Mit 2-Sterne-Koch Matteo Ferrantino auf Käse-Entdeckungstour
Mozzarella und Parmesan. Das ist es doch, woran die meisten als erstes denken, wenn es um italienischen Käse geht. Gut, dem einen oder anderen fällt bestenfalls noch Pecorino ein. Aber dann war’s das auch schon. Dabei hat das Land, in dem die Zitronen blühen, eine unglaubliche Vielfalt an hochwertigen Käsesorten zu bieten.
Wie zum Beispiel den Caciocavallo. Außerhalb Italiens immer noch viel zu unbekannt, ist er vor allem im Süden des Landes allgegenwärtig. In Apulien, dem „Absatz des italienischen Stiefels“ entlang des adriatischen Meeres, gilt dieser Käse gar als kulinarisches Heiligtum. „Hier gibt es Produzenten, die über Generationen hinweg Caciocavallo herstellen, und zwar den besten weltweit. Nur eben in sehr geringen Mengen“, sagt Matteo Ferrantino.
Mozzarella und Parmesan. Das ist es doch, woran die meisten als erstes denken, wenn es um italienischen Käse geht. Gut, dem einen oder anderen fällt bestenfalls noch Pecorino ein. Aber dann war’s das auch schon. Dabei hat das Land, in dem die Zitronen blühen, eine unglaubliche Vielfalt an hochwertigen Käsesorten zu bieten.
Wie zum Beispiel den Caciocavallo. Außerhalb Italiens immer noch viel zu unbekannt, ist er vor allem im Süden des Landes allgegenwärtig. In Apulien, dem „Absatz des italienischen Stiefels“ entlang des adriatischen Meeres, gilt dieser Käse gar als kulinarisches Heiligtum. „Hier gibt es Produzenten, die über Generationen hinweg Caciocavallo herstellen, und zwar den besten weltweit. Nur eben in sehr geringen Mengen“, sagt Matteo Ferrantino.
Der Mann weiß, wovon er spricht: Geboren im kleinen Ort San Giovanni Rotondo, interessierte sich der heute 42-Jährige schon früh für die kulinarischen Traditionen seiner Heimat. Heute zählt er zu den besten Köchen Deutschlands. In seinem Hamburger Restaurant Bianc hievt er die süditalienische Küche auf ein Niveau, das der Guide Michelin mit zwei Sternen auszeichnet. Damit setzt Ferrantino auch jenseits der Grenzen der Hansestadt Maßstäbe in Sachen italienischem Fine Dining. In seinem kürzlich erschienenen Buch „Simple & Sexy“ begab sich der Neo-Hamburger auf kulinarische Spurensuche all seiner wichtigen Lebensstationen. Kein Wunder also, dass er auf dieser Reise auch den Caciocavallo im liebevollen Sinne heimsuchte – und diesen so vielfältig einsetzbaren Käse, der gut und gerne 70 Euro pro Kilogramm kosten kann, nochmal neu für sich entdeckte. Was aber macht den Caciocavallo so besonders? Wie wird er hergestellt? Und was kann ein Zwei-Sterne-Koch wie Matteo Ferrantino alles damit anstellen?
Alles beginnt mit Prachtexemplaren
Als ehemalige Kornkammer Italiens ist Apulien bis heute geprägt von einfacher, rustikaler Küche. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Kornkammern dieser Welt ist diese scheinbar simple Küche erstaunlich vielseitig. Das liegt auch am Meer, das die Menschen hier seit Urzeiten mit jeder Menge Fisch und Meeresfrüchten versorgt. Und das Klima bis tief ins Landesinnere prägt. Diese „salzige Luft hat auch eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf den Caciocavallo“, verrät Ferrantino. Aber wir greifen vor. Denn eigentlich beginnt alles mit einer Kuh. Und zwar einer ganz bestimmten.
Ihre Milch gilt als die beste überhaupt, ohne sie gäbe es diesen Käse nicht.
Matteo Ferrantino über die Kuhrasse Mucca Podolica
Weil es immer schon so war
Keine zehn Kilometer von der Adria entfernt, in der idyllischen Küstengemeinde Vieste, liegt Michele Vairas Bauernhof „La Valle del Cerro“. Von satt-grünen Waldhügeln umgeben, grasen hier still und geerdet ein halbes Dutzend Kühe. „Das hier sind wahre Prachtexemplare der Rasse Mucca Podolica“, klärt Ferrantino strahlend auf. „Ihre Milch gilt in dieser Region seit Jahrhunderten als die köstlichste überhaupt, sie gibt dem Caciocavallo auch seinen authentischen Geschmack.“
Warum? Weil sich diese Kühe so gut wie ausschließlich vom Weidegras ernähren. Dadurch, dass sie nicht – wie sonst vielerorts üblich – zugefüttert werden, liefern sie auch verhältnismäßig wenig Milch: Meist sind es keine 1.500 Kilogramm pro Jahr. Zum Vergleich: Eine Milchkuh in der deutschen Landwirtschaft erbringt pro Jahr durchschnittlich rund 8.500 Kilogramm Milchleistung. Wenig überraschend also, dass Michele Vaira seinen Caciocavallo in einer kleinen, kargen Werkstatt herstellt, ganz ohne brummende Rührmaschinen und Geräte, wie man sie sonst in großen Käsereiproduktionsstätten sieht. Aber wie genau geht er dabei vor?
Zunächst einmal: Um einem Meister des Caciocavallo wie Signore Vaira bei seiner Arbeit zuzusehen, muss man zur richtigen Zeit aufkreuzen. Erstens, weil die Podolica-Kuh nur sechs Monate im Jahr Milch gibt. Das liegt daran, dass sie auf natürlichem Wege nur einmal im Jahr Kälber gebärt. Zweitens, weil bei einem so kleinen Betrieb wie dem Michele Vairas das meiste frühmorgens passiert. Und drittens: Weil die ganze Angelegenheit nicht mit ein paar Worten erzählt ist. Aber jetzt lassen wir Signore einfach selbst erzählen: „Ich werde das Milchgemisch zunächst langsam erhitzen“, sagt er.
Vorsichtig schüttet Vaira nun besagtes Milchgemisch in einen Kessel, der lediglich von einer Gasflamme eines Campingkochers erhitzt wird. Warum er von einem Milchgemisch spricht? „Weil die Kühe zunächst in der Nacht einmal gemolken werden, und dann noch einmal in der Früh“, erklärt er. „Und dann werden beide Milchteile miteinander vermengt.“ Einen Grund für diese Tradition kann Vaira erstaunlicherweise nicht nennen. Wir fragen noch einmal nach. Irgendwas muss es doch damit auf sich haben, oder? „Ich weiß es nicht. Das ist einfach die traditionelle Art, wie wir das machen, das war immer schon so“, versichert Vaira. Nun gut.
Die Masse muss einem Fondue ähneln, nur so kann man sie richtig kneten.
Michele Vaira über den letzten Knetvorgang des Caciocavallo-Käsebruchs
„Jetzt“, erklärt Vaira weiter, „erhitze ich die Milch auf maximal 40 Grad Celsius.“ Hat die Milch den Wärmegrad erreicht, nimmt Vaira den Topf von der Flamme, stellt ihn auf den Küchentisch und gibt zwei Suppenlöffel Kälber-Lab hinein. Beim Lab handelt es sich um ein Enzym aus Kälbermägen, das die festen Inhaltsstoffe der Milch von den flüssigen Anteilen trennt.
Heißt: Die Milch wird dadurch „dickgelegt“ und bildet eine teigähnliche Schicht, die dem Käse nun als Grundmaße dient. 20 Minuten lässt Vaira die Milch nun zugedeckt gerinnen, das heißt: fest werden. In diesem Zustand nennt man das Gemisch aus flüssiger Milch und festen, dickgelegten Teilen Gallerte. Dann schöpft Vaira die feste Masse mit bloßen Händen vom noch flüssigen Teil der Milch ab. Das nennt sich Käsebruch. Und diesen Käsebruch lässt er nun rund zwei Stunden draußen ruhen.
Wie man Fäden zieht
In dieser Zeit kühlt der Käsebruch nicht nur ab, er festigt sich auch, indem er etwas an Feuchtigkeit verliert. Zurück in der Werkstatt, erhitzt Vaira nun in einem neuen Kessel Wasser auf 90 Grad. Währenddessen – auch hier braucht das Flämmchen des Campingkochers seine Zeit –, schneidet Vaira den Käsebruch in dünne Streifen. Die gibt er nun ins heiße Wasser und rührt sie mit einer Holzspindel wiederum zu einer homogenen Paste zusammen.
„Es muss wie ein etwas festeres Fondue aussehen“, beschreibt er das, was er erreichen will. Hat die Paste diese Konsistenz erreicht, wird sie langsam geknetet. Mit bloßen Händen zieht Vaira die Paste zu Fäden lang, die er mithilfe der Holzspindel zu einem birnenartigen Teigknäuel formt. „Das Wichtigste während dieser Arbeit“, sagt er, „ist das Wasser. Die Paste muss immer wieder ins Wasser getaucht werden, damit sie von überall her mit Feuchtigkeit versorgt wird. Ansonsten könnte sie viel zu schnell verhärten.“ Genau dieses Verfahren hat der Caciocavallo übrigens mit einem der berühmtesten Käse der Welt gemein, dem Mozzarella. Auch der gehört zur Familie der „Formaggio a pasta filata“, also der Käse aus gesponnenen Teigfäden, die in Süditalien so tief verwurzelt sind.
Aber zurück zu Michele Vairas Caciocavallo. Er knetet und spinnt und hört nicht auf – bis er eine birnenartige Milchkugel aus dem Wasser zieht, sie kurz begutachtet und zufrieden feststellt: „Ecco!“ Das hier ist also der Caciocavallo im Rohzustand, der jetzt nur noch reifen muss. Oder? Nicht ganz, wie es scheint. „Wir sind noch nicht ganz fertig“, sagt Vaira.
Welches Pferd?
Er macht ein paar Schritte zu einem Becken mit kaltem Wasser, legt den Käse hinein. „Hier lassen wir ihn jetzt vier Stunden auskühlen.“ Das erlaubt dem Käse, sich zu festigen und hart zu werden, ohne allzu schnell zu trocknen. Das Wasser hat außerdem eine weitere Funktion: Je nachdem, wie stark man es salzt, kann damit die Würzigkeit des Käses beeinflusst werden. „Verbindliche Rezepte von Salzmengen gibt es für diesen Arbeitsschritt nicht“, sagt Vaira. „Auch, weil es darauf ankommt, wie man weitermacht.“
Der folgende Schritt jedoch ist aus keiner Caciocavallo-Werkstatt wegzudenken: Nach dem vierstündigen Wasserbad wird der ausgekühlte Käse oben mit einer Schnur zusammengebunden, sodass man ihn an seinem Stiel aufhängen kann. Genau dieser Arbeitsschritt hat, so vermutet man zumindest, diesem Käse seinen Namen gegeben – auch wenn Kulinarik-Historiker sich bis heute auf keine genaue Erklärung festlegen können. Die Geschichte dazu geht jedenfalls so: Der Begriff „cacio“ ist zwar selbstredend und heißt auf Frühitalienisch Käse.
Mit diesem Käse lässt sich viel mehr machen als die meisten glauben.
Matteo Ferrantino plädiert für einen mutigeren Umgang mit Caciocavallo
Doch „cavallo“ heißt Pferd, und genau das stellt die Wissenschaft eben bis heute vor Rätsel: Heißt der Caciocavallo übersetzt etwa „Pferdekäse“, weil er früher aus Pferdemilch hergestellt wurde? Oder weil er womöglich in einer Pferdeblase getrocknet wurde? Oder weil die Käseballen in hängendem Zustand wirkten, als wären sie „a cavallo“, also zu Pferde? Tatsache ist: Man weiß es einfach nicht, kann nur darüber rätseln.
Fest steht allerdings: Der von unserem Meister so festgezurrte Käse hängt jetzt erst einmal eine ganze Weile bloß herum. Wo genau, auch dafür gibt es keine Massenrezepte. Hauptsache trocken. Das kann zu Hause über dem Kaminofen sein, in der Werkstatt selbst, ja, auch draußen an Bäumen hängen hier und da Caciocavallos. Und das mitunter recht lang: Zwei Jahre ist in der Regel aber das Maximum. Ob drinnen oder draußen: Die salzige Meeresluft, von der Ferrantino vorhin gesprochen hat, dringt überall ein und verleiht diesem Käse unverwechsbare Terroir-Noten. Je länger die Laibe hängen, desto dunkler wird ihre Rinde und intensiver ihr Geschmack.
Von Hamburg in die Welt
Wie so viele Lebensmittel der süditalienischen Küche wird auch der Caciocavallo in der Regel so puristisch wie möglich serviert. Seine Konsistenz eignet sich nicht zum Reiben, deswegen landet er von Apulien bis nach Sizilien meist entweder angebraten oder ganz einfach kalt aufgeschnitten auf den Teller. Genau mit dieser Schlichtheit spielt Matteo Ferrantino in seiner Zwei-Sterne-Küche in Hamburg. Mit der mediterranen Küche als nicht dogmatische Küchenphilosophie bieten sich ihm durch nicht-italienische Produkte Spielräume, italienische Geschmacksspektren überraschend und gefinkelt einzubetten.
Zum Beispiel, indem er eine portugiesische Auster als Ganzes auf glühenden Kohlen kurz anbrät, sodass sie sich öffnet. Eine Champagnersauce mit Bergamotte vermischt sich mit der Jodigkeit der Auster auf wunderbar komplexe Weise. Augenzwinkernd drapiert Ferrantino seine Kreation mit einem kurz gebratenen Stück Caciocavallo – ein Gericht, das im Bianc zu einem absoluten Renner geworden ist.
„Mit diesem Käse lässt sich viel mehr machen als die meisten glauben, das müssen auch noch die Italiener lernen“, sagt der Sternekoch. „Je nachdem, wie lange er gereift und wie würzig er ist, kann man ihn mit den verschiedensten Produkten kombinieren, oft auch bereits in kleinen Mengen. Dabei muss er auch gar nicht immer die Hauptrolle eines Gerichts einnehmen, wie der Austern-Gang zeigt.“ Welche Rolle auch immer der Caciocavallo einnehmen mag: Er gehört viel öfter vor den Vorhang geholt. Dass ein kosmopolitischer Koch wie Matteo Ferrantino ihm in einem der besten Restaurants Deutschlands eine Bühne gibt, ist ein vielversprechender Anfang.
Mehr über verborgene Schätze der mediterranen Kulinarik – inklusive Rezepte auf Zwei-Sterne-Niveau – gibt es in Matteo Ferrantinos spektakulärem Buch „Simple & Sexy“.