Grünzeug: Mach es kaputt
Oh, wie schön – oh, kaputt … Was nach ungeschicktem Verhalten klingt, soll hier gefeiert werden. Klar sehen Kräuter, Blüten, Blätter und Stängel irgendwie lieb aus, aber viel erstaunlicher ist in den meisten Fällen, was hinter dem hübschen Äußeren steckt.
Die inneren Werte sind hier nämlich nicht zu unterschätzen. Deshalb der Aufruf zu mehr Zerstörungsmut. Und Experimentierfreude. Raus aus alten, verstaubten Mustern: Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Kein Mensch interessiert sich für sinnlose Deko. Jeder Gaumen freut sich aber über Geschmacksexplosionen und Aromakompositionen der außergewöhnlichen Sorte.
Kochender Tausendsassa Heiko Antoniewicz ist einer dieser Zerstörer, die auf Konventionen pfeifen: „Es geht um den kulinarischen Mehrwert. In Kräutern, Kressen und Blüten steckt viel mehr als die nette Garnitur.“ Ganz seiner Meinung ist auch Marcel Thiele, der auf der ganzen Welt unterwegs ist, um Neues, Altbekanntes oder Vergessenes zu suchen und – viel wichtiger – zu finden.
Der Spicehunter von Koppert Cress stellt wahnsinnig gern die Sinnhaftigkeit infrage: „Warum verwenden wir das? Wieso nur in Kombination damit? Was bewirkt es im Körper?“ sind nur einige von vielen Fragen, die er sich und den Menschen, denen er weltweit begegnet, stellt. Thiele: „Setzt euch auseinander mit dem, was ihr vor euch habt. Nehmt nicht alles als gegeben hin.“
Seine Herangehensweise: Produkt kennenlernen, verstehen lernen, Wissen bündeln und dann Wissen vergessen. Wieso das? „Weil es bei vielen Dingen auch mal Sinn ergibt, sich einfach nur auf den Geschmack zu konzentrieren. Und sich dann ganzheitlich darauf einzulassen und Dinge auszuprobieren.“
Für Thorsten Probost, Koch und Kräuterpapst aus Lech, sieht der Weg ähnlich aus: „Wissen zu den Inhaltsstoffen und der Geschichte hilft, Kräuter zu verstehen. Ihre Wirkungen auf den Körper sind teilweise enorm: aufputschend, beruhigend, besänftigend, appetitanregend – um nur wenige zu nennen. Nur wer sich auskennt, kann gezielt Pflanzen einsetzen.“
Immer eine gute Frage, die sich jeder Koch stellen sollte laut Probost: „Was will ich mit dem Gericht erreichen?“ Dabei konzentriert sich Probost besonders darauf, eben nicht nur ein bisschen Grünzeug mit auf den Teller zu legen, sondern die Pflanzen als vollwertige Zutaten der Gerichte zu behandeln.
„Der Mehrwert der Kräuter ergibt sich über ihren Geschmack und ihre Folgen für den Körper.Wer einmal Jiaogulan gekostet hat, weiß, wie sich Drogen anfühlen müssen. Die Pflanze macht high und ist der absolute Energiebooster.“ Plus: Die Chinesen mit dem höchsten Jiaogulan-Verzehr leben durchschnittlich länger als der Rest der Bevölkerung.
Grünzeug hat also wegen seiner Inhaltsstoffe und seines Aromas die uneingeschränkte Aufmerksamkeit mehr als verdient.
Oh, wie schön – oh, kaputt … Was nach ungeschicktem Verhalten klingt, soll hier gefeiert werden. Klar sehen Kräuter, Blüten, Blätter und Stängel irgendwie lieb aus, aber viel erstaunlicher ist in den meisten Fällen, was hinter dem hübschen Äußeren steckt.
Die inneren Werte sind hier nämlich nicht zu unterschätzen. Deshalb der Aufruf zu mehr Zerstörungsmut. Und Experimentierfreude. Raus aus alten, verstaubten Mustern: Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Kein Mensch interessiert sich für sinnlose Deko. Jeder Gaumen freut sich aber über Geschmacksexplosionen und Aromakompositionen der außergewöhnlichen Sorte.
Kochender Tausendsassa Heiko Antoniewicz ist einer dieser Zerstörer, die auf Konventionen pfeifen: „Es geht um den kulinarischen Mehrwert. In Kräutern, Kressen und Blüten steckt viel mehr als die nette Garnitur.“ Ganz seiner Meinung ist auch Marcel Thiele, der auf der ganzen Welt unterwegs ist, um Neues, Altbekanntes oder Vergessenes zu suchen und – viel wichtiger – zu finden.
Der Spicehunter von Koppert Cress stellt wahnsinnig gern die Sinnhaftigkeit infrage: „Warum verwenden wir das? Wieso nur in Kombination damit? Was bewirkt es im Körper?“ sind nur einige von vielen Fragen, die er sich und den Menschen, denen er weltweit begegnet, stellt. Thiele: „Setzt euch auseinander mit dem, was ihr vor euch habt. Nehmt nicht alles als gegeben hin.“
Seine Herangehensweise: Produkt kennenlernen, verstehen lernen, Wissen bündeln und dann Wissen vergessen. Wieso das? „Weil es bei vielen Dingen auch mal Sinn ergibt, sich einfach nur auf den Geschmack zu konzentrieren. Und sich dann ganzheitlich darauf einzulassen und Dinge auszuprobieren.“
Für Thorsten Probost, Koch und Kräuterpapst aus Lech, sieht der Weg ähnlich aus: „Wissen zu den Inhaltsstoffen und der Geschichte hilft, Kräuter zu verstehen. Ihre Wirkungen auf den Körper sind teilweise enorm: aufputschend, beruhigend, besänftigend, appetitanregend – um nur wenige zu nennen. Nur wer sich auskennt, kann gezielt Pflanzen einsetzen.“
Immer eine gute Frage, die sich jeder Koch stellen sollte laut Probost: „Was will ich mit dem Gericht erreichen?“ Dabei konzentriert sich Probost besonders darauf, eben nicht nur ein bisschen Grünzeug mit auf den Teller zu legen, sondern die Pflanzen als vollwertige Zutaten der Gerichte zu behandeln.
„Der Mehrwert der Kräuter ergibt sich über ihren Geschmack und ihre Folgen für den Körper.Wer einmal Jiaogulan gekostet hat, weiß, wie sich Drogen anfühlen müssen. Die Pflanze macht high und ist der absolute Energiebooster.“ Plus: Die Chinesen mit dem höchsten Jiaogulan-Verzehr leben durchschnittlich länger als der Rest der Bevölkerung.
Grünzeug hat also wegen seiner Inhaltsstoffe und seines Aromas die uneingeschränkte Aufmerksamkeit mehr als verdient.
Zerstörungsmut
Beginnen kann ein experimentierfreudiger Koch mit fast allem Grün, was vermeintlich als Deko am Teller verkommt. Probost stand vor 15 Jahren genau an diesem Punkt: „Die meisten Gäste schoben die Kräuterdeko mit der Gabel auf die Seite. Heute sind Kräuter ein wichtiger Bestandteil und manchmal sogar Hauptdarsteller auf dem Teller.“
Für Wildkräuter-Einsteiger gibt es ein paar einfache Regeln: Was die Kuh nicht isst, tut dem Menschen auch nicht gut. Und: nicht dort pflücken, wo gedüngt wird. Außerdem: In den meisten Fällen sind die jungen Triebe geschmacksstärker als ältere. Dann kann man schon loslegen: Wie wäre es beispielsweise mit dem Klassiker Holunderblüten.
Gebacken, eingekocht, getrocknet, pulverisiert, eingelegt, gezuckert, gesalzen – dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Und die Blüten sind unendlich dankbar über alles, was man mit ihnen anstellt. Sie sind offen für alles.
Antoniewicz: „Holunderblüten sind der beste Einstieg. Wobei sie zurzeit keine Saison haben. Als Alternative funktionieren auch Lavendel- oder Brombeerblüten. Mein Tipp: Probiert so viel aus mit einem einzelnen Produkt wie möglich, damit ihr ein Gefühl dafür bekommt.“ Learning by Doing – und Tasting.
Auch mit Jasminblüten lassen sich in pulverisierter Form Barrieren brechen. Aber Vorsicht: Nicht jeder mag Blütenaroma. Wie so oft im Leben heißt es hier: Weniger ist mehr. Entfremdung ist das Stichwort. Probost: „Alpenmutterwurzstängel sind innen hohl. Deshalb reiche ich sie gerne als Strohhalm zu einer Suppe. Dabei lösen sich die geschmacksgebenden Stoffe innerhalb der Pflanze und impfen die Suppe beim Schlürfen.“
Das klappt auch mit Vanilleschoten oder den jungen Trieben des japanischen Knöterichs. Antoniewicz: „Der Knöterich ist bambusähnlich und gibt ein fruchtig saures Aroma – ein bisschen wie Rhabarber – ab.“ Auch Thiele schwärmt vom Rhabarberaroma – aber nicht im Knöterich, sondern in Yka Leaves, die als Ganzes schon beeindruckend schmecken, aber zerstört noch viel breiter einsetzbar sind.
Thiele: „Die lila Farbe ist der Wahnsinn und der sauerkleeähnliche Geschmack für Sorbets oder Gelees ebenfalls. Natürlich sind die Preise für Specials wie Microleaves oder Blüten oft relativ hoch, um daraus große Mengen herauszugeben. Deshalb empfehle ich, Blüten wie den elektrisierenden Sechuan Button zu zerkleinern und beispielsweise in Öl, Salz, Zucker oder Alkohol zu strecken. Dann hat man denselben Effekt auf der Zunge, aber in geringerer Dosierung und damit auch kosteneffizienter.“
Aus den Syrha Leaves lässt sich ein Parfüm herstellen, mit dem Gläser besprüht werden können, was beispielsweise Naturweinen einen extra Säurekick gibt. Auch mittels Fermentation kann man noch einmal einen ganz anderen Geschmack aus dem Grünzeug extrahieren.
Antoniewicz: „Keine Sorge, wenn es nicht mehr gut ist, riecht man das. Es ist sehr einfach vom Handling. Wir fermentieren zum Beispiel gerne Kastanienblüten. Nach vier bis sechs Wochen ist es wie ein Kombucha. Danach ähnlich wie ein Wein und danach ein Essig. Unglaublich ergiebig!“
Alternativlos
Statt einfach drauflos zu experimentieren, kann man auch mit einer Frage beginnen: Wie kann ich zum Beispiel Zucker reduzieren? Die Antwort liegt in der grünen Pflanzenwelt. Probost: „Ich verwende nicht so gerne Stevia, auch weil ich es nicht vertrage. Aber Aztekensüßkraut ist der absolute Hit.“
Um Pfeffer zu ersetzen, nutzt Probost die Samen der Alpenaugenwurz, weil sie eine ähnliche Schärfe aufweist und adstringierend wirkt. Für Thiele ist klar: „Wer sich die Zeit nimmt, die richtigen Fragen zu stellen und sich unvoreingenommen durchzukosten, der wird ständig überrascht werden.“
Ganz schräges Grünzeug gibt es in der Kresseabteilung: Blätter, die nach Käse schmecken oder Fisch, Tahoon Leaves, die ein Aroma von moosigem Waldboden verströmen, oder Thymiankresse, in der gleich viel Aroma wie im großen Bruder auf viel weniger Fläche steckt. Thiele: „Man muss nicht immer etwas Neues ausprobieren, auch Altes wieder- oder neu entdecken kann sehr spannend sein.“
Oft beginnt der Kreuzzug der grünen Ritter mit einem engagierten Koch, der Mitleid mit den kleinen verlorenen Dekoelementen am Teller hat. Die Welt muss es wissen: Das Grün darf nicht auf dem Teller als Deko verkümmern. Es braucht einfallsreiche Liebhaber, die sich um die richtige Inszenierung sorgen. Darüber freut sich nicht nur das Grünzeug, sondern viel mehr noch der Gaumen des Gastes.