachbestellen, und Apps, die nach dem Scan der DNA personalisierte Ernährungstipps abgeben, gehören genauso zu dem Repertoire der kleinen, flinken Start-ups der Branche. Manchmal erscheinen die Ideen der kleinen Unternehmen eher realitätsfern als zum Greifen nahe, aber sie sprießen aus dem nahrhaften Boden der Branche und rütteln sie – vielleicht nicht heute, dafür aber bestimmt – wach.
Start-up-Gründer werfen einen ganz anderen Blick auf die Branche und haben daher meist andere Vorstellungen von der Realität als etablierte Unternehmen.
Hanni Rützler über den Blickwinkel von Quereinsteigern auf eine Branche
Auch wenn mittlere und größere Unternehmen sich jetzt vielleicht brüskieren, dass auch sie innovativ und schnell und radikal sind, sind die geringen Forschungs- und Entwicklungsausgaben innerhalb der Lebensmittelwirtschaft schon 2011 aufgefallen, als das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland die Unternehmen unter die Lupe nahm: Innovationen beschränkten sich damals mehr auf Produkte und sind hauptsächlich marketingorientiert. Mehr und mehr Imitationen bestehender Produkte, geringere Alleinstellungsmerkmale und keine neuen Kundennutzen sind die Folge.
Darüber kann die technologieaffine Digital-Natives-Start-up-Szene nur lachen: Ohne starre Effizienz- oder Einsparungs- und Auslastungsgedanken können Start-ups in jeder Branche ihren Visionen, Szenarien und Entwicklungen Raum lassen. Dabei sind es oft Quereinsteiger, die in der Hotellerie- und Gastronomiebranche anders über die Zukunft denken und sich mit neuen Modellen, Produktionen oder Distributionen einen Namen machen, erläutert Hanni Rützler im aktuellen Food-Bericht 2017.
„Und sie haben dabei den Vorteil, dass sie – mangels etablierter Organisationsstrukturen und Verfahren – auf Trendentwicklungen notgedrungen auf allen Ebenen reagieren müsse, nicht nur auf der Produktebene.“ Im besten Fall kommt also aus dem Zugzwang ein alternatives Modell mit integriertem neuen Vertrieb, der passenden Organisation und genialen Marketingideen auf den Markt, die den Erfolg der Produkte sicherstellen können.
Warum sich so viel in der Food-Branche tut? Weil Essen jeden Einzelnen berührt. Es sind eine Alltagskultur, eine Ideologie und manchmal sogar Religion, die Konsumenten und auch junge Unternehmer beeinflussen. Weil Essen so nah und greifbar ist und die digitale Welt der Generation Y zu Füßen liegt, wird eins und eins zusammengezählt und eine Idee auf den Markt gebracht.
Mit Crowdfunding finanziert und angetrieben durch die neuesten Entwicklungen der Technik ergibt sich eine Vielfalt an Möglichkeiten. Erfolgreich sind dann laut Hanni Rützler diejenigen, die die Konsumenten mit einbeziehen, und „die Zeitspanne und die Arbeitsschritte zwischen Wunsch und Konsum deutlich verringern“.
Lebensmittel aus dem Labor
Neben dem großen Bereich der technischen Möglichkeiten, der sich hauptsächlich an die Bequemlichkeit der Konsumenten richtet, beherrschen Alternativen zu tierischen Produkten wie auch allergenen Stoffen die Branche der Start-ups, die nicht selten von großen Unternehmen mitfinanziert werden.
Solche Projekte sind bespielsweise Impossible Food und Beyond Meat: Beide Unternehmen, die sich mit Fleischalternativen aus Pflanzenzellen beschäftigen, werden von Bill Gates finanziell unterstützt. Die Twitter-Gründer Biz Stone und Evan Williams lassen den Rubel locker in das Start-up Beyond Meat rollen. Twitter oder Microsoft wurden sie zu Beginn ihrer Gründung ebenfalls belächelt und niemand hätte gedacht, dass jeder einmal einen Computer hätte.
Das Besondere an Impossible Food und Beyond Meat: Sie lassen ihre Burger bluten. Beyond Meat macht es mit einem Extrakt aus Roter Bete, Impossible Food stellt im Labor ein synthetisches – rein pflanzliches – Kuh-Hämoglobin her und konnte mit dem ersten Produkt, dem Impossible Burger, bereits die Momofuku-Kette für sich begeistern. Im New Yorker Momofuku Nishi werden die blutenden Veggie-Burger verkauft. Zur Info: Der Unterschied zwischen reinem Veggie-Fleisch – blutend oder staubtrocken – und In-vitro-Fleisch liegt in der Herstellung. In-vitro-Fleisch wird aus einer lebenden Tierzelle gezüchtet – so wie klonen. Übrigens auch ein ganz heißer Tipp für Start-ups.
Food-Start-ups versuchen mit Fleischalternativen die natürlichen Ressourcen wie Wasser, Fläche und Luft zu schützen.
Ein weiteres Unternehmen, das sich der Weltrettung durch die Abstinenz von tierischen Produkten verschrieben hat, ist Muufri. Das Unternehmen wurde nach kurzer Entwicklungszeit von drei Monaten von dem reichsten Mann Asiens Li Ka-shing mit rund zwei Millionen Euro unterstützt und konnte so mehr Ressourcen in die Entwicklung von kuhmilchfreier Kuhmilch stecken.
Nebenbei die Welt retten
Damit lösen sie nicht nur das Problem der Massentierhaltung und Milchrinderausbeutung, sondern springen gleichzeitig auf den Zug der allergenfreien Lebensmittel auf. Das schafft zum Beispiel auch Mehl aus Insekten, das von der Firma Chapul auf den Markt gebracht wird. Eiweißreich, ohne Gluten und mit geringerem Wasserverbrauch sollen die Produkte die Welt retten. Ach ja, und gesund sind sie natürlich auch.
Allerdings stellt sich hier die Frage, ob es möglich ist, Menschen in westlicheren Gegenden davon zu überzeugen, Insekten zu essen, wenn es für sie schon eine Schwierigkeit darstellt, ihren eigenen Fleischkonsum so sehr einzuschränken, wie es für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung notwendig wäre.
Die Fleischproduktion gegenüber der Insektenzucht verschwendet ein Vielfaches an Umweltressourcen: Für ein Kilogramm Rindfleisch sind 16.000 Liter Wasser – das sind rund 64.000 Gläser Wasser – und 16 Kilogramm Getreide – aus denen man 32 Laibe Brot backen könnte – nötig. Insekten brauchen hingegen während ihrer Aufzucht lediglich das Doppelte des Körpergewichts, also für ein Kilogramm Insektenmasse nur zwei Kilogramm Futtermittel und einen Liter Wasser.
Sinn macht es schon, aber ob Insekten in der Küche Fuß fassen werden, bleibt abzuwarten. Aber auch Bill Gates, den Studienabbrecher, belächelte man zu Beginn. Also, wer weiß?
In der Start-up-Szene sind nicht nur Milch- und Fleischalternativen sehr beliebt, auch die Eierproduktion gerät immer mehr in Kritik und sorgt damit für Denkmaterial einfallsreicher Jungunternehmer. Hampton Creek Foods ist so ein Konglomerat aus Forschern, die sich nicht damit zufriedengeben, dass das Ei von der Henne stammt und Mayo nur mit Ei möglich ist.
Die Wissenschaftler zermahlen Planzen und mixen zusammen, was die Flora hergibt. Rausgekommen ist das erste marktfähige Produkt Just Mayo. Der Preis ist der gleiche wie der der echten Mayonnaise (zumindest in Amerika, auf einer großen Online-Markt-Plattform lässt es sich zwar bestellen, aber zu horrenden Preisen), allerdings wurden Wasser und Treibhausgase geschont – von den Hühnern und geschredderten Hähnen ganz zu schweigen.
Auch hinter dem Erfolg des Pflanzen-Mayo-Unternehmens stecken großzügige Geldgeber – Microsoft, der Bezahldienstleister PayPal und der Computerhersteller Sun–, die ihre Mittel wohl kaum in nicht zukunftsfähige Forschungsprojekte stecken würden. Es wird also kommen, denn Bill Gates investiert.
Es sind Storys, die von möglichen Zukünften erzählen, deren Keime aber schon im Heute angelegt sind.
Hanni Rützler über das Potenzial von Start-ups in der Food-Branche
Hampton Creek hat bisher 1500 proteinreiche Pflanzen untersucht und elf mögliche Varianten gefunden, tierisches Eiweiß zu ersetzen. Lein- oder Chiasamen, zerdrückte Bananen, Erbsenproteine und Sojamehl werden außerdem hoch gehandelt in der Eiweiß-Vermeidungsforschung.
Die Reduzierung des Fleischkonsums als Ziel der Forschung zu betrachten, scheint ein beliebter Grund zu sein für Food-Start-ups. Allerdings stellt sich dann doch die Frage nach der Höhe des Verarbeitungsgrades. Wie viel Forschung darf in einem Produkt stecken, damit es noch ein reines Lebensmittel ist, wie es die Natur geschaffen hat? Oder ist jeder Einzelne schon so sehr an zubereitete, gehäckselte, gepresste, mit Lebensmittelfarbe verschönerte und extrahierte Produkte gewöhnt, sodass es gar nicht mehr auffällt?
Sind die Menschen genau so sehr an das geliebte Steak und die Mayo gebunden, dass sie nicht einfach so – ohne Alternative aus dem Labor – darauf verzichten können? Haben sich in den 90er-Jahren nicht alle Hippies über genmanipulierte Lebensmittel aufgeregt, aber blutendes Veggie-Fleisch ist jetzt okay, weil … ja, warum eigentlich?
Von Foodies und Atheisten
Rob Rhinehart dreht den Spieß um und ernährt sich nur noch von künstlicher Nahrung: Der Softwareentwickler konzipierte im Selbstexperiment Soylent. Es ist ein flüssiges Nahrungsmittel – so wie Astronautenkost. Laut Rhinehart ist es ein Grundnahrungsmittel, das den Nährstoffbedarf eines durchschnittlichen Erwachsenen vollständig deckt. Aber kann ein einzelnes pulveriges Produkt überhaupt alle Nährstoffe liefern, die dem Körper zum Wachstum und zur Gesunderhaltung essenziell zugeführt werden müssen?
Echte Lebensmittel wie so ein unbeeindruckender Apfel oder ein langweiliger Brokkoli haben über 40.000 Inhaltsstoffe. Davon sind lange nicht alle bekannt und die Wirkung im Körper, die Wechselwirkung der einzelnen Substanzen miteinander und die gesundheitlichen Folgen genauso wenig.
Aber trotzdem erscheint doch ein Apfel – ohne menschliches Zutun, ohne das grelle Laborlicht und das leise Rauschen der Gerätschaften – irgendwie zuverlässiger als ein in Plastik verpacktes Pülverchen mit zählbaren, dafür nicht lesbaren Zutaten. Mit der Nahrungsaufnahme lässt sich heutzutage eine ganz eigene Ideologie vermitteln. Bio, vegan, vegetarisch, laktosefrei, regional – alles keine Neuheiten mehr.
Vielleicht wird es mehr Rob Rhineharts geben, die sich den Lebensmitteln als Ganzes verweigern. Atheisten unter den Food-Gläubigen sozusagen, die sich gegen den Genuss und für Nährstoffe entscheiden. Wenn das die Zukunft ist, wird es traurig.
Zum Glück ist die Start-up-Szene weit mehr als das: Die Food-Branche ist für Start-ups jedweder Couleur eine enorm lukrative und ideenreiche Branche, da es eben nicht nur um die Herstellung von Alternativen zu tierischen Produkten geht, sondern auch darum Unter-Wasser-Gewächshäuser, Urban- und Vertical-Farming oder den Online-Verkauf von Lebensmitteln voranzutreiben.
Sie bringen den Schwung in eingefahrene Verhaltensmuster und sorgen für frischen Wind in alten Strukturen. Food-Start-ups stellen die „Was wäre, wenn?“-Frage und lassen die Branche mit ihren Entwicklungen einen Blick in die Zukunft werfen, die gar nicht mehr so weit entfernt oder in fiktionalen Szenarien liegt, wie es manchmal erscheint.