Warum Premixes die Zukunft der Barszene sind
Schnelles Arbeiten und präzises Abmischen
Die Barwelt hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteile sind gewiss voll besetzte Bars inklusive Gästen mit einer Erwartungshaltung, als hätte so manche Bar einen noma-Ableger im Keller. Nachteile sind das sogenannte Startendertum: ein Mischwerk aus Medien und Auszeichnungen, das immer wieder und mit Fug und Recht zu dem Phänomen des selbstbewussten Bartenders führt. Zum Star des Abends, der mit Charme und einer flinken Hand bezaubert und so manchen Gast zur Verzückung bringt.
Gehört ja alles dazu, mag man meinen, schließlich besteht ein schöner Abend aus vielen Elementen. Immer mehr Bartender allerdings finden, dass hierbei etwas Elementares fehlt: der Cocktail und die Gastlichkeit. Die Macher der Berliner Kultbar Velvet wissen, wovon sie sprechen, wenn es um diese Themen geht – hat sie doch sowohl eine Auszeichnung als Bar des Jahres als auch für den Bartender des Jahres im Ärmel.
Schnelles Arbeiten und präzises Abmischen
Die Barwelt hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteile sind gewiss voll besetzte Bars inklusive Gästen mit einer Erwartungshaltung, als hätte so manche Bar einen noma-Ableger im Keller. Nachteile sind das sogenannte Startendertum: ein Mischwerk aus Medien und Auszeichnungen, das immer wieder und mit Fug und Recht zu dem Phänomen des selbstbewussten Bartenders führt. Zum Star des Abends, der mit Charme und einer flinken Hand bezaubert und so manchen Gast zur Verzückung bringt.
Gehört ja alles dazu, mag man meinen, schließlich besteht ein schöner Abend aus vielen Elementen. Immer mehr Bartender allerdings finden, dass hierbei etwas Elementares fehlt: der Cocktail und die Gastlichkeit. Die Macher der Berliner Kultbar Velvet wissen, wovon sie sprechen, wenn es um diese Themen geht – hat sie doch sowohl eine Auszeichnung als Bar des Jahres als auch für den Bartender des Jahres im Ärmel.
Für letzteren, das ist Ruben Neideck, ist die Antwort auf die Frage nach den Bartrends der Stunde daher klar: „Das sind Premixes auf hohem Niveau: schnelles Arbeiten, präzise Abmischung komplexer Aromenkonstrukte und weg von der Show des Mixers am Abend. Sie ermöglichen komplexe Drinks mit wesentlich mehr Zutaten und sorgen außerdem für Spaß am Gaumen, der schnell an den Tisch kommt und dem Barmenschen Zeit für’s Gastgeben statt für’s Gutaussehen gibt.”
Vom Schirmchen zum Shrub
Im Grunde zeigt es der Cocktail-Emoji recht kompakt: Die Kultur des Cocktails, das war lange Zeit Tom Cruise als shakender Bartender am Strand im gleichnamigen Film, das war Tequila Sunrise mit Rot-gelb-Verlauf und der staunende Gast. Im Emoji-Falle tatsächlich mit Cocktailglas, Maraschino-Kirsche, Schirmchen und einer kiwiesquen Frucht.
Das Mischen der Drinks war prinzipiell wenig anspruchsvoll, das Garnieren indes bunt und eine visuell angenehme Nebenbeschäftigung zum Gespräch. Mit Aufkommen und Verbreitung beispielsweise der Molekularküche, der Pionierarbeit im legendären noma Foodlab und des damit auch entstehenden Bestrebens, Zutaten saisonal, lokal und am liebsten sogar selbst gesammelt zu verwenden, wurde das anders.
Die Zutatenliste wurde größer, die Zubereitungsweise komplexer und die Möglichkeiten beinah unendlich. Natürlich kann Neideck seine Drinks auch an Ort und Stelle und live zubereiten. Allerdings würde das ewig dauern und die Zutaten wären nicht frisch, schließlich braucht es vom Baum ins Glas Stunden oder sogar Tage.
Jene hausgemachten Zutaten, zum Beispiel Shrubs, enthalten die frisch verarbeiteten Produkte und stehen dem Gast zur Verkostung frei. „Allerdings mixen wir alle anderen, ausschließlich klaren Zutaten schon ab und schreiben dann auf, wie viel es von diesem Mix braucht. Das erlaubt uns – und das ist der Regelfall –, Drinks mit acht bis zwölf Zutaten anzubieten. Zusätzlich wird das Abmessen von Kleinstmengen sehr intensiver Zutaten möglich, weil dies nicht mehr in Hektik geschieht“, so Neideck. Und wir sprechen hier in der Tat von „drei Tropfen hiervon, sieben Tropfen davon.“ Und das ist vom Schirmchen ein ganzes Stück entfernt.
Bezahlt ist bezahlt
Richten wir den Blick gen Norden. Denn auch in der Andre Til Høyre Bar in Oslo arbeitet man mit Premixes. Die Bar liegt im Herzen der Altstadt, um die Ecke steht das sagenumwobene Himkok und man schüttelt am Puls der Zeit. Wie es schon in unseren Breitengraden kein deutsches Wort dafür gibt, haben auch die Norweger keines – dafür aber ein anderes: Hier spricht man von „prebatched“ Drinks. Und zwar in Reinform: „Nun, hundert Prozent unserer Cocktails sind vorgemixt. Das ist eine riesengroße Zeitersparnis“, so Chefbartender Xuseen Simon-Miskell.
Die von Designern eingerichtete und ebenfalls mehrfach ausgezeichnete Bar hat in den vergangenen Jahren medial viel Rückenwind erfahren und weiß wochenends jedwede Möglichkeit des Zeitsparens zu schätzen. Im Gegensatz zur Velvet Bar ist es hier der reine Zeitfaktor. „Es geht darum, dass wir extrem viel Zeit sparen und der Gast natürlich auch seinen Drink schneller bekommt.“ Nun könnte man sich ja vorstellen, dass so mancher Gast trotzdem gerne zusehen würde, wie sich die Flüssigkeit von Gefäß zu Gefäß bewegt, wie geschnitten, gestampft und geschüttelt wird.
Dafür wurde schließlich mitbezahlt, so könnte man meinen. Bei Simon-Miskell allerdings hat sich noch kein Gast beschwert. „Zum einen wollen die Gäste ihre Drinks vor allem schnell und zum anderen machen wir manche Drinks schon auch von Hand. Zum Beispiel klassische Cocktails, die nicht auf der Karte stehen. Und es bleibt ja noch immer schön anzusehen, wie die Flüssigkeiten miteinander vermengt, wie garniert wird.“ Außerdem sind das Einzige, was hier prebatched wird, die Spirituose und das Süßungsmittel; keine Zitrone.
Etwas anders ist die Vormix-Stimmung in Moskau. Kopf der Moscow Barshow Arina Nikolskaya hat in ihrer langen Laufbahn am Tresen keinerlei Erfahrung mit vorgemischten Cocktail-Komponenten gemacht. „Ich war selbst nie Bartenderin und kann das Geschehen daher nur von der anderen Seite und dem Kontakt zur Szene wiedergeben”, erzählt sie.
„Zum Beispiel als wir vor einigen Jahren ins Londonder White Lyan gefahren sind: Ich glaube, dass die Gäste vor Ort sehr wohl auch für die Show bezahlen, wenn man es denn so nennen will. Ich persönlich sehe das so: Zu sehen, wie ein Bartender seine Drinks zubereitet, ist ein ziemlich großer Anteil des abendlichen Erlebnisses, meines Verhältnisses zum Bartender und der persönlichen Note, die dem Barbesuch so vermittelt wird. Wenn dieses Element entfernt wird, fehlt mir ein Teil der Wahrnehmung.“
Und fürwahr ist das White Lyan ein ganz hervorragender Ort, um diese Belange zu besprechen, so man hier ausschließlich vorgemixte und in Flaschen abgefüllte Drinks serviert bekommt. Muss man mögen, polarisiert und das ist so gewollt. Und ohne ein solches Konzept stringent umzusetzen, gewinnt man eben auch keinen International Pre-Mixed Cocktail Award.
Zeit, Zutat und Zuwendung
Dieser Trend wird auch von Berlin aus gesichtet, und das nicht nur durch die Fenster des Velvet. Konstantin Hennrich ist Eigentümer der Stairs Bar und bezieht klar Position: „Meiner Meinung nach geht der Trend hinter der Bar definitiv in Richtung batched Cocktails und Premixes; und das hat mehrere Vorteile“, so Hennrich. Neben dem bekannten Zeitaspekt steht für Hennrich vor allem der Beratungs-, ja der Zuwendungsfaktor am Gast im Fokus. „Vielleicht fehlen dann dem einen oder anderen Gast die Kunststücke“, räumt er ein, fügt aber hinzu, dass der Drink ja meist nicht komplett fertig aus der Flasche ins Glas komme, sondern dass es in der Regel um Zutaten gehe, die gemischt deutlich besser haltbar seien.
Außerdem kämen ja noch die frischen Zutaten hinzu, „und so hat der Gast trotzdem das Gefühl, seine Show bekommen zu haben“, sagt Hennrich. Aber auch komplett gebatchte Drinks könnten seinem Gefühl nach gut beim Gast ankommen – wie es White Lyan erfolgreich vormacht. Hennrich praktiziert das zum Teil: „Nehmen wir zum Beispiel einen Negroni, den die Crew portionsweise in eine schöne Flasche abgefüllt hat. Der Drink ist dann komplett fertig und wird mit der Flasche, einem schönen Tumbler und einem klaren Ice Cube auf einem Tablett an den Tisch gebracht. Jeder Gast freut sich über diese Art der Präsentation.“ Er selbst hat in der Bar 90 Prozent seiner Drinks bereits abgefüllt – zum Beispiel den Some call it Daisy.
Wo schaut Hennrich hin, wenn er nicht auf gegenwärtige Trends, sondern in die Zukunft blickt? Seiner Meinung nach geht es mit Tap Cocktails weiter: Hier werden die Drinks prebatched und müssen anschließend nur noch gezapft werden. Gemeinsam mit Freund und Kollege Kersten Wruck hat er ein Zitruswasser kreiert, das sich für ebensolche vorgefertigten Drinks bestens eignet, da es die Zutaten homogenisiert. Ein bisschen so wie beim Milkpunch, wo die Zutaten ebenfalls durch ein zeitaufwendiges Mise en Place so miteinander vermengt werden, dass Zeit am Gast geschaffen, dabei allerdings weniger Abfall generiert und allgemein ein intelligenter Logistikzirkel zwischen Zeit, Zutat und Zuwendung zum künftigen Cocktailbesitzer bewerkstelligt werden kann. Treffer, versenkt.