Die Weinbar Freundschaft in Berlin: Zwei wie Hefe und Schwefel
Mehr als eine b’soffene G’schicht
Die Freundschaft eröffnete zwar erst im August 2018, doch sie gilt jetzt schon als einzigartiges Epizentrum für Weinfanatiker – und das weit über die Grenzen Berlins hinaus. Kein Wunder: Die beiden österreichischen Wirtshausbuben Willi Schlögl und Johannes Schellhorn haben sich schon vor ihrer schicksalhaften Begegnung in der deutschen Bundeshauptstadt einen Namen gemacht: Schlögl als charismatisches Aushängeschild der legendären Cordobar, Schellhorn als Rebensaft-Guru im gehypten Nobelhart & Schmutzig. Warum Schwefel nicht immer gleich des Teufels ist, Europäer-Stammtische im Ausland prägende Trinkerlebnisse garantieren und Wochenenden in Berlin für Schlögl und Schellhorn eine Seltenheit sind – das und noch vieles mehr verraten die beiden Weinkoryphäen im Exklusivinterview.
In ihrer Berliner Weinbar Freundschaft pfeifen die beiden österreichischen Weingurus Johannes Schellhorn und Willi Schlögl auf elitäres Getue – und setzen gleichzeitig mit individuellen, handgefertigten Bio- und Naturweinen neue Maßstäbe, wenn es um nachhaltiges Betrinken geht.
Ihr seid beide Wirtshausbuben – Willi, du bist Sohn eines Gastronomen aus der Oststeiermark und Johannes ist Spross der Schellhorn-Dynastie in Salzburg. War von Anfang an klar, dass ihr in der Gastronomie arbeiten wollt?
Willi Schlögl: Natürlich hat sich irgendwann einmal die Frage gestellt: Fußball oder was Gescheites? Ich hab selbstverständlich das Gescheite gewählt, nämlich Vollzeitalkoholiker. Die Spezialisierung auf Wein hat definitiv in der Tourismusschule Bad Gleichenberg begonnen, weil ich mit den anderen im Zimmer regelmäßig Wein gebürschtelt habe. Nach der Tourismusschule bin ich folgerichtig nach Wien zu Wein & Co gegangen. Dort habe ich Hans Martin Gesellmann kennengelernt – und durch ihn die ganze Weingeschichte vertieft. Er war es, der mir das erste Weintrinken so richtig beigebracht hat. Ich war bei so gut wie allen Wein & Cos in Wien, immer an der Bar. Daneben habe ich die Weinakademie gemacht, leider nie ganz fertig. Dafür habe ich den Certified Sommelier in London fertig gebracht. Ich wollte dann nach San Francisco und hätte dort auch schon einen Job gehabt, der Laden dort hieß RN74, aber ich habe kein Visum bekommen.
Video: Weinverkostung EXTREM mit Willi Schlögl
Mehr als eine b’soffene G’schicht
Die Freundschaft eröffnete zwar erst im August 2018, doch sie gilt jetzt schon als einzigartiges Epizentrum für Weinfanatiker – und das weit über die Grenzen Berlins hinaus. Kein Wunder: Die beiden österreichischen Wirtshausbuben Willi Schlögl und Johannes Schellhorn haben sich schon vor ihrer schicksalhaften Begegnung in der deutschen Bundeshauptstadt einen Namen gemacht: Schlögl als charismatisches Aushängeschild der legendären Cordobar, Schellhorn als Rebensaft-Guru im gehypten Nobelhart & Schmutzig. Warum Schwefel nicht immer gleich des Teufels ist, Europäer-Stammtische im Ausland prägende Trinkerlebnisse garantieren und Wochenenden in Berlin für Schlögl und Schellhorn eine Seltenheit sind – das und noch vieles mehr verraten die beiden Weinkoryphäen im Exklusivinterview.
In ihrer Berliner Weinbar Freundschaft pfeifen die beiden österreichischen Weingurus Johannes Schellhorn und Willi Schlögl auf elitäres Getue – und setzen gleichzeitig mit individuellen, handgefertigten Bio- und Naturweinen neue Maßstäbe, wenn es um nachhaltiges Betrinken geht.
Ihr seid beide Wirtshausbuben – Willi, du bist Sohn eines Gastronomen aus der Oststeiermark und Johannes ist Spross der Schellhorn-Dynastie in Salzburg. War von Anfang an klar, dass ihr in der Gastronomie arbeiten wollt?
Willi Schlögl: Natürlich hat sich irgendwann einmal die Frage gestellt: Fußball oder was Gescheites? Ich hab selbstverständlich das Gescheite gewählt, nämlich Vollzeitalkoholiker. Die Spezialisierung auf Wein hat definitiv in der Tourismusschule Bad Gleichenberg begonnen, weil ich mit den anderen im Zimmer regelmäßig Wein gebürschtelt habe. Nach der Tourismusschule bin ich folgerichtig nach Wien zu Wein & Co gegangen. Dort habe ich Hans Martin Gesellmann kennengelernt – und durch ihn die ganze Weingeschichte vertieft. Er war es, der mir das erste Weintrinken so richtig beigebracht hat. Ich war bei so gut wie allen Wein & Cos in Wien, immer an der Bar. Daneben habe ich die Weinakademie gemacht, leider nie ganz fertig. Dafür habe ich den Certified Sommelier in London fertig gebracht. Ich wollte dann nach San Francisco und hätte dort auch schon einen Job gehabt, der Laden dort hieß RN74, aber ich habe kein Visum bekommen.
Unterm strich arbeiten wir mit einem Produkt, das zur reinen Berauschung da ist.
Johannes Schellhorn über sein unprätentiöses Weinverständnis, mit dem Willi Schlögl nicht zu 100 Prozent d’accord geht
Weil?
Schlögl: Ich weiß auch nicht, ich war halt irgendwie zu spät dran oder so.
Johannes, bei dir hat das mit Amerika ja besser geklappt?
Johannes Schellhorn: Ja, aber die Anfangsjahre liefen doch ziemlich anders ab. Ich fand Gastro eigentlich immer scheiße. Vor allem, weil ich bei meinen Eltern gesehen habe, wie irrsinnig viel sie hackeln (österreichisch für Arbeiten, Anm. d. R.). Die lebten quasi im Betrieb. Meine gastronomische Karriere hat dennoch mit elf Jahren begonnen, weil ich von meinen Eltern damals schon fürs Gläserpolieren eingespannt worden bin. Irgendwie wollte ich das immer so ein bisschen machen, war gleichzeitig aber auch immer unentschlossen und entscheidungsfeig. Nach der Tourismusschule Klessheim bin ich über ein paar glückliche Zufälle dann nach Amerika gekommen und habe zwei Jahre in Los Angeles gelebt. Dort war ich für die Produktionsleitung eines Mode-Start-ups verantwortlich. Witzigerweise fand gerade dort der erste Zugang zu Wein statt. Ich war anfangs noch unter 21, in dem Alter ist es mit dem Saufen in Los Angeles natürlich schwierig. Die einzige Möglichkeit, um zu trinken, ist, mit Europäern unterwegs zu sein. Es gab da einen Europäer-Stammtisch, der immer bei jemandem zu Hause stattfand, da wurde dann ordentlich gebürschtelt. Vor allem, weil da immer ein paar Typen dabei waren, die echt guten Wein mitbrachten.
Ziemlich beste Freunde: Die Wirtshausbuben Johannes Schellhorn und Willi Schlögl.
Kennengelernt habt ihr euch beide dann in Berlin. Wie kam’s zu dieser schicksalhaften Begegnung?
Schellhorn: Wir waren sozusagen beide zur selben Zeit in Österreich und beide zur selben Zeit in Berlin, sind aber immer aneinander vorbeigegangen.
Schlögl: Ja, aber kennengelernt haben wir uns dann bei einer Flasche Matata in der Cordobar, die ich ja damals unter anderem mit Gerhard Retter mitbegründet hatte.
Schellhorn: Aber so richtig begonnen hat die Freundschaft dann eigentlich mit einer Wette bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl 2016, bei einer sehr guten Flasche Champagner. Und nachdem sehr guter Champagner viel kostet und es natürlich gleich um etwas substanzielles geht, haben wir uns dann gleich mit einer zweiten sehr guten Flasche Champagner vor den Laptop gesetzt und uns die Ergebnisse angeschaut.
Und wer hat die Wette gewonnen?
Schlögl: Ich.
Die beiden Seelen des Hauses: Johannes Schellhorn (li.) und Willi Schlögl (re.).
Und ist da die Idee zur Freundschaft entstanden?
Schellhorn: Nein, die war eher eine Rauschgeburt.
Schlögl: Stephan Landwehr von der Grill Royal Gruppe, der mit seinem Geschäftspartner Moritz Estermann ja als Investor fungiert, kennen wir schon lange. Er hatte die Location schon damals seit einiger Zeit im Auge. Dadurch ist letztlich alles so schnell gegangen. Die Umbauphase startete im Sommer 2018. Da ich im Februar davor aus der Cordobar ausgeschieden bin, habe ich im Sommer relativ viel Zeit gehabt – und war jeden Tag auf der Baustelle. Die Idee mit dem Tresen war unsere eigene. Einerseits deswegen, weil die Location zu groß war, und andererseits, weil man ja heute in der Gastro so wenig Mitarbeiter findet, was sehr schade ist, weil es ist einfach ein extrem geiles Business, finden wir zumindest. Mit der großen Bar gibt’s halt eine große Ausschankfläche, das spart Personal und wir müssen nicht ständig von A nach B rennen. Und weil bei uns sowieso die Getränke im Vordergrund stehen und nicht das Essen, kann man sich ja gleich an die Schank setzen und nicht an die Tische.
Schellhorn: Die größten Tränen und Diskussionen gab’s übrigens um die Frage: Soll die Bude eckig, rund, halbeckig oder halbrund sein? Wie die Wandfarbe ist, welches Holz, das war überhaupt kein Problem. Aber bei der Theke, da sind wirklich Welten aufeinandergeprallt. Der Willi ist mehr der runde Typ, ich eher der eckige. Schlussendlich hat sich bekanntlich der Willi durchgesetzt.
«Alles, was trüb und fehlerhaft ist, ist plötzlich geil.» Für Willi Schlögl hat der Trend um Naturwein durchaus seine Grenzen.
Die Freundschaft ist von Anfang an eingeschlagen, warum?
Schellhorn: Da ist es wichtig zu betonen, dass wir jahrelange Vorarbeit geleistet haben. Ich als Sommelier im Nobelhart & Schmutzig und Willi in der Cordobar. Ich glaube, wenn man clever ist, dann baut man sich ganz unbewusst ein gewisses Netzwerk auf. Vom Nobelhart & Schmutzig beispielsweise habe ich ein paar Gäste mitgenommen, die sich extrem darüber freuen, hier eine geile Weinkarte zu haben, aber nicht ein ganzes Menü fressen zu müssen, sondern nur zwei oder drei kleine Gänge. Oder um elf Uhr abends einfach ein bisschen Schinken, Leberkäse und Käse kriegen. Wertschätzung ist eben etwas, das man sich am härtesten erarbeiten muss. Und was wir nach den ersten Handwerkerrechnungen schnell verstanden haben, war, dass einfach kein Geld für viel Werbung übrig war. Also haben wir uns stark auf einen ordentlichen Social-Media-Auftritt konzentriert. Wir arbeiten am meisten über Instagram und haben damit vor allem am Anfang versucht, alles so laut wie möglich nach außen zu tragen. Da haben wir im Großen und Ganzen schon viel richtig gemacht.
Schlögl: Außerdem spreche ich für jeden Sommelier, der sich selbstständig gemacht hat: Das alles ist harte Arbeit. Wir fangen zwischen 14 und 15 Uhr an und arbeiten im Schnitt bis vier Uhr morgens. Und das alles ohne große Pausen.
Video: Weinverkostung EXTREM mit Willi Schlögl
Heute brauchst du dich eigentlich nur noch an einen Tisch zu setzen und zu sagen: Schwefel ist scheiße – und schon glaubt jeder, du kennst dich aus.
Für die Kennerschaft eines guten Rebensafts braucht’s für Schellhorn und Schlögl eben doch mehr
Teil eures Erfolges ist sicher auch, das Image des guten Weintrinkens entkrampft zu haben…
Schlögl: Auf jeden Fall. Es kommt ja auch immer mehr Kohle in die Stadt. Ich war noch nie in einer Stadt, in der Leute mehr über Nachhaltigkeit gesprochen und über Ernährung nachgedacht haben als hier in Berlin. Jeder interessiert sich ja heute für nachhaltiges Betrinken und Essen. Da kann man mit Weinen, wie wir sie haben, natürlich einiges anstellen. Ich finde das extrem wichtig heutzutage, dass man sich damit auseinandersetzt, womit man sich jetzt genau ansauft. Aber der Deutsche ist halt so: Er trägt eine Rolex, einen Maßanzug und fährt einen Luxuswagen, aber wenn die Flasche Wein mehr als 40 Euro kostet, kann das nicht sein. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass man den Leuten zeigt, dass so ein individuelles, handgefertigtes Produkt auch ruhig ein bisschen was kosten darf. Letztendlich wollen wir den Leuten einfach etwas Gutes zu trinken geben, und etwas Gutes fängt bei uns im Weingarten an. Da geht’s also zuerst um die Weingartenbewirtschaftung, die Kellerarbeit, und dann natürlich um das Endprodukt im Glas. Da darf unserer Meinung nach kein Schritt fehlen. Das Endprodukt eines Industrieweines kann vielleicht auch gut sein, keine Frage – aber das ist nicht unser Zugang.
Schellhorn: Die deutschsprachige Weinwelt kann dir Länge mal Breite darüber erzählen, wie wichtig es ist, irgendwelche Weine bei richtiger Temperatur zu lagern – aber unterm Strich arbeiten wir mit einem Produkt, das zur reinen Berauschung da ist. Wenn man das zu sehr in den Hintergrund geraten lässt, nimmt das einfach den Spaß an der Sache. Und dafür bin ich zu lange im Geschäft, dass ich irgendetwas machen will, das nicht mehr lustig ist.
Schlögl: Naja, lustig mit Hintergrund. Als reines Berauschungsmittel würde ich es jetzt nicht sehen. Jedenfalls: Eine unserer größten Tugenden ist sicher, Weine zu finden, die du um unter 35 Euro kriegst und die trotzdem pfeifen. Kaufst du einen großen Bordeaux oder Burgunder oder was weiß ich, dann muss der eh pfeifen. Aber Weine um 15 Euro zu finden, die geil sind – das ist die große Kunst.
Die Idee zur Freundschaft war eher eine Rauschgeburt. Johannes Schellhorns und Willi Schlögls Weinbar-Projekt stand von Anfang an unter einem guten Stern.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr täglich missionarische Arbeit für Natur- und biodynamische Weine leisten müsst oder wird das in Berlin mittlerweile sowieso verlangt?
Schlögl: Überspitzt gesagt: Eigentlich machen wir mittlerweile fast schon Aufklärungsarbeit für konventionelle Weine. Es ist so: Im Moment wird in der Jugend-Weinszene viel schöngeredet. Alles, was trüb und fehlerhaft ist, ist plötzlich geil. Und wir versuchen halt, da ein wenig zurückzurudern. Natürlich haben wir extrem viel Natur- und biodynamische Weine, aber die Sache ist, dass man heutzutage den Leuten wieder erklären muss, wie ein guter Wein schmecken kann, der eben nicht komplett fehlerhaft und scheiße ist. In Bezug auf Naturwein ist alles so fancy und cool – aber nicht alles gut. Wir verstehen uns als Kuratoren im endlosen Kosmos der Grauslichkeiten.
Schellhorn: Außerdem war es noch nie so leicht, über Wein ins Gespräch zu kommen. Weil heute brauchst du dich eigentlich nur noch an einen Tisch zu setzen und zu sagen: Schwefel ist scheiße – und schon glaubt jeder, du kennst dich aus. Dass Naturwein gar nicht unbedingt trüb sein und auch nicht immer nur 0,0 Prozent Schwefel haben muss, sondern ein kleines bisschen Schwefel auch nicht gleich etwas Schlechtes ist, das versuchen wir den Leuten schon auch wieder näherzubringen. Die Dosis macht das Gift. Und dieses Splitting in der ohnehin sehr kleinen Wein-Community – und da spreche ich von jenen Leuten, die bereit sind, für eine Flasche mehr als zehn Euro zu zahlen –, wenn die also anfängt, sich in zwei Lager aufzuteilen, dann sticht man sich halt ins eigene Fleisch.
Gute Lage: Willi Schlögls und Johannes Schellhorns Weinbar Freundschaft liegt in Berlin-Mitte, unweit der Humboldt-Bibliothek.
Ihr arbeitet fünf Tage die Woche mindestens zwölf Stunden am Tag. Wie schafft ihr es, eure Kontakte zu den Winzern aufrechtzuerhalten und Neues zu entdecken?
Schellhorn: Die Wochenenden sind sehr kurz. Dieses Jahr hatten wir eine Phase – so von April bis Juni –, in der wir kein einziges Wochenende gemeinsam in Berlin verbracht haben. Das geht alles drauf für Winzerbesuche, Weinmessen, Veranstaltungen – alles Mögliche.
Schlögl: Wir haben das Glück, unsere Leidenschaft zu unserem Beruf gemacht zu haben. Da zählst du dann auch einfach keine Stunden oder Wochenenden. Weil du alles megageil findest. Natürlich: Manchmal bist du müde und willst niemanden sehen, aber wie viele Leute gibt es, die genau das machen können, wofür sie brennen, und die mit genau den Leuten zusammenarbeiten, mit denen sie wollen? Auch die Gäste sind Teil davon, weil wir merken, wie empfänglich die Leute für unsere Sachen sind. Ich muss mich also nicht für irgendeinen Scheiß prostituieren.
Wie geht’s weiter? Habt ihr etwas Neues geplant oder konzentriert ihr euch weiterhin auf die Freundschaft?
Schellhorn: Wir haben wirklich keine Zeit, uns etwas Neues zu überlegen. Anfangs haben wir ja, wie gesagt, sehr laut alles nach außen getragen, damit der Laden voll wird. Und jetzt müssen wir halt genauso weiterarbeiten und Gesicht zeigen, damit der Laden voll bleibt.
Schlögl: Momentan müssen wir reagieren und können nicht agieren. Weil es halt auch gut läuft. Außerdem: Ein Wirtshaus ohne Wirt ist halt nix wert.