Konservierung: Vergärt’s Gott!
Ohne Hexerei
Wer bei dem Wort Konservierung an Zusatzstoffe aus dem Labor denkt, der hat sich noch nie wirklich darüber Gedanken gemacht. Denn Konservierung bedeutet nichts anderes, als Verderbliches länger als ein paar Stunden oder Tage haltbar zu machen.
Nichts verdirbt in wenigen Stunden? Doch! Wenn es nicht im Kühlschrank liegt, wird Geflügelfleisch in der Hitze des Küchengefechts sicher schneller die Küche auf seinen eigenen Beinen wieder verlassen, als es so manchem Koch lieb wäre. Und jetzt halt dich fest: Kühlen ist auch eine Art von Haltbarmachen.
Und das ganz ohne Hexerei aus dem Labor. Wobei auch die gar nicht so außerirdisch und gefährlich ist, wie es gerne auf Verbraucherseite verkauft wird. Die Medaille oder in hiesigem Fall die Konservendose hat immer zwei Seiten.
Ohne Hexerei
Wer bei dem Wort Konservierung an Zusatzstoffe aus dem Labor denkt, der hat sich noch nie wirklich darüber Gedanken gemacht. Denn Konservierung bedeutet nichts anderes, als Verderbliches länger als ein paar Stunden oder Tage haltbar zu machen.
Nichts verdirbt in wenigen Stunden? Doch! Wenn es nicht im Kühlschrank liegt, wird Geflügelfleisch in der Hitze des Küchengefechts sicher schneller die Küche auf seinen eigenen Beinen wieder verlassen, als es so manchem Koch lieb wäre. Und jetzt halt dich fest: Kühlen ist auch eine Art von Haltbarmachen.
Und das ganz ohne Hexerei aus dem Labor. Wobei auch die gar nicht so außerirdisch und gefährlich ist, wie es gerne auf Verbraucherseite verkauft wird. Die Medaille oder in hiesigem Fall die Konservendose hat immer zwei Seiten.
Einmachgläser für den Weltfrieden
Weniger Lebensmittel wegzuschmeißen, ist sicher ein guter Grund, sich mit dem Thema Konservierung auseinanderzusetzen. Dafür muss man sich nur einen guten Plan zurechtlegen und wissen, was alles möglich ist. Dann stehen auf der Pro-Seite definitiv die Wirtschaftlichkeit (weniger Müll gleich weniger Geldverschwendung)und der Genuss (mit Selbstgemachtem können sich Köche von anderen absetzen, denn jede Rezeptur ist ein wenig anders).
Alain Weissgerber, Küchenchef im Restaurant Taubenkobel in Schützen bei Wien, das mit 18 Gault-Millau-Punkten dekoriert ist, startet schon im Frühjahr mit der Vorratsküche: „Der Frühling beginnt für uns im März. Immer am Donnerstag holen wir die frischen Produkte ein, bearbeiten, sortieren, waschen sie, um sie dann weiterzuverarbeiten. Wir konzentrieren uns jede Woche auf ein Produkt – eben das, was zu der Zeit Saison hat.“
Denn die wichtigste Regel beim Konservieren: Achte auf die Qualität und verwende nur reife Produkte. Faule Erdbeeren werden keine gute Marmelade. Ach? Marmelade ist auch Konservieren? Ja! Aber wie funktioniert das genau?
Wenn in einem Organismus weniger Zucker (oder Salz – damit geht es nämlich auch) enthalten ist als außen, wird das Wasser aus dem Organismus herausgezogen, um ein vermeintliches Gleichgewicht der Zuckerkonzentration im Wasser innen und außen herzustellen. Das nennt der Biologe Osmose. Weil aber in einem Organismus wie Bakterien, die sich über die Marmelade hermachen wollen, zu wenig Wasser drin ist, um das Gleichgewicht zu erreichen, vertrocknen und sterben sie ab.
Plus: Marmeladen werden im Glas eingekocht, was ein Vakuum erzeugt, damit erst gar kein Bakterienbefall (allerdings nur bis zum ersten Öffnen) entstehen kann. Das Auskochen von Lebensmitteln gegen Bakterien wird in der Industrie auf hohem Niveau praktiziert: Dann wird das Ganze Pasteurisieren genannt.
Dabei werden Produkte auf zwischen 60 und 100 Grad erhitzt, um Bakterien abzutöten. Das ist bei Eiern oder Milch vielleicht noch nachvollziehbar, bei anderen Produkten aber weniger.
Ralf Bos, Kopf und Namensgeber des Delikatessenhandels Bos Food in Meerbusch bei Düsseldorf, ist überhaupt kein Fan des Bakterien-Abkochens: „Mit der Pasteurisierung und Homogenisierung wird aus kulinarischer Sicht das Produkt nicht besser gemacht, sondern alles abgetötet, um es ewig haltbar zu machen. Aber es gibt auch drei positive Arten der Konservierung, die aus ebendieser kulinarischen Sicht durchaus sinnvoll sind.“
Bos: „Dazu zählt für mich das Einfrieren von sehr frischen Produkten. Mit einem vorsichtigen Auftauvorgang und dem direkten Verzehr ist es sicher besser, als Salat oder Gemüse zehn Tage nicht im Tiefkühler zu lagern. Außerdem sind dafür keine Zusatzstoffe nötig. Positiv-Beispiel Nummer zwei: Manchmal verändert die Konservierung ein Produkt zu etwas Gutem. So wie bei der Fermentation, dem Räuchern oder Pökeln. Es wird ein neues Produkt mit neuen Geschmacksnuancen und kulinarisch wertvoller wie Kaffee, Kakao oder Sauerkraut. Beispiel Nummer drei: Kaviar und Ölsardinen schmecken ausschließlich, wenn sie zuvor in Dosen eingelegt und konserviert wurden. Hier ist die Konservierung eine Veredelung des Ausgangsproduktes.“
Genauso gibt es grausame Wege, einem frischen Produkt den Todesstoß zu geben, indem man versucht, es möglichst lange haltbar zu machen. Pesto ist beispielsweise einfach nicht dafür geschaffen, ewig haltbar zu sein. Es verliert die Farbe, schmeckt ranzig und sicher nicht nach Weltklasse so wie das frisch zubereitete. Bos: „Hier versucht die Industrie, mit Pasteurisierung oder sogar Sterilisierung das Produkt länger als ein paar Wochen haltbar zu machen. Außerdem verwenden sie häufig mindere Zutaten wie günstigere Walnüsse, Analogkäse oder Pflanzenöl. Plus: Zusatzstoffe für die Farbe, den Geschmack, die Haltbarkeit. Pesto geht als Konserve einfach gar nicht.“
Auf der Pro-Seite des Für und Wider der Konservierung hat Weissgerber einige kulinarisch und wirtschaftlich überzeugende Argumente: Wer im Frühjahr schon an den Winter denkt, muss in der tristen Jahreszeit als Saisonist nicht nur Kohl kochen.
Weissgerber: „Wir verwenden immer in der Saison einen Teil sofort, einen anderen Teil legen wir ein oder konservieren auf andere Weise. Beim Einlegen achte ich immer darauf, möglichst geschmacksneutral zu arbeiten, da ich ja im Prozess nicht weiß, wofür ich es später brauchen könnte. Ein neutraler Essig oder für Profis auch Obstessige. Wir trocknen auch, um so Tees und Infusionen herstellen zu können. Die Fermentation ist allerdings etwas für Fortgeschrittene.“
Sternekoch André Chiang aus Singapur und auch Sebastian Frank in Berlin machen sich mit dem Entsaften und Fermentieren von Säften oder Basen bei ihren Gästen beliebt. Das ist kulinarisch wertvoll, wie es Ralf Bos nennen würde.
Konserviertes für Anfänger
Für Anfänger empfiehlt Weissgerber: „Fang mit kleinen Mengen an. Meist kann man die Produkte schon nach einigen Tagen probieren und merkt schnell, ob an der Rezeptur gefeilt werden muss. Außerdem gibt es Gemüse und Obst, das leichter gelingt als anderes. Spargel ist wohl kein guter (und wirtschaftlicher) Start.“
Leicht zu habendes Gemüse wie Möhren, Radieschen, Gelbe Rüben, Kohlrüben gelingt auch dem untalentiertesten Anfänger. Die Regel: Festeres ist einfacher. Das gilt auch für Obst. Entsaften hingegen wird sicher bei den meisten nicht zum Problem.
Eingestochene Zitronen oder Orangen in Zucker oder Salz oder einer Lösung daraus eingelegt, sind auch einfacher umzusetzen als die kontrollierte alkoholische Gärung. Aber mit dem Ansetzen eines Glases ist es dann nicht erledigt. Weissgerber: „Kühl, dunkel und trocken muss Konserviertes gelagert werden.“
Mit E-Nummern im Clinch
Die richtige Lagerung ist besonders dann wichtig, wenn keine Zusatzstoffe enthalten sind. Die sind es allerdings, die Verbrauchern (meist trotz gesundheitlicher Unbedenklichkeit) Schweißperlen auf der Stirn bescheren. Hier gilt aber die Regel in der EU: Eine Zulassung für einen Zusatzstoff wird nur gegeben, wenn keine Gesundheitsrisiken bestehen, wenn der Zusatzstoff technisch notwendig ist und wenn die Verwendung nicht zu einer Täuschung des Verbrauchers führt. Zudem dürfen sie erst nach ausdrücklicher Zulassung verwendet werden.
Bos: „Die Angst vor E-Nummern ist in den meisten Fällen überzogen. Alles hat irgendwie eine E-Nummer, sodass es nicht möglich ist, sie in der Gastronomie ganz auszumerzen, Außerdem geben manche Zusatzstoffe wie Glutamat oder Texturgeber den richtigen Kick, weil sie den Geschmack breiter machen.“
Der Koch muss sich entscheiden: Will er alle Entscheidungen des Geschmacks der Industrie und ihren vorgekauten Produkten überlassen oder sich von der Masse, seiner Konkurrenz sowie der allgemeinen Hausfrau mit selbst gemachten Produkten abgrenzen?
Ralf Bos über die Diskrepanz zwischen Selbermachen und Zeitsparen
Bos: „Als Händler versuche ich, Produkte anzubieten, die wenige Zusatzstoffe enthalten, damit der Kunde, die Gastronomie, nicht so viel kennzeichnen muss. Zudem muss sich der Koch entscheiden: Will er alle Entscheidungen des Geschmacks der Industrie und ihren vorgekauten Produkten überlassen oder sich von der Masse, seiner Konkurrenz sowie der allgemeinen Hausfrau mit selbst gemachten Produkten abgrenzen?“
Wer sich also von der Meinung löst, dass Konservierung immer schlecht ist, wird belohnt. Natürlich sind diese Abgrenzung, die Planung im Jahr und das Arbeiten an den Rezepturen viel Arbeit, aber es wird von zufriedenen Gästen, der Unabhängigkeit im Winter und dem vollen Geldbeutel honoriert.