Mit der Craft des Bieres
Fotos: Brau Union, Illustration: Anna Spindler
Kult-Kultur: Bier kann auch ganz anders
Süffig blonde Schönheit, die pro Jahr literweise die deutschen und österreichischen Kehlen hinunterzischt. Bierzeltgaudi, Dirndlaufmarsch, Gastgarten-Kumpan. Das ist Bier.
Aber auch das ist Bier: uraltes Handwerk, gepflegte Tradition und Braukunst – die, gekonnt praktiziert, Biere ergeben, die Wein in ihrer Komplexität und Bandbreite um nichts nachstehen. Im Gegenteil, sagt Sepp Wejwar, den die meisten nur als Biersepp kennen: „Ich behaupte sogar, dass im Bier mehr Aromen zu finden sind als im Wein.“ Um genau das unter Beweis zu stellen beziehungsweise die Zukunft des Bieres zu diskutieren, hat ROLLING PIN das Who is who der flüssigen Gastro-Gilde zusammengetrommelt und zum ROLLING PIN DrinkLab in die SOULKITCHEN eingeladen. Wein- und Bierexperten wie eben Sepp Wejwar alias Biersepp, als Vertreter für den Getränkehändler Kolarik & Leeb, Matthias Berger, Service Chef im Hangar-7 in Salzburg, Justin Leone, Chefsommelier aus dem zweifach besternten Restaurant Tantris in München, Sophia Wenzel, Biersommelière aus dem Braugasthaus Altes Mädchen in Hamburg, sowie Top-Sommelier René Kollegger aus dem Restaurant T.O.M. und Markus Betz sowie Peter Mican vom Getränkehändler Ammersin sind dem ROLLING PIN-Ruf gefolgt, um sich die Sinnfrage des Bieres zu stellen. Sein oder nicht sein? – Darf und muss Craft Beer sein? Beziehungsweise darf billiges Bier, das für den Endverbraucher für nicht einmal sieben Euro die Kiste über den Tresen wandert, überhaupt sein? Wie sieht die Welt des Bieres in zehn Jahren aus? Wird die Craft des Bieres mit uns sein? Und was hat es eigentlich mit den Craft-Beer-Produzenten auf sich, die seit einigen Jahren wie Schwammerl aus dem Boden schießen? Inwiefern tangiert die Thematik die Top-Gastronomie heute schon beziehungsweise schwenkt der Kenner bald Hopfen- statt Rebensaft im Glas, wenn es um den guten Ton des Genusses geht?
Fragen über Fragen, denen sich die Experten des ROLLING PIN-DrinkLabs gestellt haben. Natürlich durch 17 Praxisbeispiele untermauert. Alles andere wäre langweilig. Während also das Eröffnungsbier, ein fruchtig erfrischendes Fruitesse die Kehle hinuntertröpfelt…
Fotos: Brau Union, Illustration: Anna Spindler
Kult-Kultur: Bier kann auch ganz anders
Süffig blonde Schönheit, die pro Jahr literweise die deutschen und österreichischen Kehlen hinunterzischt. Bierzeltgaudi, Dirndlaufmarsch, Gastgarten-Kumpan. Das ist Bier.
Aber auch das ist Bier: uraltes Handwerk, gepflegte Tradition und Braukunst – die, gekonnt praktiziert, Biere ergeben, die Wein in ihrer Komplexität und Bandbreite um nichts nachstehen. Im Gegenteil, sagt Sepp Wejwar, den die meisten nur als Biersepp kennen: „Ich behaupte sogar, dass im Bier mehr Aromen zu finden sind als im Wein.“ Um genau das unter Beweis zu stellen beziehungsweise die Zukunft des Bieres zu diskutieren, hat ROLLING PIN das Who is who der flüssigen Gastro-Gilde zusammengetrommelt und zum ROLLING PIN DrinkLab in die SOULKITCHEN eingeladen. Wein- und Bierexperten wie eben Sepp Wejwar alias Biersepp, als Vertreter für den Getränkehändler Kolarik & Leeb, Matthias Berger, Service Chef im Hangar-7 in Salzburg, Justin Leone, Chefsommelier aus dem zweifach besternten Restaurant Tantris in München, Sophia Wenzel, Biersommelière aus dem Braugasthaus Altes Mädchen in Hamburg, sowie Top-Sommelier René Kollegger aus dem Restaurant T.O.M. und Markus Betz sowie Peter Mican vom Getränkehändler Ammersin sind dem ROLLING PIN-Ruf gefolgt, um sich die Sinnfrage des Bieres zu stellen. Sein oder nicht sein? – Darf und muss Craft Beer sein? Beziehungsweise darf billiges Bier, das für den Endverbraucher für nicht einmal sieben Euro die Kiste über den Tresen wandert, überhaupt sein? Wie sieht die Welt des Bieres in zehn Jahren aus? Wird die Craft des Bieres mit uns sein? Und was hat es eigentlich mit den Craft-Beer-Produzenten auf sich, die seit einigen Jahren wie Schwammerl aus dem Boden schießen? Inwiefern tangiert die Thematik die Top-Gastronomie heute schon beziehungsweise schwenkt der Kenner bald Hopfen- statt Rebensaft im Glas, wenn es um den guten Ton des Genusses geht?
Fragen über Fragen, denen sich die Experten des ROLLING PIN-DrinkLabs gestellt haben. Natürlich durch 17 Praxisbeispiele untermauert. Alles andere wäre langweilig. Während also das Eröffnungsbier, ein fruchtig erfrischendes Fruitesse die Kehle hinuntertröpfelt, stellt der Biersepp schon einmal eines klar: „Eine genaue Definition von Craft Beer gibt es nicht. Der Name steht für perfekt gemachtes Bier, das durch den Mut und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, durch echte Vielfalt und Brautalent geprägt ist.“ Das schließe die Erzeugnisse von großen Brauereien nicht aus, so der Experte weiter. Ansonsten würde das Bier des Craft-Bier-Pioniers Jim Koch und seiner Marke Samuel Adams aus Boston schon nicht mehr als solches durchgehen. Ganz im Gegenteil sieht der Biersepp das Problem eher darin, dass manche kleine Brauereien den Modebegriff sowie das Image der Garagen-Brauerei eher als Entschuldigung für fehlende Professionalität verwenden. Wejwar: „Es macht keinen Unterschied, ob die schwielige Hand des Braumeisters oder die Maschine den Hopfen in den Pot wirft.“ Ein Argument, das, wenn man den Vergleich zum Wein zieht, auch Produzenten der Natural-Wine-Szene immer wieder vorgeworfen wird. Um beim Weinvergleich zu bleiben: Das Fruitesse bleibt als superfruchtiges Terrassenbier für nahende Sonnentage in Erinnerung. René Kollegger, Chef-Sommelier aus dem Restaurant T.O.M. im steirischen Leutschach, sieht eine weitere Parallele zum aktuell kursierenden Orange-Wine-Trend in der Szene: „Orange-Weine sind wie Craft-Biere eine Nische. Das ist ein Prozess, der noch dauert.“
1 Sophia Wenzel
Die Biersommelière aus dem Braugasthaus Altes Mädchen in Hamburg ist
das beste Beispiel dafür, dass sich Frauen und Bier fachlich perfekt matchen.
2 Peter Mican
Als Einkäufer des internationalen Getränkefachhandels Ammersin in Wien
kennt der Bier- und Weinexperte die Top-Bierquellen wie seine Westentasche.
3 Markus Betz
Als Lager- und Logistikleiter beim Getränkehändler Ammersin in
Wien weiß Markus Betz genau, wo gutes Bier fließt.
4 Sepp Wejwar
Eigentlich kennt man ihn nur als Biersepp. Und nachdem nomen nun einmal
omen ist, hat er nicht nur das Institut für Bierkultur in Wien gegründet, sondern
bietet dort auch die Ausbildung zum Beerkeeper an.
5 René Kollegger
Der Wine-Entertainer unterhält die Gäste im Restaurant T.O.M.
mit raffinierten Wein- und Bierbegleitungen.
6 Matthias Berger
Der Service Chef aus dem Hangar-7 in Salzburg setzt im Restaurant
Ikarus auch gerne bierige Akzente.
7 Justin Leone
München liegt dem Top-Sommelier des Restaurants Tantris zu Füßen.
Und das, weil der gebürtige Kanadier die Gerichte von Hans Haas mit
Wein und Bier gleichermaßen ideal kombiniert.
Aber definitiv einer, der über die High-End-Gastronomie gehen sollte, ist sich Sophia Wenzel, Biersommelière aus dem Alten Mädchen in Hamburg, sicher: „Bier ist ein fantastischer Speisenbegleiter und die Range genial.“ So kombiniert die Bierexpertin, die bei den LEADERS OF THE YEAR 2014 zur Biersommelière des Jahres ausgezeichnet wurde, hopfengestopfte Biere zu Fisch und asiatischen Speisen, Pale Ales zu zitrusbetonten Gerichten und Dunkle Biere auch mal zu fruchtigen Gerichten. Wenzel: „Einige Dunkle Biere verfügen in der Regel über rotfruchtige Aromen. Zum süßen Abschluss eines Menüs können diese also auch perfekt passen.“ Dem kann Justin Leone, Chefsommelier im mit zwei Sternen dekorierten Restaurant Tantris in München, nur zustimmen: „Manche Biere geben noch wunderbare Speisenbegleiter ab, wenn der Wein schon nicht mehr kann.“ Wenn es sich um schwierig zu begleitende Gerichte handle, deftig mit intensiven Aromen, dann brauche es manchmal einfach einen sauberen Cut, so der Top-Sommelier. Und dieses Messer sei dann eben Craft Beer. Wie beispielsweise eine Geuze. „Ein komplexes, wildes, crazy Bier, das den Gaumen wieder aufweckt“, so Leone.
Dieser Meinung ist auch Matthias Berger, Service Chef im Hangar-7 in Salzburg, der die belgische Geuze Mariage Parfait als eines seiner ausgewählten Biere mitgebracht hat. „Durch seine sauren, zitrusartigen und grasigen Aromen passt es besonders gut zu Enfants terribles der Getränkebegleitung wie beispielsweise Junglauch oder auch Kernöl.“ Aber auch Geuze mit Jakobsmuscheln ergebe eine feine Kombination, so Berger. „Allerdings ist eine Begleitung mit Bier nicht immer gerne gesehen. Ich glaube, vielleicht liegt es daran, dass der Gast noch nicht das Gefühl hat, mitreden zu können, und ihm das dann unangenehm ist“, so Berger. Geschichten, in denen sich der Gast über Bier in einer Weinbegleitung beschwert, gibt es noch und nöcher. Justin Leone lässt das nicht gelten: „Wenn der Gast bei mir eine Weinbegleitung bestellt, dann fragt er mich damit nach meiner Meinung. Wenn er diese nicht haben will, dann soll er mich nicht danach fragen.“ Biersommelière Wenzel sieht das Problem zum Teil auch auf der anderen Seite des Tisches: „Auch als Sommelier ist man oft überrascht über die Komplexität und Bandbreite, die diese Biere mit sich bringen.“ Ein weiteres großes Hemmnis: „Sponsoring-Abkommen, bei denen Brauereien ganze Schankanlagen und Co. stellen, gibt es zwischen Winzern und Restaurants nicht“, so Wenzel. Der Gastronom fühlt sich in Folge natürlich der einen Marke verpflichtet, beziehungsweise ist es auch vertraglich. Doch auch immer mehr größere Brauereien seien an der Förderung der Bierkultur in Gastronomiestätten interessiert, sagt der Biersepp. Nur ein Block aus heißen vier aus 120 Stunden im Diplomsommelier-Kurs könne eben bestenfalls einen Einblick geben, aber kein echtes Bierwissen vermitteln.
Markus Betz, Logistikleiter bei Ammersin, sieht ein Licht am Ende des Tunnels: „Immerhin verstehen immer mehr Wirte, dass der Weg zu mehr Umsatz über den Verkauf von speziellen Bieren und über den Mitarbeiter führt.“ Dabei sei der Craft-Beer-Trend auch erst einige wenige Jahre alt. Von Amerika nach Europa übergeschwappt, wobei die Amerikaner den Europäern wieder einmal eine Idee neu verkaufen, die in unseren Landen wurzelt. Wejwar: „In den 70er-Jahren gab es nur 44 Braustätten in den USA. Heute sind es mehr als 3000.“ Wegbereiter für hochwertig gebraute Biere sei beispielsweise Jim Koch gewesen. „1985 hat Koch beschlossen, Biere nach traditioneller Art herzustellen.“ Die Herangehensweise, nach alten Rezepten, die aus Biernationen wie Deutschland oder Österreich stammen, zu brauen, ist aufgegangen wie ein Hefeteig und hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer. „Früher waren vom Malzdarren her alle Biere geräuchert“, so der Biersepp, um nur ein Beispiel zu nennen. Keine Frage, nach der Verkostung von einer Auswahl an Bieren, die in ihrer Aromatik und Eignung als Speisenbegleiter jedes für sich perfekt aber in ihrer Ausprägung unterschiedlicher nicht sein könnten, ist man sich einig: „Da wird noch so einiges auf uns zukommen. Und wir freuen uns darauf.“ Schließlich hat man bis vor wenigen Jahren auch im Wein nicht weiter als zwischen Rot und Weiß unterschieden.