Homosexuell, na und?!

Die Spitzengastronomie birgt großes Potenzial für Talente, die sich ungeniert outen.
November 13, 2015

Homosexualität in der Gastronomie Fotos: Shutterstock

Die Zukunft leuchtet rosarot. Leidenschaftlich und in höchster Perfektion arbeitet Maxi, der Chefkoch und Besitzer des eleganten Restaurants Xantarella in Madrids Szeneviertel Chueca, an seinem ganz persönlichen Ritterschlag: dem Michelin-Stern. Auch das Privatleben des homosexuellen Spitzengastronoms erscheint traumhaft. Er ist frisch verliebt in Horacio, den neuen Nachbarn, der früher als Fußballstar sein Geld verdiente. In der Komödie „Chefs Leckerbissen“, die bereits kurz nach der Kinopremiere vor sechs Jahren Kultstatus erlangte, spielt das Schwulsein keine besondere Rolle. Die nackte Realität sieht im Sommer 2014 ganz anders aus. Homosexualität ist in den Küchen der Gastroprofis bis heute ein heikles Thema. Huuuch, warum eigentlich?

In der Küche herrscht ein rauer Ton. Da geht es weniger um die sexuelle Gesinnung als um die blöden Sprüche.
Mirko Reeh, bekennend schwuler Gastronom

„In der Küche herrscht ein rauer Ton“, so erklärt Mirko Reeh, seit jeher bekennend schwuler…

Homosexualität in der Gastronomie
Fotos: Shutterstock

Die Zukunft leuchtet rosarot. Leidenschaftlich und in höchster Perfektion arbeitet Maxi, der Chefkoch und Besitzer des eleganten Restaurants Xantarella in Madrids Szeneviertel Chueca, an seinem ganz persönlichen Ritterschlag: dem Michelin-Stern. Auch das Privatleben des homosexuellen Spitzengastronoms erscheint traumhaft. Er ist frisch verliebt in Horacio, den neuen Nachbarn, der früher als Fußballstar sein Geld verdiente. In der Komödie „Chefs Leckerbissen“, die bereits kurz nach der Kinopremiere vor sechs Jahren Kultstatus erlangte, spielt das Schwulsein keine besondere Rolle. Die nackte Realität sieht im Sommer 2014 ganz anders aus. Homosexualität ist in den Küchen der Gastroprofis bis heute ein heikles Thema. Huuuch, warum eigentlich?

In der Küche herrscht ein rauer Ton. Da geht es weniger um die sexuelle Gesinnung als um die blöden Sprüche.
Mirko Reeh, bekennend schwuler Gastronom

„In der Küche herrscht ein rauer Ton“, so erklärt Mirko Reeh, seit jeher bekennend schwuler Gastro-Tausendsassa aus Frankfurt am Main. „Hier geht es weniger um die sexuelle Gesinnung als um die blöden Sprüche, die sich Homosexuelle in Restaurantbetrieben anhören müssen. Da ist es oft schwierig, sich zu outen.“ Es klingt kurios in einer Zeit, da Spitzenpolitiker, ehemalige Fußballprofis und – quasi in der verschärften Variante – auch Travestiekünstler wie Conchita Wurst alias Tom Neuwirth ihr Leben und ihre gleichgeschlechtliche Liebe sehr offen und erfolgreich gestalten und kommunizieren.

Dabei gehören Schwule und Lesben in der kulinarischen Szene traditionell zum Establishment. Wirte, Köche, Kellner. In der Küche sind es oft die Kollegen, die mit besonders ausgeprägter Liebe zum Detail arbeiten, in der Gaststube pflegen sie den auffallend herzlichen Kontakt zum Kunden, egal ob männlich oder weiblich. Ihre Homosexualität ist in vielen Fällen ein offenes Geheimnis, aufrichtig darüber gesprochen wird aber nur selten. „Das Wichtigste ist, das Thema so normal und seriös wie möglich zu behandeln“, sagt Reeh. „Ich würde keinem die schlüpfrige Variante empfehlen nach dem Motto: ,Hallo, ich bin ein warmer Bruder!’ Und meine Bettgeschichten gehen natürlich auch niemanden etwas an.“

Offenheit, Ehrlichkeit, eine Prise Gelassenheit. Mit diesem Rezept liegen auch Berufsanfänger garantiert richtig. Der aufgeschlossene Küchenchef erwartet im Einstellungsgespräch bei der Frage nach dem familiären Umfeld die richtige Antwort. Also bitte: Der schwule Bewerber lebt mit seinem Freund zusammen. Nicht mehr, nicht weniger. Es zählen mehr denn je fachliche Qualitäten, die sexuelle Ausrichtung darf heute selbst juristisch betrachtet keine Karrierebremse mehr sein. Homo, Metro oder Hetero – wenn das Schnitzel schmeckt, na und?! Auch dumme Sprüche in der Küche sind kein Thema mehr, wenn der Chef von Beginn an eingeweiht ist.

Der sensible Stellenkandidat vermeidet jedes Missverständnis, wenn er sich über klar definierte Internetbörsen wie etwa das Schwulen- und Lesbenportal gayjob.de informiert und bewirbt. Prinzipiell strahlt die gastronomische Szene als Berufsfeld mit großem Potenzial für bekennende Homosexuelle. Egal ob Sternerestaurant oder Biergarten, in vielen Betrieben sind die Zeitgenossen herzlich willkommen, die ihre Neigung offen ausleben. Piercing, Tattoo, das tuntige Getue in Zartrosa, Lack und Leder. Der klar deklarierte Kollege am Empfang hat – politisch korrekt – genau wie der dunkelhäutige Chefkoch im weißen Gewand und die schüchtern lächelnde Kellnerin aus Südostasien prinzipiell das Zeug zum Publikumsliebling.

Ausgefallene Unikate wie die Travestiegastronomin Marlene Deluxe kommen als gewinnbringendes Gesamtkonzept sehr gut an. Als sogenannte Hausdame des erfolgreichen Diner- und Kulturprogramms „Bar jeder Vernunft“ in Berlin ist die hochaufgeschossene Blondine in aller Munde. Im Cocoon Club, dem einstigen Mekka der Techno-Freaks, und dem angeschlossenen Restaurant Silk & Micro avancierte Marlene als Guest Relations Managerin mit all ihren Attitüden bereits vor einem Jahrzehnt zum Szenestar mit Strahlkraft. „Ich habe das besondere Glück, von einem professionellen Team getragen zu werden, voll Energie und Leidenschaft für unsere gemeinsamen Projekte“, sagt Marlene. „Spiritualität ist, so verrückt es klingen mag, für uns ein großes Band.“ Frei übersetzt und kompatibel für jeden homosexuellen Mitarbeiter im Gastronomiebetrieb bedeutet dies: Sei, wie du bist, und arbeite mit Fleiß und Hingabe, dann ist dir dein Platz sicher, egal wer du bist. Die Amerikanerin Cat Cora hat den Aufstieg zur Koryphäe der Küche auch und vielleicht im Besonderen geschafft, weil sie sich früh als Lesbe outete und stets ungeniert über ihre Lebensgefährtin Jennifer spricht, mit der sie die gemeinsamen vier Söhne großzieht.

Ich habe das besondere Glück, von einem professionellen Team getragen zu werden, voll Energie und Leidenschaft.
Travestiegastronomin Marlene Deluxe über ihr Erfolgsrezept

Ein neuer Gipfel der Genüsse?

In kreativen Branchen wie Mode, Design und Styling jeglicher Art oder in der Werbeindustrie ist die ausgeprägte und offen ausgelebte Homosexualität längst etabliert, in manchen Bereichen sogar ein allseits geschätztes Qualitätsmerkmal. Die Profiküchen und alle anderen Segmente der Spitzengastronmie, in denen Scharfsinn und Finesse gefragt sind, scheinen prädestiniert für den loyalen, aufrichtigen und offenen Umgang mit Schwulen und Lesben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste mit Sternen und Hauben dekorierte Küchenmeister ungeniert über seine Homo­sexualität spricht. Keine Kompromisse mehr. Die Qualität der Speisen bleibt unberührt, der Zuspruch der Gäste ungebrochen. Oder erreicht der Starkoch, befreit von aller Last, gar einen neuen Gipfel der Genüsse?

Das Outing allein garantiert zumindest kulinarisch betrachtet noch keine Sterne. Maxi, den Protagonisten aus „Chefs Leckerbissen“, plagen persönliche und existenzielle Probleme. Die Kellnerin bockt, sein Lokal schreibt rote Zahlen. Und der Mann von Michelin, der ins Xantarella zum Essen kommt, ist kein Restaurantkritiker, sondern ein Mitarbeiter des gleichnamigen Reifenherstellers. Der knackige Horacio und die pure Lust am Kochen geben Maxi die Kraft, die Widrigkeiten zu meistern.

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