Flaschenweise Unsinn
Irgendwo im Hirn des Feintrinkers hat sich die wahnsinnige Idee verfestigt, dass jedes Lebensjahr des Weines eine Stunde in der Karaffe einfordert. Heißt für die Anhänger dieser hirnrissigen Theorie, dass ein 50-jähriger Weinmethusalem, dem bereits unendlich viele Zeit zum Reifen, Dahinsiechen und Sterben vergönnt war, noch ca. 150 Tode (durch Sauerstoffschock!) durchleben darf.
Im Regelfall sind 1 bis 2 Stunden in der Karaffe vollkommen ausreichend. Achtung – nicht nur Rotwein wird umgefüllt, auch Weißer und Süßer brauchen manchmal Luft. Eben jeder Wein, der noch Kraft hat, viel Potenzial, sich zugeknöpft und verschlossen zeigt.
Wer nun glaubt, dass es zum Belüften genügt, ganz einfach den Korken zu ziehen, täuscht sich schon wieder gewaltig…
Irgendwo im Hirn des Feintrinkers hat sich die wahnsinnige Idee verfestigt, dass jedes Lebensjahr des Weines eine Stunde in der Karaffe einfordert. Heißt für die Anhänger dieser hirnrissigen Theorie, dass ein 50-jähriger Weinmethusalem, dem bereits unendlich viele Zeit zum Reifen, Dahinsiechen und Sterben vergönnt war, noch ca. 150 Tode (durch Sauerstoffschock!) durchleben darf.
Im Regelfall sind 1 bis 2 Stunden in der Karaffe vollkommen ausreichend. Achtung – nicht nur Rotwein wird umgefüllt, auch Weißer und Süßer brauchen manchmal Luft. Eben jeder Wein, der noch Kraft hat, viel Potenzial, sich zugeknöpft und verschlossen zeigt.
Wer nun glaubt, dass es zum Belüften genügt, ganz einfach den Korken zu ziehen, täuscht sich schon wieder gewaltig. Diese Übung bewirkt absolut nichts, da die Angriffsfläche für den Sauerstoff viel zu klein ist. Soll Luft an den Wein, muss ein Achterl aus der Bouteille gegossen werden. So sollte dann ein Sauerstoffreservoir bis zur unteren Schulter (also bis zur breitesten Stelle) entstehen.
So eine Frechheit! Der Winzer hat mir den Wein als trockenen verkauft und jetzt kleben da Zuckerkristalle am Korken! Freund der Berge – freue dich, das ist simpler Weinstein. Grob gesagt, überschüssige Säure, die sich in kristalliner Form am Flaschenboden oder Korken absetzt. Der Weinstein fällt immer dann aus, wenn der Wein zu lange zu kalt gelagert wurde. Damit der Konsument nicht zu Trugschlüssen kommt, nimmt der Weinbauer die Weinsteinausscheidung vor und kühlt seine Tanks auf ca. 0 Grad ab. Nun fällt zwar der Weinstein aus, die Prozedur nimmt aber auch Säure und Aroma weg.
Alle Weine sind gezuckert! Nein – nicht alle, aber viele. Vielleicht ist den Verbreitern dieser Schreckensnachricht aufgefallen, dass der inkriminierte Wein aber schon gar nicht süß geschmeckt hat. Wie das nun? Bekommen die Reben nur wenig Sonne ab, bildet sich wenig Fruchtzucker in den Trauben. Bekanntlich wird bei der alkoholischen Gärung dieser Fruchtzucker durch Hefen in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Die einfache Formel: Wenig Zucker bedeutet wenig Alkohol. Daher erlaubt der Gesetzgeber die Aufbesserung/Chaptalisation des Traubenmostes. Der zugesetzte Zucker bringt mehr Alkohol. Das Geschmacksbild des Weines ändert sich nur insofern, als er durch das Mehr an Alkohol fülliger, runder, voller daherkommt als es die Natur vorgesehen hat.
Finger weg von Weinen aus schwachen Jahrgängen! Ich habe einige großartige Flaschen im Keller, viele darunter aus als „durchwachsen“ eingestuften Jahren wie etwa 1984 oder 2005. Wie überall im Leben gilt – Verallgemeinerungen und Vorurteile sind nicht unbedingt Quellen der Kennerschaft und Weisheit. Ein schwaches Jahr in der Wachau heißt nicht, dass es in Gols keine perfekten Roten geben könnte. Ein mageres Jahr in Rheinhessen schließt nicht aus, dass in Bordeaux große Weine heranreifen. Aber man braucht gar nicht derart großräumig zu denken – die Mikroklimata, die Qualität der Arbeit in Weingarten und Keller, die lokalen Wetterbedingungen etc. führen manchmal zu absurd unterschiedlichen Ergebnissen in Betrieben, die nur wenige Kilometer Luftlinie voneinander entfernt liegen.
Oft hört man: „Ein Wein mit Schraubverschluss kommt mir nicht ins Haus, ich kaufe nur verkorkte Weine!“ Und damit die Katze im Sack. Der Anteil an korkkranken Weinen wird auf 2 bis 10 % geschätzt. Je nachdem, ob da Korkproduzenten am Schätzen sind oder sensible Sommeliernasen. Die Weinerzeuger jedenfalls haben weltweit auf das Problem reagiert. Weine um 80 Euro und mehr sind jetzt mit Schrauber, Kronenkork oder Glasstopfen versehen.
Spät- und Auslesen sind immer süß! Obacht, Obacht. Die Namen Spätlese, Auslese, Beerenauslese etc. geben nur Auskunft darüber, wie viele Grade Klosterneuburger Mostwaage (KMW) die Traubenmaische hatte. Klingt kompliziert, meint aber nur: Ein Traubenmost mit z. B. 19 KMW enthält 19 % Zucker oder 19 dag Zucker je Liter. Und mit 19 KMW Ausgangsmostgewicht heißt das vergorene Endprodukt nun eben Spätlese, Auslese meint 21 KMW, zum Kabinett wird ein Wein mit 17 KMW. Wie viel von diesem Traubenzucker nun zu Alkohol vergärt und wie viel als Restzucker im Wein verbleibt, entscheidet der Weinhauer. Eine Spät- oder Auslese könnte uns also durchaus als trockener Wein entgegentreten. Ein kräftiger Rotwein (ab 13 Vol.-%) ist also meistens im Bereich einer Spät- oder Auslese angesiedelt. Was der Winzer aber nicht aufs Etikett schreiben wird. Er wertet seinen Wein ab – zu einem Qualitätswein z. B. Denn der Konsument hört ja bei Spät- oder Auslese auf dem Etikett sofort die süßen Glocken läuten.
infos und irrtümer
Dekantiert wird Wein, um die Flüssigkeit vom Depot (ausgefallene Farbstoffe und Tannine) zu trennen.
Belüftet wird Wein, um eine Art Alterung im Zeitraffer zu imitieren. In den meisten Fällen genügen 1–2 Stunden.
Achten Sie bei der Wahl der Karaffe auf die Größe der Lufteintragsfläche.
Weinstein ist Natur pur! Und ein Hinweis darauf, dass der Produzent dem Wein einen Eingriff erspart hat.
Zucker, der vor der Gärung zum Most kommt, erhöht lediglich den Alkoholgehalt.
Auch aus kleinen Jahrgängen können große Weine kommen.
Schrauber und Kronenkork sind die besten aller möglichen Weinverschlüsse. Einziger „Nachteil“: Der Wein reift langsamer.
Ausgangsmostgewicht und Restzucker sind zwei Paar Schuhe.