Selbsttest: In der Höhle des Löwen – mit Tim Raue
Ich weiß, was man sich erwartet, wenn man eine Reportage über Tim Raues Küche liest. Der deutsche Spitzenkoch liegt mit seinem 2-Sterne-Restaurant auf Platz 48 der World’s 50 Best Restaurants, ganz nebenbei ist er aber auch für seine Berliner Schnauze und angebliche Überheblichkeit bekannt, die auch seine Mitarbeiter des Öfteren zu spüren bekommen.
Da wird dann gerne das Bild vom ehemaligen Bandenmitglied von den Straßen Kreuzbergs heraufbeschworen, das sich mit harten Bandagen bis nach oben durchkämpfte. Gerade deshalb hielten meine Chefs es wahrscheinlich für eine witzige Idee, mich während seines kurzen und intensiven Aufenthaltes in Graz vor seinem Auftritt bei den CHEFDAYS – inklusive verschiedener Interviews und Pressetermine – zu ihm zu schicken und ihm bei seinen Vorbereitungen „unter die Arme zu greifen“.
Ich weiß, was man sich erwartet, wenn man eine Reportage über Tim Raues Küche liest. Der deutsche Spitzenkoch liegt mit seinem 2-Sterne-Restaurant auf Platz 48 der World’s 50 Best Restaurants, ganz nebenbei ist er aber auch für seine Berliner Schnauze und angebliche Überheblichkeit bekannt, die auch seine Mitarbeiter des Öfteren zu spüren bekommen.
Da wird dann gerne das Bild vom ehemaligen Bandenmitglied von den Straßen Kreuzbergs heraufbeschworen, das sich mit harten Bandagen bis nach oben durchkämpfte. Gerade deshalb hielten meine Chefs es wahrscheinlich für eine witzige Idee, mich während seines kurzen und intensiven Aufenthaltes in Graz vor seinem Auftritt bei den CHEFDAYS – inklusive verschiedener Interviews und Pressetermine – zu ihm zu schicken und ihm bei seinen Vorbereitungen „unter die Arme zu greifen“.
Mein nächster Selbsttest also sollte in der Vorbereitungsküche von Tim Raue stattfinden. „Wem ist der Scheiß denn eingefallen?“, war mal das Erste, das ich zu hören bekam. Bis auf seine Vorliebe für Schimpfwörter muss ich meine Leser und Chefs aber enttäuschen. Der Mann in Blau mit leuchtend roten Nikes hat mir gegenüber nicht die Krallen ausgefahren und zwar leicht irritiert, aber geduldig mitgespielt.
Raue hat mir gleich mal eine Schürze umgehängt und zehn Minuten geflissentlich über asiatische Kräuter und Kressen referiert, von Zollschwierigkeiten berichtet und mir die Komponenten seiner Gerichte erklärt. Sein Auftreten war auffällig ruhig und professionell. Über die Jahre hat er wohl schon genug ähnliche Last-minute-Aktionen von Medien geboten bekommen.
Die Ruhe nach dem Sturm
Dann hat er mir den Menüplan für seine Präsentation erläutert: Triestingtaler Rind mit Erbse, Apfel und Soja gefolgt von Huchen mit Wasabi, Gartenkresse und Colcasia sowie weißer Spargel, Fischmaw und Sansho. Gewohnt asiatisch und mit allerhand exotischen Zutaten. Die kraftvollen und intensiven Aromen aus dem Osten entsprechen Raues Gemüt.
„Die Konzeption der meisten Gerichte braucht zwischen vier und sechs Wochen, manche aber auch bis zu einem Jahr.Bevor es nicht perfekt ist, kommt es nicht auf den Teller“, erklärt er den Arbeitsprozess. Raue und sein hochgewachsener Küchenchef Christian Singer sind ein eingespieltes Team und kommen nach sieben Jahren Zusammenarbeit ohne viele Worte aus. Auch bei den CHEFDAYS kommt Singer im Schlepptau.
Die Vorbereitung in der Küche übernimmt zum größten Teil er, Raue hat damit wenig zu tun. Singer „helfe“ (oder beobachte) ich bei der Vorbereitung der Apfel-Ingwer-Sojasprossen-Röllchen. Ob Raue denn wirklich so oft ausrastet, wie man hört? „Wenn es so schlimm wäre, würde ich doch längst nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Außerdem ist er mit der Zeit auch viel ruhiger geworden“, meint Singer dazu.
Nach 20 Minuten verabschiedet sich Raue dann aber doch und haut zu seinem ersten Interviewtermin ab. Vielleicht hab ich einen guten Tag erwischt, vielleicht hat sich Raue auch zusammengerissen, vielleicht ist er aber auch wirklich nicht mehr ganz so bissig, wie ihm gerne nachgesagt wird. Andererseits kann es seinen Gästen auch scheißegal sein, solange die Küche geil bleibt.