Dominique Persoone: Schokolade ist Rock’n’Roll
Schokolade zum Sniffen für die Rolling Stones, fliegende Helium-Schokomousse mit Heston Blumenthal, eine Hommage an high machende Frösche aus dem Amazonas mit Alex Atala: Das macht Dominique Persoone, ein Chocolatier aus Flandern. Also eigentlich: der Chocolatier aus Flandern. Seine Kollegen kennen ihn sowieso nur als Kofi Annan der Schokolade. Weil es als Vorsitzender der Brügger Chocolatiers eben auch zu seinen Aufgaben gehört, dann und wann mit ein paar Bierchen süßen Frieden innerhalb der Gilde zu stiften.
Zu den CHEFDAYS 2015 reist Dominique Persoone, wie es sich für einen Flamen gehört, in original österreichischen Lederhosen an. „Meine Frau hat gemeint, das traue ich mich nie. Tja, da sagst du nichts mehr, Darling“, lacht der Shock-o-latier, wie er sich selbst nennt. Denn Schokolade ist für Persoone extrem viel – nur eines bestimmt nicht: nämlich langweilig und ernsthaft. Dann doch eher Peace, Love, Sex, grenzenlos vielseitig und Rock ’n’ Roll. Das steht auch über der Rolling-Stones-Zunge auf seinem Oberarm tätowiert: „Chocolate is Rock ’n’ Roll. Gleich oberhalb der Lady, die sich auf einer Schokoladentafel auf seinem Unterarm rekelt.
Lasst die Leute doch träumen.
Dominique Persoone holt alles raus: von einem kleinen, natürlich immer schon leicht crazy, Schoko-Laden in Brügge, in dem Frau und Schwiegermutter noch die Pralinen rollten, zum weltweit gefragten Chocolatier. Sowohl für die Top-Gastronomie als auch für den Einzelhandel. Dabei bedient er beide mit einer Flut aus schokoladigen Ideen, die zum Schmunzeln und Schmecken anregen, und inspirieren. „Begonnen haben wir 1992 mit dem Chocolate-Line-Geschäft in Brügge, seit 2012 produzieren wir unsere Schokolade in der 2800 Qua-dratmeter großen Chocolate Factory etwas außerhalb der Stadt und 2010 haben wir uns einen Teil von Napoleons ehemaligem Palast angeschafft“, schmunzelt Persoone. Denn in diesem befindet sich die zweite Dependance der Chocolate Line. In Antwerpen.
Nur gut also, dass Persoone und sein 39-köpfiges Team somit auch in der Chocolate Factory in Brügge genügend Platz haben, um für die Läden sowie den Export nach Japan und Co. bis hin zur Königsfamilie von Katar zu produzieren. Aber auch, um ihren verrückten Ideen Platz zu geben. Das bestätigt auch Didier Vinke, der im Hintergrund fleißig Pralinen klopft, während der Shock-o-latier vor ihm auf der CHEFDAYS-Bühne in Lederhosen herumspringt. „Ich sage euch, Jogging in Lederhosen – das eröffnet mir ganz neue Welten“, so Persoone, niemals um einen Spaß verlegen. Dabei hat er das Sport-Intermezzo für das Wohl des Publikums eingelegt. Nämlich um seine Zusammenarbeit mit Professor Charles Spence von der Oxford-Universität praktisch vorzustellen. Der sagt nämlich, dass Essen und Emotion stark aneinander gekoppelt sind.
Bei den sieben Zwergen
So kam es also, dass Persoone gemeinsam mit zwei reizenden Chicas, wie er seine Unterstützerinnen nennt, durch das Publikum rennt, Moos-, Wald- und-Wiesenduft versprühend. Dazu Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern, das in ein fröhliches Hei-Ho-Hei-Ho von Schneewittchens sieben Zwergen übergeht. Bis plötzlich die böse Hexe von der Leinwand lacht und sagt: „Probier doch, nimm einen Biss.“ Jetzt ist die Zeit gekommen, die glänzend rote Praline in Apfel-Optik mit Apfel-Balsamico-Karamell und einem Praliné aus gefriergetrocknetem Granny Smith zu kosten. Herrlich, aber doch mit einem bitter-süßen Hauch leichten Unwohlseins. Emotion und Schokolade eben. Ein weiteres Experiment Persoones dieser Art hat es leider nicht auf den Markt geschafft: „Wusstet ihr, dass in Schokolade diesselben Hormone natürlich vorkommen, die unser Hirn nach einem Orgasmus ausströmt?“ Persoones Idee dazu: „Ich wollte Valentinsherzen mit viiiiiiel Liebe machen“, lacht der 46-jährige Junge. Gelungen ist es ihm natürlich schon, nur leider stellte sich das als illegal heraus.
Das macht aber nichts: Schließlich ist er mit seinen Lidocain-Fröschen, die die Zunge betäuben, an der Illegalität elegant vorbeigeschrammt. Inspiriert dazu haben ihn die knallgelben Frösche, die er gemeinsam mit Alex Atala im Amazonas gesehen hat. „Du kennst die gar nicht, hat Alex zu mir gesagt. Wenn du die Frösche abschleckst, wirst du high davon.“ Auch sonst mangelt es dem findigen Chocolatier nicht an Projekten: eine eigene Kakaoplantage im mexikanischen Yukatan. Eine Heerschar an Bienen-Stewardessen auf dem Dach der Chocolate Factory. „Mein Sohn hat gemeint, wir müssen die Bienen retten, und so haben wir den Chocolate Line Airport gegründet“, so Persoone, der natürlich schon lange einen Schritt weiter ist. „Wir versuchen gerade, Honig zu pulverisieren, um dann diesen anstatt Zucker für die Pralinenproduktion zu verwenden. Das ist bekömmlicher.“ Zusätzlich organisiert Persoone noch Stages bei Größen wie Jordi Roca, René Redzepi und Co. für seine Mannschaft und umgekehrt. „Es ist wichtig, dass dein Team immer motiviert bleibt.“
Und auch, wenn die Präsentation des Chocolatiers superwitzig und locker flockig vorgetragen war, so könnte Persoones Kernaussage trotzdem, oder genau deswegen, klarer nicht sein: „Arbeitet zusammen, aus den verschiedensten Disziplinen, traut euch, verrückt zu sein. Bei sieben Ideen, die im Müll landen – weil unrockbar, fliegende Mousse, die von der Decke knallt, oder illegal – sind nämlich drei Genaliäten dabei, die euch und eure Gäste begeistern werden. Und Riesenspaß macht es auch noch.“