Wie viel Convenience verträgt die Spitzengastronomie?

Convenience – so heißt das Stiefkind der Gastronomie. Ein rotes Tuch für viele Gastronomen und doch steigt der Absatz stetig. Wir haben uns gefragt, wie und wo auch Sinn machen!
November 13, 2015

Fotos: Shutterstock, Wiberg, Werner Krug, SteirerKren/Feldbacher Fruit Partner/ www.karlschrotter.at
Convenience Erdbeeren

Wir verwenden keine Convenience-Produkte: So lautet meist die konforme Antwort der Gastronomen bei der Frage nach dem Einsatz dieser Artikel. Convenience wird fälschlicherweise allzu oft mit Fertigprodukten gleichgesetzt und gilt somit als absolutes Tabu-Thema in der Gastronomie. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Definition von Convenience-Produkten breit gefächert ist und die Produkte, in Abstimmung auf den Gastronomie-Level und den Anspruch der Köche, durchaus ihre Berechtigung haben. Michael König, bis 2010 Geschäfts- und Exportleiter der Delikatessen-Manufaktur „Achenbach“ in Sulzbach bei Frankfurt und heute selbstständiger Berater in den Bereichen Food und Export, hat sich eingängig mit diesem Thema beschäftigt…

Fotos: Shutterstock, Wiberg, Werner Krug, SteirerKren/Feldbacher Fruit Partner/ www.karlschrotter.at
Convenience -Produkte

Wir verwenden keine Convenience-Produkte: So lautet meist die konforme Antwort der Gastronomen bei der Frage nach dem Einsatz dieser Artikel. Convenience wird fälschlicherweise allzu oft mit Fertigprodukten gleichgesetzt und gilt somit als absolutes Tabu-Thema in der Gastronomie. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Definition von Convenience-Produkten breit gefächert ist und die Produkte, in Abstimmung auf den Gastronomie-Level und den Anspruch der Köche, durchaus ihre Berechtigung haben. Michael König, bis 2010 Geschäfts- und Exportleiter der Delikatessen-Manufaktur „Achenbach“ in Sulzbach bei Frankfurt und heute selbstständiger Berater in den Bereichen Food und Export, hat sich eingängig mit diesem Thema beschäftigt.

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FleischFleisch

Per Definition sind bereits portionierte Fleischstücke als Convenience-Produkt zu bezeichnen. Somit gilt zum Beispiel Gulaschfleisch schon als Convenience-Produkt. Tiefgefrorene und bereits portionierte Pasteten sowie Gänsestopfleber werden gerne gekauft, wobei der Anteil an Fleischprodukten im Convenience-Bereich ­verhältnismäßig gering ausfällt.

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Seine Definition für Convenience-Produkte lautet: „Ein Convenience-Produkt hat bereits eine oder mehrere manuelle oder maschinelle externe Be- und Verarbeitungsstufen erfahren. In ihm steckt also bereits eine Arbeitsleistung.“ Laut König ist also bereits Mehl ein Convenience-Produkt und Köche, die behaupten, sie würden keine verwenden, wüssten schlichtweg nicht, wovon sie sprächen. Diese Auffassung teilt Sterne- und TV-Koch Christian Rach nicht: „Convenience-Produkte erleichtern die Arbeit und sind nicht ausschließlich mit Fertigprodukten gleichzusetzen. Aber Mehl, Zucker und ähnliche Lebensmittel sind Grundprodukte und keine Convenience-Produkte.“

„Gäste verlangen oft Produkte wie Erdbeeren, die gerade keine Saison haben.“

Trotz Schwierigkeiten, den Begriff Convencience zufriedenstellend zu definieren, sind sich Produzenten und Köche einig, dass je nach Anspruch und Preisniveau eines Gastronomiebetriebes Convenience-Produkte durchaus ohne Bedenken eingesetzt werden können. Food-Experte König erläutert, warum auch Spitzenköche nicht immer um die Produkte herumkommen: „Auch Top-Gastronomen stehen immer unter Druck. Gäste haben oft besondere Wünsche, so wie beispielsweise die berühmten ‚Erdbeeren im Dezember‘.

Die Sterneküche ist zwar grundsätzlich schon sehr saisonal ausgerichtet, doch manchmal kommt man nicht umhin, auch Obst und Gemüse anzubieten, das gerade nicht Saison hat. Oft ist es schwierig, Ware einfliegen zu lassen, da keine durchgängige Kühlkette garantiert werden kann oder die Transportkosten einen Aufschlag von 600 bis 700 Prozent auf den Einkaufspreis bedeuten. Das lohnt sich einfach nicht und in diesem Fall muss der Koch schon auf gefrorene Produkte zurückgreifen.“

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Maki RollenFisch

Ebenso wie beim Fleisch wird auch beim Einsatz von Convenience-Produkten im Fischsegment der hohe Verderblichkeitsgrad der Ware umgangen, indem sie tiefgekühlt gekauft wird. Bei der Verwendung von komplett fertigen Produkten stellt sich allerdings die Frage nach dem Anteil des Geschicks des Kochs an der ganzen Geschichte.

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 Herbert Hörrlein
Herbert Hörrlein
Geschäftsführer SteirerKren
www.steirerkren.at

Convenience steht für mich für „intelligente Produkte“,
die die Speisenzubereitung erleichtern und Personalkosten
sparen!

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Bärlauch im Dezember, Trüffel im Jänner? – alles kein Problem mit Convenience-Produkten.
Karlheinz Hauser, Sternekoch am Süllberg in Hamburg, spricht sich dennoch massiv gegen die Verwendung von Tiefkühlprodukten aus: „Die Möglichkeit, Gemüse und Obst von irgendwo einzufliegen, besteht immer“, räumt aber auch ein: „Nicht jeder Betrieb hat die Möglichkeit sich das zu leisten. In diesem Fall bleiben Convenience-Produkte die einzige Möglichkeit.“ „Es gibt auch Restaurants, in denen keine Küchenbrigade von zehn Köchen für 35 bis 50 Gäste kocht und Menüs für über hundert Euro anbieten. Diesen Unterschied muss man sehen und in Relation setzen“, ist auch Food-Berater König der Meinung. Die Gründe, warum Köche zu Convenience-Produkten greifen (müssen), liegen also auf der Hand: Verfügbarkeit des Produkts, Personal und Kosten!

„Nicht jeder kann Obst und Gemüse von überallher einfliegen lassen!“

Convenience-Produkte sind meist abgepackt und portioniert erhältlich. Dadurch ergibt sich ein geringeres Risiko des Wareneinsatzes. Tiefgekühlte Produkte sind länger haltbar und kleinere Portionen können während des Tagesgeschäfts ohne Probleme weiterverarbeitet oder regeneriert werden. Damit ergibt sich auch eine Entschärfung der Spitzenzeiten, in denen das Personal den reibungslosen Ablauf in der Küche ohne die Zuhilfenahme von Convenience-Produkten nicht bewältigen könnte. Auch die Qualität der Produkte ist, ungeachtet von Stress und Personalmangel, während Stoßzeiten immer gleichbleibend. Für Food-Consulter König der Delikatessen Manufaktur „Achenau“ ist die Verwendung von Convenience-Produkten eine Frage der Planung: „Besonders bei großen Veranstaltungen muss sich der verantwortliche Koch entscheiden, ob er zusätzliche Arbeitskräfte anstellt oder sich Komponenten seines Menüs zukauft. Auch besternte Häupter kommen um diese Frage nicht herum und das ist auch keine Schande. Diskretion ist bei uns dennoch selbstverständlich.“

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Karlheinz Hauser
Karlheinz Hauser
Sternekoch am Süllberg
www.suellberg-hamburg.de

Convenience-Produkte zu verwenden, ist viel
teurer als die Gerichte selbst herzustellen und
hat nichts mit kochen zu tun!

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Süß-SpeisenSüß-Speisen

Besonders im Süßwarensegment greifen Gastronomen gerne auf Convenience-Produkte zurück. Grund dafür ist meist die fehlende Fachkenntnis des Kochs oder der generelle Mangel an Arbeitskräften. Heutzutage agieren bereits einige Anbieter auf dem Markt, die durchaus ihre Berechtigung haben und gute Qualität anbieten.

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„Oft können sich Unternehmen auch gar keinen eigenen Patissier leisten und greifen dann gerne auf unsere Produkte zurück“, weiß auch Niels Konzack, Geschäftsführer des Süssspeisen-Produzenten „bindi Deutschland GmbH“. „Gerade im Bereich Desserts sind Convenience-Produkte in der Masse günstiger als handgefertigt. Für mich besteht allerdings trotzdem ein erheblicher Qualitätsunterschied“, ist auch Stefan Steinke, Patissier aus Rostock, überzeugt.

„Einzelprodukte, also zum Beispiel tiefgekühltes, sortenreines Gemüse, können ohne Weiteres verwendet werden“, ist auch Herbert Hörrlein, Geschäftsführer der Firma SteirerKren in Feldbach, im Süden Österreichs, überzeugt. „Mischungen und verarbeiteten Produkten stehe ich aber skeptisch gegenüber“. Sternekoch Christian Rach lässt das Argument der Kostenersparnis für die Verwendung von Convenience-Produkten nur teilweise gelten: „Gerade in Versorgungsküchen kann man nicht alles selbst machen.

Aber der Einsatz von Geschmacksverstärkern hat nichts mit Kosten zu tun, sondern mit Fantasie! Wer beispielsweise seine Soßen selbst, mit Fantasie und Wissen herstellt, verschafft sich damit einen Wettbewerbsvorteil. Auch einfaches Essen kann gutes Essen sein. Vernünftige Produkte müssen nicht zwingend teuer sein. Man muss nur auf den Produzenten achten. Eine fertige Roulade inklusive Rotkohl für drei Euro zu kaufen, sie in der Mikrowelle zu erwärmen und dann für neun Euro zu verkaufen, ist nicht der richtige Zugang. Aber sogar das geht in Ordnung, sofern man es auch kennzeichnet und der Gast es akzeptiert. Das ist eine Frage von Aufrichtigkeit.“

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Gemüse-ErbsenGemüse

Tiefkühlgemüse, vorausgesetzt es wurde in der Hauptsaison geerntet und sofort schockgefrostet, verfügt teilweise über einen höheren Anteil an Vitaminen als frische Produkte, die bereits mehrere Tage im Kühlhaus lagern. Zudem kann unter Zuhilfenahme von Tiefkühlware auch Gemüse angeboten werden, das frisch gerade nicht verfügbar ist.

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Die Qualität sowie die Angebotspalette der zur Verfügung stehenden Convenience-Produkte hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Allerdings kursieren immer noch äußerst schlechte Qualitäten auf dem Markt. Hier gilt besonderes Augenmerk auf die Marke. „Zu guter Letzt“, so fasst es König zusammen „zählt der Gewinn des Unternehmens. Gleichgültig, wie groß der Anteil an verwendeten Convenience-Produkten ist, er muss dem Gesamtkonzept und dem Stil des Restaurants entsprechen. Dem Gast muss es schmecken und er muss sich wohlfühlen!“

Christian RachZur Person

Christian Rach,
TV- und Sternekoch

Bekannt aus Sendungen wie „Rach, der Restauranttester“, betreibt der Sternekoch insgesamt vier Restaurants in Hamburg. Das Flaggschiff „Tafelhaus“ ist seit über zehn Jahren mit einem Stern des Guide Michelin ausgezeichnet.

www.christianrach.de

Convenience heißt Arbeitserleichterung – Convenience ist kein Ersatz für fehlende Fachkenntnis, kann Arbeit aber erleichtern.

Rach getestet

Die neueste Innovation des berühmten Sternekochs: Ein Qualitätssiegel namens „Rach getestet“, mit dem anonym getestete Produkte ausgezeichnet werden. Convenience hat viele Facetten. Der TV-Koch über das Dr. Jekyll- und Mr. Hyde-Produkt der Gastronomie.

ROLLING PIN: Das Wort „Convenience“ ist in der Gastronomie äußerst negativ behaftet. Dabei heißt Convenience doch nicht automatisch Fertigprodukt. Wie lautet Ihre Definition für Convenience-Produkte?
Christian Rach: Die Verteufelung von Convenience-Produkten ist oft voreilig und unüberlegt, denn schon fertige Nudeln sind ein Convenience-Produkt. In einem Sternerestaurant haben sie freilich nichts verloren, aber wenn eine gute bürgerliche Küche darauf zurückgreift, finde ich daran nichts Verwerfliches. Bei Convenience-Produkten geht es nicht zwingend um fixfertiges Essen, sondern um eine Form der Arbeitserleichterung.

RP: Verwenden Sie Convenience Produkte?
CR: Ich bin kein Anhänger der Definition, dass Convenience-Produkte auch Grundprodukte wie Mehl und Zucker sind. Im „Tafelhaus“, das mit einem Stern des Guide Michelin ausgezeichnet wurde, machen wir natürlich alles selbst. Anders verhält sich das Ganze in unserer „Cantina Milano“, die tolle Gerichte zwischen drei und sieben Euro anbietet. Hier greifen wir beispielsweise schon auf fertige Teigwaren zurück. Allein weil sich der Betrieb wirtschaftlich sonst niemals rechnen würde. Dennoch zeigt sich ja das Handwerk des Kochs in dem, was er in Folge mit den Teigwaren zaubert.

RP: Was hat Sie dazu bewegt, die Rubrik „Rach getestet“ ins Leben zu rufen?
CR: Die Frage, die am öftesten von Fans meiner Sendungen und Freunden meiner Küche gestellt wurde, war: „Was kann man heute eigentlich noch essen?“ Daraufhin habe ich beschlossen, Produkte, die ich persönlich gut finde, weiterzuempfehlen. Nachdem ich kein Lebensmittelexperte bin, werden sie zusätzlich auch von einem der renommiertesten Labore für Qualitätsprüfungen in Europa, dem „SGS Institut Fresenius“ überprüft. Ich möchte aber den Einsatz für frische und gesunde Produkte nicht auf die Rubrik „Rach getestet“ reduzieren. Gleichgültig, um welche Lebensmittel es sich handelt – die Qualität des Produkts steht immer im Vordergrund.

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SoßenSoßen

Die berühmte Balsamico-Glace hat nach ihrem Siegeszug in einigen Gastronomiebetrieben nun auch Einzug in private Haushalte gehalten. Hier gilt es, ebenso wie bei übrigen Convenience-Produkten, auf die Marke zu achten, da die Qualität oft sehr unterschiedlich ausfällt. Gut gemacht, haben sie durchaus ihre Berechtigung.

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NudelnNudeln

Nudeln selbst herzustellen, bereitet großen Aufwand. In einem Versorgungsbetrieb würde sich die Produktion eigener Teigwaren wirtschaftlich niemals rechnen. Der Gastronomie-Level ist oft auch ausschlaggebend für die vertretbare Menge an eingesetzten Convenience-Produkten, wobei auch hier auf gute Qualität geachtet werden muss.

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RP: Es kursieren immer wieder Gerüchte, dass auch in Sterneküchen Geschmacksverstärker teilweise Verwendung finden. Wie ist Ihre Meinung dazu?
CR: Ja, da fängt die Wortklauberei an. Denn auch in Tomatenmark ist schon eine Menge natürlicher Geschmacksverstärker enthalten. In den 70er-Jahren wurden deklarationspflichtige Geschmacksverstärker aufgrund mangelnder Kenntnis verwendet, aber heute ist das absolut verpönt.

RP: Sie kommen also leicht ohne die Verwendung deklarationspflichtiger Geschmacksverstärker aus?
CR: Gute Produkte brauchen keine Geschmacksverstärker! Gastronomen, die auf konsequente Qualität setzen, rufen mich auch als „Rach, der Restauranttester“ niemals zu Hilfe. Diejenigen, die es sich mit Fertigprodukten einfach machen wollen, haben die Probleme. Leider sind wir heutzutage soweit, das viele keine echten Geschmäcker mehr kennen. Da müssen wir die Fahne für echten Geschmack hochhalten!

RP: Wie verhindert man also den Griff zu Fertigprodukten?
CR: Die Fantasie der Köche ist gefordert! Da gibt es so viele Möglichkeiten! „Tüte auf und drauf!“ ist auf jeden Fall die schlechteste Variante!

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ErdbeerenFrüchte

Ebenso wie verschiedene Gemüsesorten werden auch diverse Früchtesorten von Gästen gerne verlangt, obwohl sie gerade nicht Saison haben. In diesem Fall wird meist auf tiefgekühlte Ware zurückgegriffen. Das Grundprodukt ist zwar „Convenience“, doch das Handwerk des Kochs entscheidet in Folge immer noch über den Geschmack des Gerichts.

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