Dass die Italiener ihren Chianti trinken, loben und pflegen, vor allem aber gut verkaufen, ist mit vielen anderen internationalen Weinspezialitäten ein positives Beispiel für einen gewissen Weinstolz vinophiler Ausprägung. Doch es gibt auch die Gegenbeispiele. Ohne hier eine Diskussion über Wein-Xenophobie oder fehlenden National-/Regionalstolz in einem Europa ohne Grenzen, aber der Regionen, vom Zaun brechen zu wollen, ist es doch auffällig, wie sehr sich das Selbstverständnis einer Region mit den dort gekelterten Weinspezialitäten erklären lässt. Was will er uns damit sagen, wird sich der eine oder andere alleinstehende Genießer und Kenner wohl fragen. Nun denn, die Erklärung folgt!
Es ist zwar leider in der Natur des Menschen sich eher mit den negativen als positiven Dingen zu beschäftigen. Zur Veranschaulichung dieser gewagten Aussage nehmen wir das Beispiel Wien, die Stadt der Kultur und der gepflegten Ess- und Trinkkultur. Gerade in diesem Wien müssen Sie sich glücklich schätzen, wenn Sie im ach-so-gerühmten Wiener Wirtshaus zwar regionale Bierspezialitäten, aber in den seltensten Fällen den guten Wiener Wein angeboten bekommen. Das liegt aber sicher nicht an der fehlenden Auswahl und Qualität der Wiener Weine, ganz im Gegenteil, es liegt wohl eher an der typisch wienerischen Charaktereigenschaft das „Licht unter den Scheffel stellen“ und des ewigen „Aber die anderen…“-Raunzens. Mittlerweile ist das Spektrum hochqualitativer Wiener Weine so breit und vielfältig, dass das keine Ausrede mehr sein darf. Sowohl weithin bekannte Größen und viele junge, aufstrebende Betriebe keltern verstärkt Topweine unterschiedlicher Rebsorten und Ausprägung mit internationalem Flair, gepaart mit Wiener Charme – bitte probieren! Und dass Wien die einzige Weltstadt mit wirtschaftlich bedeutendem Weinbau ist und somit ein Millionenklientel direkt vor der Haus(Keller)tür hat, sei nur mal so am Rande bemerkt.
Nächstes leider unerfreuliches Beispiel ist die urwüchsige wie idyllische Weststeiermark, die seit dem 1. Mai von der sträflich vernachlässigten Grenzregion zum Herzen Europas und zum Tor in den Osten avancierte. Die dort beheimatete Spezialität „Schilcher – Blauer Wildbacher“ erlebte vor einigen Jahren einen Hype, wird jedoch eher im Ausland (was für einen Weststeirer nach wie vor auch Wien bedeutet) geschätzt, als in der eigenen Region. Zugegeben, die Entwicklung des Schilchers vom urtümlichen Haustrunk zum eigentümlichen und originären Topwein ist eine Geschichte der jüngsten Vergangenheit. Trotz der hohen Qualität des Schilchers wird der Wein in der regionalen Gastronomie und im Handel meist wenig bis fast gar nicht geschätzt. Viele enttäuschte Urlauber verstehen die Welt des Hl. Urbans (Anm.: Schutzheiliger der Winzer) nicht und verziehen zu Recht und enttäuscht die Gesichter und Gaumen über die dort angebotenen Schilcher. Es ist fast ein Hohn, wenn man die Kunden von weit her sieht, wie sie mit leuchtenden Augen und erquickten Gaumen einen guten Schilcher kaufen und gleichzeitig verständnislos und kopfschüttelnd an Einheimischen vorüberziehen, die sich eher über die Unterschiede der Weine der nördlichen Hügellandschaft und der südlichen Ebenen Siziliens delektieren.
Um diesen vielleicht doch etwas verschrobenen Ansatz noch mehr Leben einzuhauchen, ohne hier das Anstoßen mit einem guten Wein durch den Kakao fahriger Worte ziehen zu wollen, noch ein paar Denkanstöße. Gerade in Zeiten der Globalisierung, die leider auch nicht vor dem Wein halt gemacht hat, wobei „Anything but Chardonnay!“ schon das geringere Übel darstellt, sollten autochtone Rebsorten und regionale, terroirbetonten Weinen eher die Zukunft gehören, wie uniformen und „internationalen“ Weinen, eigentlich ein Schimpfwort in sich. Es soll damit weder engstirniges Kleinkrämertum, noch önologische Xenophobie geschürt werden. Es soll nur der Aufruf an Winzer, Kunden und Kenner erfolgen, sich doch mit Stolz und Liebe mit den Stärken der eigenen Weinregion zu beschäftigen. Hobt´s mi? Prost!