Ist das die Sommerfrische 2.0?
Die Sommersaison ist in vollem Gange. Wie lautet das erste Resümee?
Walter Veit: Laut ersten Rückmeldungen aus dem gesamten Bundesgebiet sehr gut! Dabei war das noch vor wenigen Wochen gar nicht so sicher: Es hieß, alle wollten wieder zurück ans Meer. Und jetzt plant fast jede:r zweite Österreicher:in, die oder der auf Urlaub fährt, einen oder sogar mehrere Inlandsurlaube. Unsere Landsleute wissen eben genau, was sie an Österreich haben!
Das x-te Revival der Sommerfrische?
Veit: So angestaubt das Etikett ist, das Angebot spielt alle Stückerln! Speziell die Seen-Regionen in Kärnten, der Steiermark und Salzburg sind wie jedes Jahr Gästemagneten. Dabei fahren viele Hotels mit angezogener Handbremse, weil Mitarbeiter:innen fehlen. Buffet statt à la carte ist keine Seltenheit. Ganze Abteilungen oder Stockwerke bleiben geschlossen. Der Arbeitsmarkt ist die größte Herausforderung, vor der die Branche je gestanden ist. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, leidet über kurz oder lang die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandorts Österreich.
Sie haben das Thema, das aktuell alle beschäftigt, schon angesprochen: offene Stellen. Wie bekommt man das in den Griff?
Veit: Es fehlen überall Leute, in der Technik, in den Schulen, in der Pflege oder ganz aktuell an den Flughäfen. Das werden wir nicht von heute auf morgen lösen. Da müssen Politik, Sozialpartner und Betriebe an einem Strang ziehen, gemeinsam an kleinen und großen Schrauben drehen. Nehmen wir etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf her: Ein Drittel der Berufstätigen in Österreich arbeitet am Wochenende, in Krankenhäusern, auf den Polizeistationen, in Redaktionen und natürlich im Tourismus. Sie alle haben zwei Tage die Woche keine öffentliche Betreuung für ihre Kinder. Da müssen dann entweder Familien oder Unternehmen einspringen. Das muss sich ändern.
Es fehlen überall Leute! In der Technik, in den Schulen, in der Pflege. Das werden wir nicht von heute auf morgen lösen. Da müssen jetzt Politik, Sozialpartner und Betriebe an einem Strang ziehen und gemeinsam an kleinen und großen Schrauben drehen.
Walter Veit, Präsident der ÖHV
Was fordern Sie konkret von der Politik?
Veit: Neben einer Lösung für die Kindergärten? Ganz klar: Eine echte Lohnnebenkostensenkung! Bei den Mitarbeiter:innen muss einfach viel mehr von dem ganzen Geld ankommen, das wir Monat für Monat für sie überweisen. Bei der Belastung der Arbeit sind wir nun mal im europäischen Spitzenfeld. Da läuft etwas falsch. Das muss rasch geändert werden.
Kurz vor der Sommerpause hat das Parlament ein Maßnahmenpaket für den touristischen Arbeitsmarkt verabschiedet. Wie bewerten Sie das?
Veit: Die darin enthaltenen Maßnahmen, wurden von der ÖHV schon länger gefordert. Konkret ging es um die Erhöhung der Saisonnier-Kontingente, die längst überfällige Aufnahme von Kellner:innen in die Mangelberufsliste und Entbürokratisierungsschritte für Stammsaisonniers. Nutznießer:innen dieser Entlastung sind die Branchenbeschäftigten, die in der Hochsaison für jede Unterstützung dankbar sind, und Gäste, die Dienstleistung auf höchstem Niveau erwarten. Parallel müssen wir aber auch langfristig nachhaltige Schritte setzen, wie die bereits erwähnte Senkung der Lohnnebenkosten.
Bei der Belastung des Faktors Arbeit sind wir im europäischen Spitzenfeld. Da läuft etwas falsch. Das muss rasch geändert werden.
Walter Veit, Präsident der ÖHV
Was können die Betriebe tun?
Veit: Was früher Kür war, etwa Top-Mitarbeiter:innen- Unterkünfte, kostenlose Nutzung von Spa, Gym & Co. oder Weiterbildung, ist heute praktisch Pflicht. Schon mittelgroße Häuser haben an die acht unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, bei größeren kommen wir schon in den zweistelligen Bereich, bis hin zur Vier-Tage-Woche. Da tut sich viel. Österreich war und ist als Gastgeberland Weltspitze und wir werden das auch auf dem Tourismus-Arbeitsmarkt. Das muss unser Ansporn sein und ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.
Stichwort Finanzen: Nach Pandemie & Wirtschaftskrise trifft die Teuerungswelle die Branche mit voller Härte. Welche Unterstützung brauchen die Unternehmen?
Veit: Die Verschiebung der CO2-Steuererhöhung war ein wichtiger Schritt, bei der Strompreiskompensation dürfen Dienstleister nicht außen vor bleiben! Das muss fair auf alle Branchen und Unternehmensgrößen verteilt werden. Niemand will, dass wir den Kostenanstieg 1:1 an die Gäste weiterreichen. Es sollte der Regierung ein Anliegen sein, dass Urlaub in Österreich erschwinglich bleibt.
Die Sommerwelle ist im Rollen, im Herbst und Winter ist mit einem weiteren Aufflammen der Pandemie zu rechnen. Gibt es Pläne, wie damit umgegangen werden soll?
Veit: Um ehrlich zu sein: Viel haben wir von der Regierung dazu noch nicht gehört. Es wird leider auch kein Input aus der Praxis geholt. Das ist in Hinblick auf die kommenden Monate wirklich alles andere als beruhigend. Ein drittes Mal völlig unvorbereitet in den Winter zu stolpern, wäre meiner Meinung nach allerdings ein Armutszeugnis der Extraklasse. Da muss etwas passieren!
Kontakt
Österreichische Hoteliervereinigung
+43 1 5330952
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www.oehv.at
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WALTER VEIT
startete nach der Matura an der HTL Mödling in der familiengeführten Tischlerei in Wien. 1983 folgte der Wechsel in den Tourismus mit der Übernahme der Geschäftsführung des Hotel Enzian in Obertauern. Seit 2004 engagiert er sich in der ÖHV als Landesvorsitzender Salzburg und Vizepräsident sowie im Fachgruppen-Ausschuss Hotellerie in der Wirtschaftskammer Salzburg. 2007 bis 2010 baute er das Hotel Enzian zum 4*S Betrieb mit 130 Betten aus und übernahm die Skihütte Mankei-Alm. Daneben war Veit Aufsichtsratsvorsitzender der Einkaufsgenossenschaft HOGAST und Aufsichtsrat der HOBEX. Seit 2022 ist Veit Präsident der ÖHV.