Das erste Mal Chef
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Haben Sie es gerade in eine Führungsposition geschafft oder steht die Beförderung knapp bevor? Gratulation. Die Ernüchterung folgt auf den Fuß: Studien belegen, dass ein Gros der Mitarbeiter mit dem Vorgesetzten unzufrieden ist, ihn nicht ausstehen kann oder auf Grund negativer Erfahrungen gar einen inneren Groll gegen den Chef hegt. Umso wichtiger ist es, die Weichen von Anfang an richtig zu stellen. Denn viele wollen bloß Federn tragen, nicht aber Häuptling sein. Wechseln Sie in ein neues Unternehmen, gestaltet sich die Übernahme der Führung etwas einfacher als eine klassische Beförderung. Vom Kollegen plötzlich zum Vorgesetzten zu werden, erfordert eine Menge Überzeugungsarbeit. Fachliche Kompetenz allein reicht da nicht aus, Sie müssen Ihre Führungsqualitäten erst unter Beweis stellen. Wie so oft heißt das Zauberwort: Kommunikation. Und die sollte schon weit vor dem ersten Tag als Chef beginnen, das Team auf die Veränderung vorbereitet sein und nicht von heute auf morgen vom Führungswechsel erfahren (Richtwert: 2 Monate).
Vorbereitungsmarathon
Wenn Sie neu in einen Betrieb einsteigen, fehlt Ihnen oft eine Menge an Informationen – das ist Ihr Nachteil. Dafür laufen Sie im Vergleich zum firmeninternen Karrieresprung kaum Gefahr, betriebsblind zu sein – das ist Ihr Vorteil. Nutzen Sie alle Informationsquellen wie interne Berichte (Kundenstatistiken, Service-, Reklamationsberichte, Beschwerdeanalysen), Insider (Team, Kollegen, Vorgänger, Vorgesetzte, Lieferanten), Kunden (denen Sie sich gleich vorstellen können) und Quellen wie Personalakten und Lebensläufe rät Jürgen W. Goldfuß im Buch „Endlich Chef – was nun?“. Führen Sie mit Ihrem Vorgesetzten ein eingehendes Gespräch über seine Erwartungen.
Alles ändern wollen und das gleich am ersten Tag. Alles, was der Vorgänger gemacht hat, schlechtreden. (Achtung: Mit neuen Plänen aber nicht zu lange warten. Mit Qualitätsansprüchen, Eingriffen in Service, Anrichtetechnik, Reaktion auf Gästebeschwerden u. Ä. punktet man).
Sich nicht mit jedem Einzelnen zusammensetzen (Unbedingt Gespräche mit allen Mitarbeitern führen).
Ausreden, das heißt, nicht zu den eigenen Aussagen und Vorgaben zu stehen.
Keine klaren Ziele vorgeben und nicht sagen, wie man sie im Team erreicht.
Überheblichkeit, Selbstüberschätzung.
Gerhard Mitrovits, GM, Kempinski Jakarta, Indonesien
Heimo Leitgeb, GM und Regional Director,
Radisson SAS Palais Hotel, Wien
Erster Akt
Die Einführung ins neue Amt – quasi als offizieller Akt – übernimmt Ihr direkter Vorgesetzter: Er trommelt die Abteilung zusammen, spricht einige erklärende Worte. Das erste inhaltliche Meeting sollten Sie aber auf alle Fälle nur mit Ihrem Team abhalten! Denn Sie sind der Chef. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern dabei Ihre Ideen und fragen Sie nach deren Vorschlägen. Diskutieren Sie, was noch nicht so gut läuft, was man besser machen könnte und motivieren Sie so Ihr Team, selbst zur Problemlösung beizutragen.
Zukunftsmusik
Stellen Sie einen Plan auf, wie Sie Ziele gemeinsam mit Ihrem Team erreichen können. Führen Sie Einzelgespräche mit den Mitarbeitern. Geben Sie klare, objektiv messbare Zielvorgaben. Eine Feedbackschleife in regelmäßigen zeitlichen Abständen gewährleistet eine Kontrolle, damit Sie am Jahresende nicht aus allen Wolken fallen, weil die Ziele nicht erreicht sind und nicht rechtzeitig alternative Wege ausgearbeitet wurden.
Sklave der Anrede
Machen Sie kein großes Aufsehen um die persönliche Anrede und befolgen Sie eine einfache Regel beim internen Aufstieg: Haben Sie Kollegen bisher geduzt, dann bleiben Sie dabei. Zeigen Sie aber all jenen, mit denen Sie per Sie sind, dass mit dem Du keine Privilegien oder Sonderbehandlungen verbunden sind. Freilich, es gibt sie auch, die Lieblingsfeinde und Neider. Aber beherrschen Sie sich und behandeln Sie diese wie alle anderen, auch wenn es nicht leicht fällt. Wenn der Konflikt trotzdem ungelöst im Raum steht, suchen Sie das Einzelgespräch und sprechen Sie die Problematik offen an.
Die Sandwich-Position
In Ihrer neuen Rolle befinden Sie sich genau in der Mitte zwischen oben – Ihrem Chef – und unten – Ihren Mitarbeitern. Sie brauchen beide, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Suchen Sie den Austausch, Informationen in beide Richtungen zu vermitteln, ist Ihr Job. Je besser dies funktioniert, desto reibungsloser läuft die Arbeit. Sorgen Sie für ein gutes Betriebsklima – auch mit regelmäßigen Updates über gemeinsame Aufgaben und den erzielten Fortschritt. Analysieren Sie die Schlüsselbeziehungen – das sind diejenigen im Unternehmen, die für den erfolgreichen Verlauf der Positionsübernahme und das weitere Fortkommen wichtig sind. Wer mit den Leuten nicht gut klarkommt, steht auf verlorenem Posten.
Ralph Frenzel
Managementtrainer Ralph Frenzel hat langjährige Führungserfahrung, ist Management-, Verkaufs- und Verhaltenstrainer sowie Autor des Buches „Das erste Mal Chef“ (Haufe Verlag), das Ende September bereits in der fünften Auflage erscheint.
„Evolution statt Revolution. Und bloß nicht über die Stränge schlagen.“
ROLLING PIN: Endlich Chef – aber agiert man autoritär oder kollegial?
Ralph Frenzel: Ich propagiere einen kooperativen Führungsstil. Das Team soll in Entscheidungen mit einbezogen werden. Viele vergessen, dass Mitarbeiter ein großes Know-how haben und sich in Details genau auskennen. Der Prozess soll evolutionär, nicht revolutionär verlaufen.
RP: Was sollte man als Neochef tunlichst vermeiden?
Ralph Frenzel: Den Chef zu sehr nach außen zu kehren und in einer „Jetzt läuft es so, wie ich will“-Manier aufzutreten. Unmut ist damit vorprogrammiert. Beurteilen Sie Mitarbeiter auch keinesfalls nach Sympathie und Antipathie, die Leistung darf nur nach objektiven Kriterien bewertet werden.
RP: Wie geht man mit Konflikten und Fehlentscheidungen um?
Frenzel: Sprechen Sie Konflikte offen unter vier Augen an. Lernen Sie auch Fehler einzugestehen, erklären Sie Ihrem Team die Hintergründe. Und: Delegieren will gelernt sein. Viel zu viele Führungskräfte verlieren sich in operativen Details und entmündigen damit ihre Mitarbeiter.
Typ A: Ihnen geht es in erster Linie um die Chefposition, nicht so sehr um das Leiten und das Führen von Menschen. Sie machen Ihren Mitarbeitern schnell klar, wer das Sagen hat. Aber Achtung: Wer zu sehr seinen Machtstatus hervorkehrt, der läuft Gefahr, gegen eine unsichtbare Mauer des Widerstandes zu laufen. Führen bedeutet mehr, als zu sagen, wo es lang geht.
Typ B: Sie sehen eine Führungsaufgabe als menschliche Herausforderung, an der Sie selbst wachsen können. Sie sind sich Ihrer Verantwortung bewusst und wissen, dass ein Team am gleichen Strang ziehen muss, um erfolgreich zu sein. Die Motivation Ihrer Mitarbeiter ist Ihnen ein Anliegen.
Typ C: Eine Topposition würde Ihnen gut gefallen. Allerdings scheuen Sie es, Verantwortung zu übernehmen – das ist aber eine grundsätzliche Führungsqualität. Sie neigen dazu, die unterschiedlichen Stufen zwischen Chef und Mitarbeiter verschwimmen zu lassen und laufen damit Gefahr, nicht als Autorität wahrgenommem zu werden.
>> Geht es Ihnen um Macht, Verantwortung oder die Position an sich? Testen Sie Ihre Führungsqualitäten.
Beantworten Sie folgende Fragen und vergeben sie die entsprechende Punkte – trifft zu (4), trifft eher zu (3), trifft weniger zu (2), trifft nicht zu (1)
- Eine gute Führungskraft überlässt Entscheidungen ihrem Team.
- Ideen, Anregungen und Kritik von Mitarbeitern sind stets willkommen.
- Ein Vorgesetzter darf Widersprüche grundsätzlich nicht dulden.
- In einem professionell geführten Team gibt es keinerlei Konkurrenz.
- Im Betrieb müssen ähnliche Strukturen wie beim Militär herrschen.
- Führen liegt mir mehr als Dienen.
- Mitarbeitern muss man den Sinn einer Aufgabe genau erklären.
- Ist mir etwas Wichtiges nicht gelungen, fühle ich mich gehemmt.
- Eine gute Führungskraft weiß, wie sie ihr Team motivieren muss.
- Ein Vorgesetzter, der Fehler zugibt, schwächt seine Position.
- Über Themen, die nicht mein Spezialgebiet sind, diskutiere ich ungern.
- Wenn viele Aufgaben gleichzeitig anstehen, bin ich etwas überfordert.
- Eine erstklassige Führungskraft geht mit gutem Beispiel voran.
- Von anderen lasse ich mir nur ungern etwas sagen.
- Lob, Ermutigung und positive Verstärkung sind die beste Motivation.