Michael Wolf: «Es gab eine Pressekonferenz und 25 Minuten später mussten alle Läden schließen.»
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Normalerweise würden viele Deutsche, besonders aus Nordrhein-Westfalen, an so einem Wochenende den kurzen Weg in die Niederlande ans Meer fahren. Doch dieser Tage ist Normalität rar. Autofahrer werden an der Grenze mit dem Schild „Reise nicht notwendig? Bleiben Sie bitte zuhause!“ empfangen. Der gebürtige Vorarlberger Michael Wolf lebt und kocht seit 9 Jahren in Amsterdam. Wir haben den Jungen Wilden 2009 gefragt, ob er zuhause bleibt und wie Hollands Hauptstadt mit der derzeitigen Lage zurechtkommt.
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Normalerweise würden viele Deutsche, besonders aus Nordrhein-Westfalen, an so einem Wochenende den kurzen Weg in die Niederlande ans Meer fahren. Doch dieser Tage ist Normalität rar. Autofahrer werden an der Grenze mit dem Schild „Reise nicht notwendig? Bleiben Sie bitte zuhause!“ empfangen. Der gebürtige Vorarlberger Michael Wolf lebt und kocht seit 9 Jahren in Amsterdam. Wir haben den Jungen Wilden 2009 gefragt, ob er zuhause bleibt und wie Hollands Hauptstadt mit der derzeitigen Lage zurechtkommt.
Was das Wolf Atelier ausmacht? Der Mix der Gäste und das Zusammenspiel der Aromen!
Michael Wolf kocht leidenschaftlich gern Meeresfrüchte, in seinem stylischen Amsterdamer Restaurant „Wolf Atelier“ kreative, experimentelle Gänge und macht dem Namen des Restaurants damit alle Ehre. Sein besonderes Spiel mit Aromen und modernen Kombinationen lobte der Michelin, erwähnt aber auch die unprätentiöseren Teller, die für den Mix an Gästen sorgen. Heute ist der Laden voll mit Älteren, die das 15-Gänge-Menü bestellen, morgen kommen viele Jüngere und bestellen, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Unweit des Hauptbahnhofs, aber abseits der touristischen Pfade sitzt man von Glas und Metall umgeben mit Blick aufs Wasser. Ziemlich besonders, und ziemlich cool.
Wie gehts in und nach der Corona-Krise weiter mit dem Wolf Atelier?
Bis zum 28.4. gelten in Amsterdam noch Ausgangsbeschränkungen; ob er seine Gäste noch beglücken darf oder seine Zeit völlig anders verbringt, haben wir ihn im Interview gefragt.
Wie hat dich die Corona Krise erwischt? Wann hast du die Auswirkungen realisiert?
Wolf: Ziemlich heftig, am 15. März war es bei uns vorbei, da hat die Regierung eine Pressekonferenz gegeben und 25 Minuten später mussten Läden zusperren. Also es gab keine Anlaufzeit oder so, um 17:30 Uhr war die Konferenz und um sechs mussten alle schließen, da ging nix mehr. Es war auch ein Sonntag, da haben wir eh zu, deswegen war das nicht so schlimm, aber wenn wir jetzt einen Abendservice gemacht hätten, hätten wir nur kurz Zeit gehabt, um alles umzuorganisieren.
Wurden die Auflagen sehr streng mit Hilfe von Seiten des Staats durchgesetzt?
Wolf: Es wusste ja schon jeder, dass das kommt. Die Anzahl der Leute, die noch offen hatten, ist schon in der Woche davor stark zurückgegangen. Wir hatten an dem Sonntag auch Kontakt untereinander und hatten beschlossen, nicht auf die Anweisung von der Regierung zu warten, sondern vorher schon zu schließen. Und dann kam die Anweisung mit der Schließung so kurzfristig von der Regierung, niemand wusste z.B. wie es weitergehen soll für die Coffeshops, jeder hat noch schnell fünf Bier bestellt. Ich persönlich war am Strand an dem Tag, saß selber noch im Restaurant, bin rausgegangen, um mir die PK anzuschauen und dann ging es schon los, sonst hätt ich mir sicher auch noch ein Glas Wein bestellt.
Wie geht ihr damit um? Bekommt man bei euch noch etwas zu essen?
Wolf: Nein, wir sind komplett zu. Wir haben den Montag nach der Schließung noch alles saubergemacht und richtig geschlossen. Lieferservice ist sowieso nicht meins. In den ersten zwei Wochen der Schließungen gab es über 2000 Lieferservice-Eröffnungen, bzw. Restaurants, die neuerdings auch liefern, allein in Amsterdam. Manche laufen sehr gut, manche haben gleich wieder aufgehört. Für mich selber hab ich allerdings beschlossen zuzusperren und keinen Lieferservice anzubieten.
Werdet ihr unterstützt vom Staat?
Wolf: Es gibt Unterstützung! Es gibt eine Soforthilfe von 4000 Euro, ohne Umwege, das konnte man einfach anfragen und hat jeder bekommen. Der Staat hilft auch mit den Löhnen, das wird danach berechnet wieviel Umsatz du verlierst. Im Idealfall, haben sie am Anfang gesagt, zahlen sie bis zu 90% vom Lohn zurück, aber ich hab mal durchgerechnet: ich bekomme 63% der Lohnkosten vom Staat, den Rest muss ich selber durchdrücken. Steuern können aufgeschoben werden, aber das nützt dir ja irgendwie nichts, weil: wenn wieder aufgesperrt wird, muss es ja trotzdem bezahlt werden; dann ist das erste was passiert, dass das Finanzamt anruft, weil du noch Rechnungen offen hast. Deswegen zahl ich so viel wie möglich weiter. Ich hab natürlich auch ein bisserl was als Reserve, aber das geht ganz schnell drauf jetzt. Schlimm wird’s generell, wenn die staatliche Hilfe aufhört, dann wird’s wild. Ich bin eigentlich ganz positiv, dass es dann weitergeht, man muss nur schauen, dass man nicht zu viele Kosten aufschiebt. Miete z.B. müssen wir auch ganz normal zahlen. Manche Vermieter helfen, meiner hat den Hörer aufgelegt. Aber da müssen wir jetzt durch.
Können alle Mitarbeiter bleiben?
Wolf: Wir selber haben zwei Mitarbeiter, die noch in der Probezeit waren, denen hab ich nicht verlängert, den Rest habe ich behalten.
Was denkst du, wie lange die Situation noch so bleibt? Habt ihr einen Plan, zumindest für einen gewissen Zeitraum?
Wolf: Ich geh davon aus, dass zum 1. Juni wieder aufgesperrt wird, aber so wie es jetzt ausschaut, halte ich das nicht für realistisch. Aber man muss ja positiv bleiben, es ist erst April, das ist ja noch ewig hin. Ich glaube generell, die westliche Kultur ist nicht für Quarantäne gemacht, in den asiatischen Ländern wirst du gleich erschossen, wenn du vor die Tür gehst, hier sind alle ein bisserl aufmüpfiger. Und jetzt sitzt jeder schon seit einem Monat zuhause, und wir haben es erst April. Da kommt noch der ganze Mai, bis wieder aufgesperrt werden darf…
Überlebt die Gastronomie?
Wolf: Jeder hat natürlich seine eigene Meinung, wie es weitergeht, so eine Krise war noch nie da. Weisst eh, die Leute sagen es wird schon gehen mit dem Überleben und wenn offen ist, kommen die Leute auch sofort wieder zum Essen. Aber da hat jeder seine eigene Einschätzung und Meinung, ich kann es nicht abschätzen.
Wie verbringst du die Zeit, in der du jetzt gerade nicht im Wolf Atelier bist?
Wolf: Ich hab richtig viel Zeit. Ich hab zwei Kids zuhause. Es ist ja auch so: das Wolf hat jetzt fünf Jahre offen, in fünf Jahren drei Monate Urlaub ist ja fast nix. Und ich genieß natürlich die extra Zeit, die ich jetzt für und mit meinen Kindern hab, bevor es wieder mit der Arbeitsspirale losgeht, ich fünf Tage in der Woche in der Küche stehe und mich darüber aufrege, wieviel Stress ich hab. Ich glaub auch nicht, dass ich mich jetzt neu erfinde, nur schauen dass alles tiptop ist und die Leute motiviert sind, wenns dann wieder losgeht.
Mein Frau arbeitet auch noch ganz normal, aber von zuhause aus, und ich bin auch Fulltime zuhause. Mein Sohn ist fünf, meine Tochter drei Monate, ich konnte noch nie so viel Zeit mit ihnen verbringen. Wenn ich mich zurückerinnere, mein Sohn ist geboren ungefähr zu der Zeit als das Restaurant eröffnet hat, die Zeit vermiss ich jetzt noch, deswegen kann ich die restliche Zeit jetzt auch ganz gut genießen. Wir sind in einer Krisensituation, das ist für alle neu. Und da muss jeder schauen, wie er für sich den besten Weg findet, damit umzugehen.
Was denkst du, welche Chancen könnte die jetzige Situation bieten?
Wolf: Ich glaub, dass es für viele Betriebe die Möglichkeit ist jetzt zu evaluieren, welche Büroräumlichkeiten brauchen wir überhaupt, welche Leute müssen noch ins Büro oder könnten von zuhause aus arbeiten. Auf der anderen Seite sehe ich auch, wie schwierig es sein kann, zuhause zu arbeiten, es gibt einfach keine Entspannungsmomente.
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