Frank Albers: Fleischvergleich

Tiefgekühltes vs. Frischfleisch: Alles über richtiges Handling, Marktentwicklung und das Zauberwort "Ex-Chilled".
August 31, 2017

Alles eine Frage der Handhabung

Tiefgekühltes Fleisch hat gegenüber Frischfleisch einen klaren Vorteil: Es ist wesentlich länger haltbar. Ein weiterer Grund, der für das zeitweise Verwenden von tiefgekühltem Fleisch spricht, ist, dass sich die natürlichen Zyklen der Landwirtschaft nicht nach unseren Verzehrgewohnheiten richten können.

frank albers

Schweine, Hühner, Ochsen und Lämmer sind nach einer klar bestimmten Zeit schlachtreif. Diese Rhythmen sind umso wichtiger, je höher das Qualitätsniveau der Ware ist. Absatzlöcher, die sich durch die sich laufend verändernde Nachfrage ergeben, können durch Einfrieren abgefangen und Versorgungsengpässe ausgeglichen werden.

Filets werden im Sommer wenig nachgefragt, sind daher zu dieser Zeit preiswert. Im Winter schießen die Preise in die Höhe, weil der Markt unterversorgt ist. Verwenden Sie tiefgekühltes Fleisch? Eher nicht? Ich vermute, Sie wollen Ihren Gästen trockene Steaks ersparen und zäh ist aufgetautes Fleisch oft noch dazu! Es geht auch anders. Wenn eigentlich hochwertige Ware nach dem Auftauen ihre Qualität verliert, liegt das nicht am Tiefkühlen an sich, sondern immer am falschen Handling.

Ich weiß aus Erfahrung, dass sogenannte Ex-Chilled-Tiefkühlware bei richtiger Handhabe in der Blindverkostung nicht von durchgehend bei über 0–2°C gelagerter Ware zu unterscheiden ist. Aber nun Punkt für Punkt: Ursprünglich saftiges Fleisch wird trocken, wenn es zu langsam, also bei zu hohen Temperaturen, eingefroren wird.

Der Grund hierfür ist, dass es im Fleisch zwei verschiedene Flüssigkeitsarten gibt: das Wasser in den Zellen (intrazellulär) und das Wasser um die Zellen herum (extrazellulär). In den Zellen befinden sich wesentlich mehr Feststoffe im Wasser als außerhalb, dadurch friert dieses langsamer (bei ca. –7°C). Wir kennen das alle vom Salzwasser.

Das extrazelluläre Wasser ist viel klarer und friert bereits bei etwas unter 0°C. Auch muss erst das Wasser um die Zellen gefroren sein, bevor das Wasser in den Zellen frieren kann. Ist die Tiefkühltemperatur zu hoch, nähren sich die Eiskristalle des extrazellulären, bereits gefrorenen Wassers immer weiter vom intrazellulären Wasser, wachsen langsam und zerstören dabei die Struktur des Fleisches.

Chemiestunde

Da sich die Feststoffkonzentration in den Zellen weiter steigert, wird das Gefriergefälle größer, der Prozess immer langsamer und die Zerstörung immer gravierender. Der Effekt dieser Plasmolyse ist, dass nach dem Auftauen sehr viel Fleischsaft einfach wegfließt. Diesen Saft hat man dann in großer Menge im Vakuumbeutel. Die Zellen sind stark dehydriert, das Fleisch trocken.

Zu langsames Einfrieren ist ein übliches Szenario in der Gastronomie. Wenn hier eingefroren wird, dann meist in einem verfügbaren Lagertiefkühler. Die Temperatur liegt meist um –18°C. Das Gerät wird aber im laufenden Betrieb durch das Rein- und Rausnehmen von Ware immer wieder geöffnet, wodurch die tatsächliche Einfriertemperatur noch höher ist.

Wird in der geschlossenen Originalverpackung eingefroren – vielleicht sogar im Karton –, wird das Eindringen der Kälte zusätzlich erschwert. Hinzu kommt, dass oftmals große Fleischstücke eingefroren werden, anstatt die Ware vorab zu portionieren. Offensichtlich hat dieses übliche Vorgehen den Ruf von tiefgekühlter Ware geschädigt. Aber Plasmolyse muss nicht sein.

Gegenmaßnahme: Schockfrieren bei möglichst tiefen Temperaturen. Wir haben getestet: zwei Rinderfilets gleicher Herkunft mit dem gleichen Reifegrad. Eines schockgefroren bei –50°C, das andere regulär bei +2°C gelagert. Nach dem Auftauen des gefrorenen Filets ergab der Abtropftest das exakt gleiche Ergebnis. Bei der Blindverkostung waren die beiden Stücke nicht zu unterscheiden. TK-Ware muss nicht trocken sein. Aber warum ist TK-Ware oft zäh? Wieder ist der Prozess schuld.

Reguläres TK-Fleisch wird direkt nach der Schlachtung eingefroren. Im eingefrorenen Zustand kann die Ware nicht weiterreifen, da die Enzyme, die das Weichmachen des Fleisches betreiben, durch die zu niedrige Temperatur ihre Arbeit einstellen. Lässt man das Fleisch aber erst reifen und friert es dann ein, ist das aufgetaute Fleisch so zart, wie man es von der beschafften Warenqualität erwartet. „Ex-Chilled“ heißt hier das Zauberwort.
www.albersfood.de

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