Die Geschichte der verdorbenen Jungfrau
Die heilige Jungfrau Italiens ist das Olivenöl mit der besten Auszeichnung Extra Vergine. Wer sich jetzt fragt, was Öl und Jungfrauen miteinander zu tun haben: Vergine heißt zu Deutsch jungfräulich und soll die Reinheit, Sauberkeit und nicht zuletzt die Unbeflecktheit des flüssigen Golds beschreiben. In Deutschland oder Österreich wird das flüssige Gold der ersten Güteklasse auch unter der Bezeichnung Natives Olivenöl Extra vertrieben. Aber trotz der höchsten Auszeichnung auf dem Etikett brodelt es in den Fässern der Olivenöl-Produzenten: Der jungfräuliche Stolz der Stiefelnation und ihrer Inseln ist nämlich gar nicht so rein, wie es der Name zu vermitteln versucht. Es gibt sehr beunruhigende Hochrechnungen, die auf Tests verschiedenster Stellen beruhen: Es sollen rund zwei Drittel der als Extra Vergine deklarierten Olivenöle diese Auszeichnung zu Unrecht tragen!
Reines Gold
Es bedarf einer kleinen Einführung in die Etikettierung von Olivenöl, um zu verstehen, wie schmierige Machenschaften überhaupt möglich sind. Die Griechen und Italiener, gesegnet durch das perfekte Klima für Olivenbäume, sind also mit Recht sehr verbunden und stolz auf das Öl der Oliven. Rund 95 Prozent des weltweit produzierten Olivenöls…
Die heilige Jungfrau Italiens ist das Olivenöl mit der besten Auszeichnung Extra Vergine. Wer sich jetzt fragt, was Öl und Jungfrauen miteinander zu tun haben: Vergine heißt zu Deutsch jungfräulich und soll die Reinheit, Sauberkeit und nicht zuletzt die Unbeflecktheit des flüssigen Golds beschreiben. In Deutschland oder Österreich wird das flüssige Gold der ersten Güteklasse auch unter der Bezeichnung Natives Olivenöl Extra vertrieben. Aber trotz der höchsten Auszeichnung auf dem Etikett brodelt es in den Fässern der Olivenöl-Produzenten: Der jungfräuliche Stolz der Stiefelnation und ihrer Inseln ist nämlich gar nicht so rein, wie es der Name zu vermitteln versucht. Es gibt sehr beunruhigende Hochrechnungen, die auf Tests verschiedenster Stellen beruhen: Es sollen rund zwei Drittel der als Extra Vergine deklarierten Olivenöle diese Auszeichnung zu Unrecht tragen!
Reines Gold
Es bedarf einer kleinen Einführung in die Etikettierung von Olivenöl, um zu verstehen, wie schmierige Machenschaften überhaupt möglich sind. Die Griechen und Italiener, gesegnet durch das perfekte Klima für Olivenbäume, sind also mit Recht sehr verbunden und stolz auf das Öl der Oliven. Rund 95 Prozent des weltweit produzierten Olivenöls kommen aus dem Mittelmeerraum, das meiste davon aus Spanien, Italien und Griechenland. Die Geschichte des Olivenanbaus lässt sich bis weit in die Antike zurückverfolgen: Auf Kreta war die Olive bereits 6000 vor Christus eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Bei so einer weitreichenden Geschichte ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität einwandfrei sein muss, damit es sich mit der Bezeichnung Extra Vergine schmücken darf. Dafür muss aus möglichst unversehrten Oliven das Öl kalt und ohne übermäßige Temperatureinwirkung schonend gepresst werden. Außerdem muss es aus erster Pressung hergestellt werden.
Olivenöle zweiter Klasse mit der Deklaration Natives Olivenöl müssen im Gegensatz zum Nativen Olivenöl Extra nicht aus erster Pressung gewonnen werden. Mit einem Säuregehalt von weniger als zwei Prozent und leichten Fehlern hat es seinen Platz an der Spitze der Güteklassen verspielt. Extra Vergine darf höchstens einen Säuregehalt von 0,8 Prozent aufweisen. Dieser Grenzwert der EU-Verordnung wechselt regelmäßig, weil es doch einige industrielle Interessenvertreter gibt, die den Säuregehalt möglichst hoch einstufen möchten. Sehr gutes Olivenöl beziehungsweise das Ideal liegt bei 0,2 Prozent, weiß Ralf Bos, Delikatessenspezialist, Olivenöl-Panel-Tester und Inhaber des Delikatessenversands Bos Food. Genauso wie sich die Lobby über die hohe Säuregrenze freut, erfreut sie sich an der Höchstmenge an Alkylestern. Alkylester sind chemische Verbindungen, die vor allem in minderwertigen Produkten aufgrund fehlerhafter Herstellungstechniken oder schlechter Fruchtqualität wiederzufinden sind. Außerdem wird vermutet, dass die gesundheitsfördernde Wirkung durch eine hohe Menge an Alkylestern verringert wird. Die EU-Verordnung genehmigt den Verkauf von Olivenöl unter der Gütebezeichnung Nativ Extra oder Extra Vergine, das einen Höchstgehalt an Alkylestern von 150 Milligramm je Kilogramm aufweist. Ein Öl aus unversehrten Oliven, die gleich nach der Ernte gepresst werden und nicht vor sich hin modern, enthält maximal zehn bis 15 Milligramm Alkylester je Kilogramm. Erlaubt ist also das Zehnfache! Gut für die Produzenten, schlecht für die Verbraucher!
Der Weg vom Baum in die Flasche
Einwandfreies Olivenöl findet einen schnellen Weg in die Flasche: Die Oliven werden vorsichtig mit Kämmen von den Bäumen geholt, fallen auf Netze und werden dann schnellstmöglich gepresst. Die Erstpressung wird abgefüllt und das Öl sollte möglichst wenig Sauerstoff ausgesetzt werden. Sauerstoff führt zur Oxidation und damit zur Minderung der Qualität. Bei der Massenproduktion kann nicht gewährleistet werden, dass die Oliven unverletzt sind. „Die Qualität würde nicht leiden, würden sie dann wenigstens schnell verarbeitet werden. Aber es sind wahnsinnig große Mengen – 20 bis 30 Tonnen Oliven, die auf die Extraktionsmaschinen warten. Während dieser Wartezeiten faulen sie vor sich hin. Da kann das Öl gar nicht fehlerfrei sein“, erklärt Bos.
Rund fünf Kilo Oliven werden benötigt, um einen Liter Olivenöl herzustellen. Abhängig ist die Menge des Öls aus den Oliven vom Erntezeitpunkt. Weniger Öl, mehr Gesundheit: In Italien schwört der Olivenölpassionist auf frische, scharfe Öle mit einem hohen Anteil an Polyphenolen, die einen besonders positiven Effekt auf die Gesundheit haben sollen. Außerdem sind sie ein natürliches Konservierungsmittel. „In Frankreich allerdings werden saftige, cremige und süße Öle bevorzugt. Diese werden aus älteren Oliven gewonnen und haben einen sehr neutralen Eigengeschmack“, weiß Bos, dem diese Öle zunächst besser geschmeckt haben.
Nicht ins Schleudern kommen
Bisher sind nur Parameter genannt worden, in denen sich der Produzent bewegen kann, die der Verbraucher allerdings ohne Labor nicht überprüfen kann. Neben dem Säure- und Alkylestergehalt sind der einwandfreie Geschmack und Geruch für Käufer entscheidend. Bos erklärt, dass es drei Parameter für die Einstufung von Olivenöl gibt: Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe. Dabei wird zuerst mittels des Geruchs die Fruchtigkeit auf einer Skala von eins bis zehn eingestuft. Eins ist allerdings nicht besser oder schlechter als höhere Werte. Nur eben anders. Bitterkeit und Schärfe werden im Mund erschmeckt. Auch hier ist weder eins noch zehn besser, aber es sollte ausgewogen sein, damit die Harmonie gewährleistet ist. Die Bitterkeit wird an den Außenflügeln der Zunge erschmeckt. Durch einen geöffneten Mund und eingezogene Luft kann sich der Geschmack am besten auf der Zunge entfalten. „Und dann kommt das Grausige: Du musst das Öl herunterschlucken, da die Schärfe im Gaumen und Hals erschmeckt wird“, verrät Bos. „Außerdem gibt es zehn Fehlertöne, die teilweise errochen oder erschmeckt werden können. Dazu gehört zum Beispiel ein modriger, stichiger oder ranziger Geruch.“
Zusätzlich ist die geschützte Ortsangabe D.O.C. oder D.O.P. für Öle italienischen Ursprungs ein Hinweis. Amadeus Löw, in Italien staatlich geprüfter Olivenöltester und Produzent des Öls Degusta Lago, kennt den Aufwand der Produktion: „Die Herstellung wirklich guter Öle hat ihren Preis, wenn sie richtig gemacht wird. Dazu zählen der richtige Erntezeitpunkt und die schonende Pressung. Unter zehn Euro pro Liter bekommt man einfach kein gutes Öl.“
Dreckiges Geschäft
Der österreichische Olivenöl-Experte Löw kennt alle Tricks der großen Produzenten: „Die Situation ist einfach zu erklären, aber traurig. Olivenöle werden prinzipiell nicht vor dem Verkauf überprüft. Dass ständig minderwertige Olivenöle als Nativ Extra verkauft werden, hat etwas mit den laschen Richtlinien der EU zu tun.“ Die Strafen, die erteilt werden, nachdem die Flaschen bereits falsch etikettiert im Regal stehen, sind so gering, dass es die großen Hersteller nicht wirklich interessiert. Ein Tropfen Öl auf einem heißen Stein. „Was die chemischen Parameter betrifft, so sind die Massenolivenöle meistens in Ordnung. Es ist nicht schwierig, den Gehalt freier Fettsäuren mittels Laugen zu reduzieren. Zwar nicht erlaubt, aber gemacht!“ Außerdem werden Olivenöle mit heißem Wasserdampf deodoriert, damit sie nicht ranzig riechen. Auch schön: Gemischt mit sehr viel billigerem Sonnenblumenöl oder spanischem Olivenöl, kann es für einen günstigeren Preis angeboten werden. Damit es seine frische grüne Farbe bekommt, wird Chlorophyll hinzugesetzt. Ziel ist es immer, billiges Öl zu produzieren und sich im Supermarkt mit der höchsten Güteklasse zu schmücken. Auch wenn der jungfräuliche Charme bezaubernd ist, sollte man sich nicht von dem Äußeren lenken lassen – Etiketten sind keine Garantie.
Jungfrauen sind außerdem nicht billig! Trotzdem kann ein Oliven-Liebhaber nicht davon ausgehen, dass teurere Öle immer hochwertig sind. Wenn ein gutes Öl gefunden ist, können neue damit verglichen werden. Hier gilt es – wie im wahren Leben –, die inneren Werte zu bewerten! Entscheidend sind der Geruch und der Geschmack – unberührt und erstklassig!
Ölige Fakten
Fakt 1 Die Italiener und Spanier lieben Olivenöl: Jeder einzelne konsumiert rund zehn Liter im Jahr.
Fakt 2 Im Gegensatz dazu sind die Deutschen mit nicht ganz einem Liter im Jahr sehr sparsam.
Fakt 3 Liegt die Ernte am Anfang der Reifung, sind viele Polyphenole in den Oliven enthalten.
Fakt 4 Rund fünf Kilo Oliven werden zu einem Liter Olivenöl verarbeitet.
Fakt 5 Drei Dinge sind das Wichtigste in italienischem Öl: Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe.
Fakt 6 Es gibt keine grünen und schwarzen Olivensorten: Schwarze sind reife grüne Oliven.