Wildfang- oder Zuchtkaviar?

Der Food-Report: Wie gut ist Kaviar aus Aquakulturen und welche Alternativen gibt es noch zu den Fischrogen? Plus: Kaviar im Preis-Leistungs-Check!
November 13, 2015

Fotos: Shutterstock, Reto Mathis Food Affairs, Werner Krug,Thomas Ruhl
Wildfang- oder Zuchtkaviar

Immer noch steht der wilde Stör auf der Liste der bedrohten Tierarten, doch die Nachfrage bleibt konstant hoch. Aufgrund des derzeit gültigen EU-Importverbotes des echten Kaviars aus dem Kaspischen Meer wird dieses Edelprodukt fast ausschließlich auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Kürzlich deckte die ARD-Reportage „Die Kaviar-Mafia“ auf, dass Wildfang-Kaviar nach wie vor auf Märkten in Russland gekauft werden kann – die Ausfuhr ist jedoch illegal.

Offiziell dürfen nur 13 Tonnen Kaviar in Russland in Umlauf sein, in Wirklichkeit sind es laut Zählungen des WWF 400 Tonnen – zum Großteil Ware, die über dunkle Wege aus Russland hinaus geschmuggelt wird und Abnehmer in Deutschland und Österreich findet – auch in Restaurants.

Für Gastronomen gilt laut unabhängigen Kaviar-Experten erhöhte Vorsicht: Ausgewiesener Wildfang-Kaviar (selbst laut ROLLING PIN-Recherche in einigen Großmärkten zu kaufen) mit der Herkunft Kaspisches Meer ist entweder ein altes Produkt aus dem Jahr 2008, als noch kein Import-Verbot herrschte oder ein illegales bzw. gefälschtes Produkt, was auch ohne Wissen des Händlers passieren kann. Dritte Möglichkeit: Der Wildfang-Kaviar stammt…

Fotos: Shutterstock, Reto Mathis Food Affairs, Werner Krug,Thomas Ruhl
Wildfang- oder Zuchtkaviar

Immer noch steht der wilde Stör auf der Liste der bedrohten Tierarten, doch die Nachfrage bleibt konstant hoch. Aufgrund des derzeit gültigen EU-Importverbotes des echten Kaviars aus dem Kaspischen Meer wird dieses Edelprodukt fast ausschließlich auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Kürzlich deckte die ARD-Reportage „Die Kaviar-Mafia“ auf, dass Wildfang-Kaviar nach wie vor auf Märkten in Russland gekauft werden kann – die Ausfuhr ist jedoch illegal.

Offiziell dürfen nur 13 Tonnen Kaviar in Russland in Umlauf sein, in Wirklichkeit sind es laut Zählungen des WWF 400 Tonnen – zum Großteil Ware, die über dunkle Wege aus Russland hinaus geschmuggelt wird und Abnehmer in Deutschland und Österreich findet – auch in Restaurants.

Für Gastronomen gilt laut unabhängigen Kaviar-Experten erhöhte Vorsicht: Ausgewiesener Wildfang-Kaviar (selbst laut ROLLING PIN-Recherche in einigen Großmärkten zu kaufen) mit der Herkunft Kaspisches Meer ist entweder ein altes Produkt aus dem Jahr 2008, als noch kein Import-Verbot herrschte oder ein illegales bzw. gefälschtes Produkt, was auch ohne Wissen des Händlers passieren kann. Dritte Möglichkeit: Der Wildfang-Kaviar stammt nicht aus dem Kaspischen Meer. Bekannterweise gibt es aber dort die größten Stör-Vorkommen.

Gastronomen haben also kaum eine andere Möglichkeit, als auf Zuchtprodukte zu setzen. Früh witterten Investoren das Geschäft und bauten weltweit Aquakulturen auf. Die gute Nachricht: Mit diesem steigenden Angebot sanken die Preise für Zuchtkaviar. „Und zwar um 40 Prozent seit 2006“, meint Christian Zuther-Grauerholz, Geschäftsführer von „Dieckmann & Hansen“ in Hamburg, dem ältesten Kaviarhaus Europas.

„Die Qualität der Aquakultur ist schon sehr dicht am Wildfang“, ist er der Meinung. „Und sie wird immer besser“, sagt auch Bruno Neurath-Wilson. Er war lange Pressesprecher des mittlerweile insolventen Unternehmens „Caviar Creator“, das als weltweit größte überdachte Störzuchtanlage für Kaviarproduktion gegolten hat und dessen damaliger Boss wegen Betrugsverdachts auf die Anklagebank musste. Neurath-Wilson gilt nach wie vor als einer der profundesten Experten zum Thema Kaviar. Er sagt: „Gerade in der Konsistenz ist der Zuchtkaviar dem Wildkaviar bereits ebenbürtig. Zudem muss man bedenken: Wer unbedingt einen Wildkaviar haben will, schädigt indirekt die Natur.“

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Werden die Grundsätze der qualitativ hochwertigen Züchtung nicht beachtet, sind die Unterschiede jedoch erschreckend. „Man muss den Tieren ihre Zeit geben“, weiß Walter Grüll, Störzüchter aus Salzburg. Um das jahrelange Wachstum der Störe zu beschleunigen – Weibchen sind erst nach bis zu 20 Jahren geschlechtsreif – werden die Becken in manchen Zuchtanlagen konstant auf 20 bis 24 Grad beheizt. Dem Fisch wird so ewiger Sommer vorgetäuscht und er wächst kontinuierlich. Eine Kaviar-Ernte ist dann bereits nach vier Jahren möglich. Ein schnelles Ergebnis, das Einbußen in der Qualität verursacht. „Generell ist die Wasserqualität das Um und Auf“, so Grüll.

Ein Vorteil der Züchtung ist, dass man den Lebensraum des Tieres beeinflussen kann. Störe finden ihr Futter am Grund der Seen und filtern es aus der Erde und dem Kiesel heraus. Ist die Wasserqualität schlecht, schmeckt man das. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Kaviarindustrie zur Aquakultur in Offenhaltung entwickelt“, so „Dieckmann & Hansen“-Chef Zuther-Grauerholz. Sprich, der Stör wird in seinem natürlichen Lebensraum gehalten, jedoch unter menschlicher Kontrolle.

Zu guter Letzt hat die Art und Weise des Erntens noch großen Einfluss auf die Qualität des Kaviars. „Die Tiere dürfen nicht gestresst werden und auch lange Transportwege sollten vermieden werden“, sagt Walter Grüll. Die Züchter wissen also, worauf es ankommt. „Die Aquakultur ist ein teures Unterfangen. Hochtechnisierte Wasseraufbereitungsanlagen garantieren beste Wassergüte.

Die Becken sind über Computer gesteuert und überwachen die Zucht“, so Kaviar-Experte Neurath-Wilson. Inzwischen weist der Kaviar aus Zuchtbetrieben wie „Desietra“ in Deutschland oder „Aquitanien“ in Frankreich bereits gute Testergebnisse auf. Ob die Regeln der qualitativ hochwertigen Züchtung vom Lieferanten des Vertrauens auch eingehalten werden, muss vom Käufer überprüft werden. In Russland wurde früher eine kirschgroße Goldkugel auf den Kaviar geworfen um die Konsistenz zu testen. Wurde während der Zucht gut gearbeitet, blieb die Kugel auf dem Kaviar liegen.

Trotz ausreichender und zufriedenstellender Alternativen gilt das Geschäft mit dem Schwarzmarkt-Kaviar als ähnlich lukrativ wie der Drogenhandel. So bezahlt man für ein Kilogramm Beluga-Kaviar in Russland etwa 100 Euro auf dem Schwarzmarkt, in Deutschland könnte man dafür bis zu 7000 Euro bekommen. Schätzungen zufolge sollen etwa 80% des weltweiten Wildfangkaviars illegal gehandelt werden. Wer nicht in diese Falle tappen will, muss auf die Cites-Nummer achten (Convention on International Trade in Endangered Spezies; Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten). Jede legal gehandelte Dose Kaviar muss darüber verfügen.

Neben den Stör-Aquakulturen haben sich mittlerweile auch Züchter von anderen Kaviar-Arten auf dem Markt etabliert. Wie zum Beispiel der Kärntner Drei-Haubenkoch Michael Sicher, der Saiblings-Kaviar produziert.

Diese Kaviar-Art ist größer und härter als der Störkaviar und hat einen ganz besonderen Vorteil wie auch der Kaviar von Forellen, Seehasen, Lachs oder sogar vom fliegenden Fisch: Er kostet nur einen Bruchteil des echten Störkaviars und ist somit wesentlich interessanter für einen geringen Wareneinsatz und eine gute F&B-Kalkulation.

Pro & Contra Kaviar – Was sagen die Starköche?

Von manchen umjubelt von anderen boykottiert. Das Luxusprodukt spaltet die Gastronomie.

Reto Mathis

Pro: Kaviar ist eine Delikatesse

Reto Mathis
Starkoch aus St. Moritz
www.mathisfood.ch

Mich fasziniert die Natürlichkeit des Produkts. Kaviar ist ein Luxusprodukt, das es vom russischen Zarenhof bis zu uns geschafft hat. Wir brauchen bei Mathis Food Affairs auf Corviglia zwischen 80 und 120 Kilo Kaviar pro Saison. Da muss die Qualität natürlich perfekt sein. Früher haben wir iranischen Kaviar aus Wildfang verwendet. Heute kommt mein Kaviar vorwiegend aus einer chinesischen See-Halbwildzüchtung. Der kommt dem Wildfang schon sehr nahe.

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Jens Dannenfeld

Contra: Mehr Getue als Geschmack

Jens Dannenfeld
Sternekoch im L´Escalier Köln
www.lescalier-restaurant.de

Bei mir kommt kein klassischer Kaviar auf die Karte! Und die Gäste finden das gut so. Kaviar ist im Endeffekt auch nur ein Convenience-Produkt. Da muss man nicht einmal Koch sein. Der Kaviar wird einfach am Teller platziert und fertig. Da sieht man keine Handschrift des Kochs. Kaviar wurde immer schon überbewertet und ist in keinster Weise eine geschmackliche Offenbarung. Der Preis ist nur entstanden, weil das Produkt schwer zu bekommen war.

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Mattias Roock

Pro: Gäste Haben Lust auf Kaviar

Mattias Roock
Sternekoch im Kempinski St. Moritz
www.kempinski.com/de/stmoritz

Für viele Gäste ist die Konsistenz und der Geschmack ein echtes Highlight. Ich verwende Kaviar gerne, um meinen Gerichten den letzten Schliff zu verleihen und setze inzwischen auch auf Zuchtkaviar aus bestem Hause. Die Qualität stimmt und finanziell ist es ein Viertel vom Preis. Konnte ich früher zehn Gramm auf den Teller legen, so sind es jetzt 40 Gramm. Da hat der Gast einen besonderen Mehrwert und weiß dies auch zu schätzen. Durch seine Nachhaltigkeit und gute Qualität besitzt Zuchtkaviar ein hervorragendes Image. Zwei- bis dreimal pro Saison veranstalten wir sogar Kaviar-Degustationen. Da kann man sich dann direkt vom Top-Geschmack überzeugen.

Stör

Kaviar-Verbot – Das sagt der Gesetzgeber

Im ersten Schritt müssen alle Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres die gewünschte Gesamtexportquote des Kaviars beim Bundesamt für Naturschutz in Bonn einreichen. Im zweiten Schritt berät eine wissenschaftliche Behörde der EU, ob die angeführten Exportquoten auch ökologisch vertretbar siand und den Störbestand im Kaspischen Meer in seiner Existenz nicht bedrohen. Für 2010 wurde von der Behörde ein Importbann verordnet.

Dieser gilt bis Ende Februar 2011. Danach haben die Anrainerländer wieder die Möglichkeit, erneut um die Einfuhrgenehmigung in die EU anzusuchen.

Kaviar: Tipps und Tricks

Luxus richtig behandelt!

Verpackung:
Ist die Oberfläche des Kaviars nach Öffnen der Dose glatt und glänzend, so nennt man das sauberer Spiegel und der Kaviar ist von guter Qualität. Frischer Kaviar perlt locker und die Haut ist gespannt.

Servierart:
Kaviar nie mit Edelstahl- oder gar Silberlöffeln servieren. Die Oxidation verfälscht den Geschmack des Luxusprodukts ungemein und schmälert die Qualität. Gut geeignet sind Perlmutt, Holz, Horn, Schildpatt oder Gold.

Haltbarkeit:
Kaviar reift in der Dose nach. Ganz frisch produzierter Kaviar erfüllt meist nicht die Geschmackserwartungen des Konsumenten. Der Kaviar wird durch Reifen in der Dose noch cremiger und harmonischer. Nach Öffnen muss er allerdings innerhalb von vier Tagen aufgebraucht werden.

Der Stoff, aus dem Kaviar ist:
Kaviar ist reich an wertvollen Inhaltsstoffen: Eiweiß (25-30%), Fett (ca. 16%), Vitamin D, E, B12 und Niacin sowie Mineralien, Jod und Natrium.

Störart und Geschmack:
Die Farbe des Deckels gibt Auskunft über die Störart: Blauer Deckel bei Beluga (besonders milder Geschmack), Gelb bei Ossietra (nussartiges Aroma) und rot oder orange bei Sevruga (kräftig, würziges Geschmackserlebnis).

Der Stoff, aus dem Kaviar ist

Alternativen zum Fischrogen

Kaviar-Produkte, die sich etabliert haben

„Plagiate“ im Profil
Was den Namen Kaviar trägt ist hochwertig und verkauft sich deshalb auch fast wie von alleine. Diesen Gedanken hatten so einige Lebensmittelhersteller und zum Glück müssen in Zukunft auch Vegetarier und Fischverweigerer nicht mehr auf diese Köstlichkeit verzichten.

Schneckenkaviar
Kaviar muss nicht unbedingt vom Fisch stammen. Das beweist Andreas Gugumuck eindrücklich auf seiner Schneckenfarm in der Nähe von Wien. Etwa 2 bis 3 Millimeter Durchmesser haben die Perlen seiner Lieblinge, die eigens mit Wiesenkräutern gefüttert werden, um dem Kaviar seinen unverwechselbaren Geschmack zu verleihen. Anmutig weiß, fast durchsichtig und angenehm frisch ploppen sie im Mund. Auf jeden Fall sind diese Perlen eine willkommene Alternative zum herkömmlichen Luxusprodukt aus dem Meer.

Algenkaviar
Will man bei einer Ernte aus dem Meer bleiben, so gibt es auch hier eine runde Köstlichkeit, die vielleicht wie Kaviar aussieht, aber sicher keiner ist. Küstenkaviar wird dieses Produkt genannt, das aus Algen und Zitronensaft hergestellt wird. Mit Gelatine gebunden sehen die Perlen dem echten Kaviar täuschend ähnlich. Beim Verkosten erinnern sie jedoch eher an salziges Zitronengelee in Kugelform.

Lobsterkaviar
Kaviar und dann auch noch mit Lobster? Lobsterkaviar, der zuerst ein doppelt-exquisites Geschmackserlebnis vermuten lässt, hat in Wahrheit wenig mit echtem Kaviar zu tun. Mit einem Anteil von 34 Prozent Hummer ist diese Erfindung zwar auf jeden Fall originell, lässt aber geschmacklich Wünsche offen. Ebenso verhält es sich mit Trüffelkaviar, der zu 35 Prozent aus Trüffel besteht. Der Rest setzt sich aus Stabilisationsmitteln, Zitrone, Salz und weiteren Zusatzstoffen zusammen.

Avruga
Ist zwar vom Fisch aber kein Rogen. Der Avruga war und ist wohl immer noch eines der Streitthemen schlechthin in der Gastronomieszene. Von manchen als „Heringsmüll“ bezeichnet, ist er für andere eine willkommene Alternative zum sonst so teuren Luxusprodukt. Oft Heringskaviar, beziehungsweise in Fachkreisen auch Harenga genannt, zeichnen sich diese Perlen geschmacklich durch einen Hauch von Zitrone und einer rauchigen Note aus, haben aber laut Ali Güngörmüs, Sternekoch im „Le Canard“ in Hamburg „nichts mit Kaviar zu tun.“

Räucherhering wird hier unter Zuhilfenahme von Geliermittel und Co. zu kleinen tiefschwarzen Perlen verarbeitet, die zwar Kaviar heißen, dem tatsächlichen Produkt aber nur in ihrem Aussehen ähneln.
Insgesamt haben diese Produkte auf jeden Fall ihre Berechtigung, werden in der gehobenen Küche aber wohl eher nicht Fuß fassen.

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