Chefdays 2015 – Richard Rauch: von Tauben und Hanf
Aufgewachsen in einem kleinen Wirtshaus und einem Bauernhof, ist Richard Rauch mit der Verwendung von Produkten aus der Umgebung vertraut, bevor er mit 17 Jahren den elterlichen Betrieb übernimmt und sich durch Lesen, Probieren und Schmecken zum Gourmetkoch entwickelt. Das Wort Regionalität benutzt er zwar aufgrund der Überstrapazierung nur mit Vorsicht, lebt den Begriff aber dennoch mit voller Leidenschaft. Rauch hat es sich als Koch zur Aufgabe gemacht, Traditionen zu spüren und diese modern und zeitgemäß zu strukturieren. Die traditionelle Küche ist Rauch trotz des hohen Standards durchaus wichtig, hat er doch seine Wurzeln in der Einfachheit eines bäuerlichen Betriebes. In einer Videopräsentation, die seinen Vortrag auf den CHEFDAYS eröffnete, lädt er das Publikum zu einer Fahrt zu einigen seiner Produzenten ein. Darunter sind ein österreichweit einzigartiger Taubenzüchter, eine Zitrusfarm, eine Kräuterfarm und ein kleiner Ziegenbauernhof. Dabei betont Rauch, wie wichtig die Synergie zwischen diesen und dem Koch ist, da man auf diese Weise den direkten Zugang zu den verwendeten Produkten hat. Denn unabhängig von der Qualität sollte für den Gourmetkoch das Grundprodukt immer aus der Region stammen, was auch am Geschmack zu erkennen ist. Schmecken, riechen und die Augen aufmachen – das ist wichtig für Koch und Gast. Das Progamm beginnt mit einer blumig-frischen Marinade. Frische Ziegenmilch mit etwas Lab lauwarm erhitzt trifft auf eine gut gegrillte Gurke und Zitrusmarinade: Hierfür werden Verjus und Limettensaft angedickt und mit Zitronenkaviar oder Fingerlimes, Hollerblüten- und Zitronenverbeneöl ergänzt. Rauch legt großen Wert darauf, Elemente mit einer starken Säurestruktur in seine Gerichte einzubauen, als Kontrapunkt zur eher deftigen und würzigen Wirtshausküche. Für den frühlingshaften Geschmack sorgen dreierlei Taglilien: einmal als Knospen eingelegt in Verjus und Gurkenessig. Als zweite Variante werden Duftpelargonien oder auch Rosengeranien, eine Sorte von wilden Taglilien, kurz gedämpft und verleihen dem Gericht eine dezente, blumige Duftnote. Zu guter Letzt werden unmarinierte Zitronenlinien hinzugefügt. Mit kleinen Gurken- und Pelargonienblüten ergänzt, entsteht eine stark säurehaltige Marinade, die zusammen mit der zubereiteten Ziegenmilch eine wunderbare Textur ergibt – einfach und schnell, so kreierte Rauch als erstes Gericht eine vegetarische Variante. Natürlich sind auch Fleischgerichte auf seiner Karte vertreten. Mit einer eigenen Fleischerei und glücklichen Freilandschweinen vom eigenen Hof – das zweite Standbein des Betriebes – wird die hohe Qualität des Fleisches sichergestellt. Die Rasse, die auf Rauchs Weiden lebt, ist eine Kreuzung aus schottischem Duroc und steirischem Edelschwein. Diese Mischung resultiert in einem Fettanteil des Fleisches, der um 25 Prozent höher ist als bei herkömmlichen Artgenossen. Im Vorgang Dry Aging wird in seinem Betrieb das Fleisch acht bis zehn Wochen lang getrocknet.
So bekommt es einen besonderen Charakter und den Geschmack, wie es Rauch von Schweinefleisch erwartet. Dies präsentierte er auch als zweites Gericht: Ein Kotelett vom acht Wochen gereiften Schweinefleisch gart er kurz, um seinen Eigengeschmack noch mehr hervorzubringen. Hinzu fügt er den Goder des Schweins, der eingesalzen, auf Marmorplatten gepresst und hauchdünn aufgeschnitten dem Gericht einen schönen Schmelz gibt. Kombiniert wird das Gericht mit jungem Kraut, lauwarm mariniert in einer Creme aus Blattkresse. Dasselbe Kraut wird in roher Variante hinzugefügt, gemeinsam mit getrockneten Blättern der Kresse, die dem Gericht eine gewisse Schärfe beifügen. Ein Krokant aus Biermaische – richtig, dem Abfallprodukt von der Bierproduktion – und Röstzwieben gesellt sich mit einer crunchigen Struktur dazu. Die Idee zur Verwendung der Biermaische kam Rauch, als er beim Besuch einer lokalen Bierbrauerei den Vorgang beobachtete und beim Anblick der Maische sein Erfindergeist geweckt wurde. Ein Kimchi-Fond – eine spezielle Zubereitungsart von Gemüse durch Milchsäuregärung – aus Kraut und Kohlrabi, Zwiebeln, Ingwer, Zitronenengras,Verbene und Chili, der mit Ziegenobers aufgeschäumt wird, rundet das Gericht perfekt ab. Der Prozess der Fermentation ist für ihn in der heutigen Zeit bereits ein fixer Teil jeder Küche. Dies spannt auch den Bogen zur Tradition, was man am klassischen Sauerkraut sieht.Worauf man bereits von Beginn seines Vortrags an gespannt war, zeigt Rauch in seinem nächsten Gericht: die Taube. Hierfür holt er den Taubenzüchter seines Vertrauens, Gerhard Methlagl aus dem südlichen Burgenland, auf die Bühne. Der Experte des kleinen Federviehs nimmt allen Vorurteilen, die sich um das Tier drehen, den Wind aus den Segeln und erklärt, wie dessen Fleisch durch die richtige Haltung und Fütterung eine hervorragende Qualität hervorbringen kann. Ein vitales Tier, das fortpflanzungsfähig ist und eine humane, stressfreie Schlachtung verdient. Spezialisiert hat sich Methlagl auf die amerikanische Hubbeltaube, die sich durch ihre starke Doppelbrust auszeichnet.
Der Plan, ein ehrliches Produkt herzustellen, funktioniert auch hervorragend, wie man an Rauchs weiteren Gerichten erkennen kann. Nach dem Prinzip Nose to Tail wird alles von der Taube verwendet– inklusive des Futters: Buchweizen, Ackerbohnen, Gersten und Mais werden als Erstes zu einer cremigen Textur verarbeitet und in eingelegte, blanchierte Weinblätter gewickelt. Die junge Weinbeere in Verjusessig als Krönung gibt dem Gericht eine besondere Struktur. Die Taubenbrust wird von Rauch in Taubenfett gegart, zu einer festen Struktur konfiert, in Hanfsamen und Sonnenblumenkeimlingen paniert und mit geräuchertem Salz und Fond verfeinert. So gab er mit geräuchertem Taubenfond den Startschuss seiner Kreationen mit dem kleinen Geflügel. Pikanter wird es mit dem nächsten Gericht: dem Taubenbein, das als das Markenzeichen von Methlagl gilt, da es üblicherweise nicht mit der Taube mitgeliefert wird. Die Kralle wird glasiert und in Schmorfond serviert. Dazu konfiert Rauch Mairüben in Taubenschmalz und Hanftrub und kombiniert sie mit einer Marinade aus roter Gartenmelde, Baumspinat, Hanföl und etwas Säure. Dazu serviert Rauch Chips aus Hanfmehl. Als dritte Variante kreiert er ein Ragoutgericht aus Taubenleber und -herz mit Taubenfett und etwas Blut für die Bindung, das in gedämpftes Weißbrot aus Hanfpresskuchen gefüllt wird. Zum Finale überrascht er die Gäste mit einem traditionellen Gericht: gegärtes Selleriekraut mit Nelken, das mit Taubenblutwurst kombiniert wird.
Taubenbein
mit marinierten Mairüben und Chips aus Hanftrub