Wo Feuer, da auch Räuchern
Fotos: Wolfgang Hummer, Jon Angelo Gjetting, Ditte Isager, Polyscience, thosa trade/www.farmer-grill.com, www.bradleysmoker.at, www.muurikka.co.uk, Shutterstock
Man mag den steinzeitlichen Vorfahren des Homo sapiens ja so einiges an wenig zivilisierten Qualitäten nachsagen. Fakt ist aber: Lucy und Ötzi haben unter anderem die Entstehung einer Esskultur überhaupt erst möglich gemacht, indem sie ein trockenes Holzstäbchen gegen einen Stamm rieben und dadurch Feuer erzeugten. Nebst dieser zivilisatorischen Großtat wussten unsere Urahnen auch eine weitere, wesentliche Begleiterscheinung des Feuermachens für sich zu nutzen: Rauchentwicklung. Die Erkenntnis, dass Rauch über einen langen Zeitraum aufsteigen kann, bevor das Holz sich entzündet, veränderte den Umgang mit Lebensmitteln damals entscheidend. Fisch und Fleisch konnten so nämlich nicht nur gegart, sondern durch den Räuchervorgang auch haltbar gemacht werden.
3,2 Millionen Jahre später erlebt die älteste Methode…
Fotos: Wolfgang Hummer, Jon Angelo Gjetting, Ditte Isager, Polyscience, thosa trade/www.farmer-grill.com, www.bradleysmoker.at, www.muurikka.co.uk, Shutterstock
Man mag den steinzeitlichen Vorfahren des Homo sapiens ja so einiges an wenig zivilisierten Qualitäten nachsagen. Fakt ist aber: Lucy und Ötzi haben unter anderem die Entstehung einer Esskultur überhaupt erst möglich gemacht, indem sie ein trockenes Holzstäbchen gegen einen Stamm rieben und dadurch Feuer erzeugten. Nebst dieser zivilisatorischen Großtat wussten unsere Urahnen auch eine weitere, wesentliche Begleiterscheinung des Feuermachens für sich zu nutzen: Rauchentwicklung. Die Erkenntnis, dass Rauch über einen langen Zeitraum aufsteigen kann, bevor das Holz sich entzündet, veränderte den Umgang mit Lebensmitteln damals entscheidend. Fisch und Fleisch konnten so nämlich nicht nur gegart, sondern durch den Räuchervorgang auch haltbar gemacht werden.
3,2 Millionen Jahre später erlebt die älteste Methode, um Lebensmittel zu konservieren, ein Revival in der Sterne- und Spitzengastronomie. Selbstredend, dass die Aromatisierung von Speisen der Haltbarmachung den Rang abgelaufen hat. An die Stelle mittelalterlicher Methoden des Indoor-Räucherns über offenen Feuerstellen sind moderne Räucheröfen und handliche Kleingeräte getreten. In allen möglichen Varianten mit dem viel zitierten Feuer zu spielen, gehört für Sterneköche rund um den Globus mittlerweile ganz selbstverständlich zum Küchenalltag. Die Methoden, Tools und Räuchermaterialien, um Fleisch, Fisch, Gemüse oder sogar Schokolade mit Qualm in neue geschmackliche Höhen zu pushen, könnten indes nicht vielfältiger sein. In René Redzepis noma werden etwa Wachteleier über Heu geräuchert, die Schweizer 2-Sterne-Köchin Tanja Grandits wiederum setzt auf mit Lavendel und schwarzen Teeblättern geräucherte Entenbrust und für Sternekoch Nils Henkel gibt es kein feineres Aromenspiel als jenes zwischen Seesaibling und Buchenholzrauch.
Mindestens ebenso facettenreich wie das kulinarische präsentiert sich mittlerweile auch das Hardware-Repertoire – das wohl überlegt gewählt sein sollte. Denn zum einen hat nicht jeder zufällig gerade 30.000 Euro oder mehr für einen vollautomatisch gesteuerten Edelstahl-Alleskönner bei der Hand, und zweitens kann auch eine Rauchpfanne um 100 Euro ihren Dienst mehr als zufriedenstellend tun. Wer bei der Fülle an Raucherzeugern trotzdem nicht fündig wird, der kann sich wie Nils Henkel ja immer noch auf Marke Eigenbau verlassen. Vielfältige Anwendungsgebiete, eine schier grenzenlose Palette an Gadgets und uneingeschränkte aromatische Starqualitäten: Das alles klingt verlockend einfach, ist es aber nicht. Denn Räuchern ist ein verhältnismäßig komplexer Vorgang. Um hochwertigen Rauch zu erzeugen und die Auswirkungen des Räucherns auf Geschmack und Erscheinungsbild besser unter Kontrolle zu halten, lohnt es also, die Köpfe noch vor dem Holz rauchen zu lassen.
Heiß-kalte Liebe
Das intensive, komplexe Aroma geräucherter Speisen ist flüchtigen Verbindungen, sogenannten Phenolen, zu verdanken. Sie entweichen aus glimmendem Holz und verleihen dem Räuchergut die typischen Vanille-, Gewürznelken- und süß-würzigen Erdaromen. Welche Intensität diese Aromastoffe entwickeln, hängt maßgeblich von der Temperatur, bei der geräuchert wird, ab. Grundsätzlich wird zwischen Kalt-räucherung und Heißräucherung unterschieden. Bei der Heißräucherung liegt der Temperaturbereich zwischen 50 und 85 °C, die Vanille- und Gewürznoten treten in diesem Bereich stark in den Vordergrund. Heiß geräuchertes rohes Fleisch oder Fisch sind allerdings weit weniger lang haltbar als kalt geräucherte Produkte. Wurst, Schinken, Speck oder Fisch werden deshalb vorwiegend kalt, also bei Temperaturen von 20 bis 30 °C oder darunter, geräuchert. Kaltrauch-Aroma ist darüber hinaus etwas dezenter, weshalb in der Spitzengastronomie fast ausschließlich auf diese Art geräuchert wird.
Auch der deutsche Sternekoch Nils Henkel setzt auf kalten Rauch. „Für mich gibt es keine Alternative zum Kalträucherverfahren“, erklärt Henkel. „Die Aromen, die sich bei Zimmertemperaturen zwischen 15 und 25 °C entwickeln, sind wesentlich feiner ausgeprägt, und das ist für die gehobene Küche unerlässlich.“ Henkel räuchert mit Vorliebe über Buchenholzspänen unter Zugabe von Gewürzen wie Wacholder, und räumt neben Fisch und Rindfleisch auch Gemüse wie Auberginen, Sellerie oder Pürees viel Platz in seinem Räucherofen ein. Henkels ultimativer Geschmacksbooster-Tipp für Fleischfans: geräuchertes und portioniertes Rinderfilet einfach noch einmal ins Vakuum packen und Sous-Vide-Garen. Den exakt gegenteiligen Weg gehen die Food-Wizards des Nordic Food Lab rund um Lars Williams. In ihre selbst gebastelte Räucherkammer wandern vorwiegend Wildtauben, die vorab zwei Tage mit verschiedensten Gewürzen, Birkensirup und Salz vakuumiert und mariniert, danach zwei Tage lang kalt geräuchert und anschließend noch einmal bei 6 °C einen Tag lang im Kühlschrank gelagert werden.
Feuchtgebiete
Beim Einfangen des perfekten Raucharomas spielt neben einer möglichst rigiden Temperaturkontrolle auch die Feuchtigkeitskontrolle eine entscheidende Rolle. Das Räuchergut muss gerade so feucht gehalten werden, dass die Aromadämpfe aufgenommen werden und nicht abtropfen. Da mit Holzrauch die gewünschten 70 bis 80 Prozent Luftfeuchtigkeit nicht erreicht werden können, muss zusätzlich Feuchtigkeit erzeugt werden. In modernen Räucherkammern geschieht dies über die Zufuhr von Wasserdampf, Otto Normal-Räucherer können auch mit einem ordinären Schälchen Wasser in der Räucherkammer arbeiten. Einer der Chef-Tüftler des Nordic Food Lab, Julius Schneider, schwört auf eingeweichte Holzchips: „Für unseren Speck lassen wir Holzchips 30 Minuten lang in Wasser ziehen und legen sie dann auf die heiße Kohle. Nach einer Stunde holen wir den Speck bei 65 °C Kerntemperatur aus der Kammer. Das Ergebnis ist grandios.“
Wo wir gerade von Holz sprechen: Es ist und bleibt der unangefochtene Star unter den Zundern, wobei Laubhölzern der Vorzug zu geben ist, da sie eine intensivere Farbe und kräftigeres Aroma liefern. In Amerika steht das süßliche Hickory hoch im Kurs, im Norden bevorzugt man Erle oder Birke und in Mitteleuropa führt kaum ein Weg an Buche vorbei. In der Fine-Dining-Szene haben sich mittlerweile aber auch Kombinationen aus Hölzern und Gewürzen, Heu oder Kräutern durchgesetzt. Alles, was Sie sonst noch wissen müssen, um es in oder rund um Ihre Küche so richtig aufrauchen zu lassen? Wir verraten es Ihnen auf den nächsten Seiten.
Räuchern Step by Step
Miles Watson von Pure Berlin räuchert „Labskaus 2.0“ mit einer Smoking Gun
Kammer befüllen
Der mit der Smoking Gun verbundene Schlauch wird in eine Plexiglas-Kammer eingeführt. Darin befinden sich Rote-Bete-Tee, eingelegter Hering, Gurke, eingelegte Wildgänseleber und ein mit diesen Zutaten gefüllter Rote-Bete-Meringue.
Rauch einleiten
In die Räucherkammer der Pistole werden Barriqueholz und Tee eingefüllt. Danach wird die Flamme des Streichholzes so lange an das Räuchermaterial gehalten, bis es zu glühen beginnt. Der Rauch wird über den Schlauch in die Kammer geleitet.
Räuchern
Der Räuchervorgang dauert je nach gewünschter Intensität des Raucharomas zwischen einer und drei Minuten. In diesem Fall wird die Kammer nach einer Minute geöffnet. Dieser Vorgang kann natürlich auch direkt vor dem Gast vollzogen werden.
Servieren
Der geräucherte, gefüllte Rote-Bete-Meringue wird mit temperiertem Eigelb, Chioggia- sowie roten, gelben und weißen Rüben serviert. Vor dem Gast wird das Gericht mit einem Tee aus Algin, Darjeeling, Rote-Bete, Mirepoix und Pilzen übergossen.
Zündstoff für die Raucher-Debatte
Für diesen Zunder werden Ihre Gäste brennen – und zwar vor Begeisterung.
Tee, Gewürze & Kräuter
Die besonderen aromatischen Eigenschaften von grünem und schwarzem Tee sowie Teeblättern machen sie zum perfekten Räucherwerk. Gemeinsam mit Gewürzen wie Wacholder oder Lavendel eignet Tee sich insbesondere für das milde Räuchern von Fisch und Geflügel in einer Räucherpfanne oder einem Wok. Wacholder, Lorbeer, Rosmarin oder Muskatblüten entwickeln ein sehr kräftiges Aroma und sollten deshalb mit Bedacht eingesetzt werden. Thymian, Majoran oder Salbei eignen sich ebenso für leichtes Räuchern.
Perfekt für: Geflügel, Wildgeflügel und Fisch.
Hölzer
Die Bandbreite an möglichen Holzarten, die sich zum Räuchern eignen, ist enorm. Für das Räuchern mit Obsthölzern eigenen sich Apfel und Birne besonders. Das kräftige Aroma der Buche veredelt Schinken und Fisch, insbesondere Aal. Für sehr kräftige Aromen eignet sich Eichenholz, da es besonders dichten Rauch erzeugt. In Skandinavien werden zum Räuchern von Geflügel und Fleisch vorwiegend Birke oder Pappel verwendet.
Perfekt für: Fleisch, Gemüse, Milchprodukte, Fisch
Rebholz
Traditionellerweise wird Rebholz zum Räuchern von Lamm, Geflügel, Fisch und Schweinefleisch in den großen Weinbau-Nationen Spanien, Italien und Frankreich, aber auch den USA verwendet. Rebholz bringt leichte, süß-fruchtige Noten hervor, wobei Rotweinreben ein etwas intensiveres Aroma hervorbringen als Weißweinreben.
Perfekt für: Lamm, Fisch, Schweinefleisch
Heu
Heu, beziehungsweise eine Mischung aus unterschiedlichen Heuarten, ist das perfekte Indoor-Räucherwerk. Man kann es ganz einfach in einer Pfanne oder einem Topf gemeinsam mit weiteren Gewürzen wie Thymian oder Rosmarin verwenden. Heu eignet sich hervorragend zum Räuchern von Eiern, Milchprodukten, Knollengemüse oder Desserts wie Parfaits oder Crème brulée. Ein besonders feines Aroma verleiht Heu auch Rohschinken und Meeresfrüchten.
Perfekt für: Gemüse, Meeresfrüchte, Desserts
Trends & Tools
Räucherofen
Die Preisspannen bei Räucheröfen sind enorm, für die Anwendung in der Spitzengastronomie sind gute Mittelklassegeräte jedoch völlig ausreichend. Räucheröfen werden über eine Förderschnecke mit Holzpellets oder Briketts befeuert. Profi-Geräte sind sowohl für Kalt- als auch Heißräuchern geeignet und ermöglichen eine relativ genaue Temperaturregelung in der Räucherkammer. Verhältnismäßig handliche und hochwertige Geräte bietet etwa die Firma Bradley.
Preis: ab 400 Euro
BBQ-Smoker
Für Outdoor-Räucherfans und Caterer, die ihren Gästen eine willkommene Abwechslung zu klassischem Grillfleisch servieren möchten, ist ein BBQ-Smoker die richtige Wahl. Die Geräte wie jenes der Firma farmer grill verfügen über eine Garkammer in Form eines Räucherkamins und eine separate Heizkammer, die Betriebstemperatur lässt sich von 50 bis 300 °C regulieren.
Preis: ab 3000 Euro
Smoking Gun
Räucherpistolen eignen sich vor allem zum Aromatisieren und dezenten Räuchern von Gerichten und Produkten, die im Räucherofen nur schwer zu räuchern sind, also etwa Austern, Schokolade, Sorbets oder Cocktails. In die Räucherkammer können unterschiedlichste Arten von Holzchips, aber auch Gewürze eingefüllt werden.
Preis: Profi-Tools wie die Smoking Gun von Polyscience sind ab 90 Euro zu haben. Räucherspäne in den Sorten Apfel, Hickory, Mesquite und Kirsche gibt’s ab 7 Euro pro 30-Gramm-Gläschen.
Räucherpfanne
Für Kalt- oder langes Heißräuchern eignen sich Räucherpfannen zwar nicht, aber für das leichte Räuchern von Fisch, Fleisch und Gemüse sind die einfach zu handhabenden und kostengünstigen Pfannen gut geeignet. Sie können auf Elektro- und Gasherden sowie auf Grills verwendet werden und mit Räucherspänen ebenso wie mit Gewürzen oder Tee befeuert werden.
Preis: ab 80 Euro