Die Evolution der Fusion
Die Fusionsküche, oder: Eat the World
Wenn man an Begrifflichkeiten wie Wirtschaftsfusion oder Kernfusion denkt, kommt man nicht umhin zu gestehen, dass Fusionen oftmals einen negativen Touch haben. Angesehen ist die Fusion jedoch ohne Wenn und Aber im Bereich der Gastronomie.
Die Vermischung verschiedenster Kochstile, die Kombination aus Einflüssen und Zutaten von rund um den Globus ist aus unseren heutigen Küchen nicht mehr wegzudenken.
Vorreiter in Sachen fusion cooking waren die USA mit der Etablierung der California Cuisine, bevor der Trend England und in weiterer Folge ganz Europa überschwappte. Böse Zungen mögen behaupten, dass es kein Wunder ist, dass ausgerechnet diese beiden Länder die Fusionsküche auf ein Podest gehoben und wie die Entdeckung des Heiligen Grals gefeiert haben.
Denn die ursprüngliche amerikanische und britische Heimatküche genossen in der Geschichte nicht unbedingt den kulinarischen Ruf Frankreichs oder Italiens.
Interessantes Detail am Rande: Letztere beiden Länder haben die Fusionsküche lange Zeit als Konfusionsküche geschmäht. Aber beim fusion cooking sollte man sich keinen falschen Vorstellungen hingeben, es ist nämlich keine bahnbrechende Erfindung der 1970er- und 1980er-Jahre – obgleich es in diesem Zeitraum als solche benannt wurde –, sondern geht um einiges weiter zurück.
Der Münchner Autor, Food-Journalist und Kulturwissenschaftler Dr. Peter Peter, der beim Universitätslehrgang Gastrosophische Wissenschaften an der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Küchensysteme“ unterrichtet, geht sogar so weit zu behaupten, dass beinahe die gesamte traditionelle Küche Fusionsküche ist.
Klar, denn Kartoffeln oder Tomaten waren zum Beispiel vor dem 17. Jahrhundert in unseren Breitengraden noch gar nicht bekannt. Oder wenn man sich die Kulinarik der k. u. k. Monarchie zu Gemüte führt: Hier wurden serbisches Reisfleisch, Mailänder Schnitzel, ungarisches Gulasch und böhmische Desserts in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien kredenzt – jedoch in modifizierter Form.
Warum werden also gerade die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als die Geburtsstunde der Fusionsküche in den USA zelebriert? Das hat laut Dr. Peter mehrere Gründe: Während die historische Fusionsküche in erster Linie ungeplant durch Faktoren wie Zuwanderung, Eroberungszüge oder Handel vonstattenging, war die moderne Fusionsküche eine bewusste Entscheidung der Köche.
Wenn die Amerikaner nur die Küche der ersten Einwanderer hätten, wäre es kläglich.
Dr. Peter Peter über die Notwendigkeit der Fusionsküche
Außerdem hielten die verschiedenen Einwanderer in den USA lange Zeit an ihren Heimatküchen fest und es bestand eine wertende Hierarchie zwischen den nationalen Gruppierungen und ihren jeweiligen Küchen.
Eine ethnisch-kulinarische Neugierde entwickelte sich erst im frühen 20. Jahrhundert und in weiterer Folge stellte die progressive 1968er-Generation fest, dass auch die als weniger privilegiert angesehenen Weltvölker großartige kulinarische Produkte inklusive spannender traditioneller Zubereitungsweisen auf den Teller brachten.
Die Fusionsküche, oder: Eat the World
Wenn man an Begrifflichkeiten wie Wirtschaftsfusion oder Kernfusion denkt, kommt man nicht umhin zu gestehen, dass Fusionen oftmals einen negativen Touch haben. Angesehen ist die Fusion jedoch ohne Wenn und Aber im Bereich der Gastronomie.
Die Vermischung verschiedenster Kochstile, die Kombination aus Einflüssen und Zutaten von rund um den Globus ist aus unseren heutigen Küchen nicht mehr wegzudenken.
Vorreiter in Sachen fusion cooking waren die USA mit der Etablierung der California Cuisine, bevor der Trend England und in weiterer Folge ganz Europa überschwappte. Böse Zungen mögen behaupten, dass es kein Wunder ist, dass ausgerechnet diese beiden Länder die Fusionsküche auf ein Podest gehoben und wie die Entdeckung des Heiligen Grals gefeiert haben.
Denn die ursprüngliche amerikanische und britische Heimatküche genossen in der Geschichte nicht unbedingt den kulinarischen Ruf Frankreichs oder Italiens.
Interessantes Detail am Rande: Letztere beiden Länder haben die Fusionsküche lange Zeit als Konfusionsküche geschmäht. Aber beim fusion cooking sollte man sich keinen falschen Vorstellungen hingeben, es ist nämlich keine bahnbrechende Erfindung der 1970er- und 1980er-Jahre – obgleich es in diesem Zeitraum als solche benannt wurde –, sondern geht um einiges weiter zurück.
Der Münchner Autor, Food-Journalist und Kulturwissenschaftler Dr. Peter Peter, der beim Universitätslehrgang Gastrosophische Wissenschaften an der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Küchensysteme“ unterrichtet, geht sogar so weit zu behaupten, dass beinahe die gesamte traditionelle Küche Fusionsküche ist.
Klar, denn Kartoffeln oder Tomaten waren zum Beispiel vor dem 17. Jahrhundert in unseren Breitengraden noch gar nicht bekannt. Oder wenn man sich die Kulinarik der k. u. k. Monarchie zu Gemüte führt: Hier wurden serbisches Reisfleisch, Mailänder Schnitzel, ungarisches Gulasch und böhmische Desserts in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien kredenzt – jedoch in modifizierter Form.
Warum werden also gerade die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als die Geburtsstunde der Fusionsküche in den USA zelebriert? Das hat laut Dr. Peter mehrere Gründe: Während die historische Fusionsküche in erster Linie ungeplant durch Faktoren wie Zuwanderung, Eroberungszüge oder Handel vonstattenging, war die moderne Fusionsküche eine bewusste Entscheidung der Köche.
Wenn die Amerikaner nur die Küche der ersten Einwanderer hätten, wäre es kläglich.
Dr. Peter Peter über die Notwendigkeit der Fusionsküche
Außerdem hielten die verschiedenen Einwanderer in den USA lange Zeit an ihren Heimatküchen fest und es bestand eine wertende Hierarchie zwischen den nationalen Gruppierungen und ihren jeweiligen Küchen.
Eine ethnisch-kulinarische Neugierde entwickelte sich erst im frühen 20. Jahrhundert und in weiterer Folge stellte die progressive 1968er-Generation fest, dass auch die als weniger privilegiert angesehenen Weltvölker großartige kulinarische Produkte inklusive spannender traditioneller Zubereitungsweisen auf den Teller brachten.
Und last, but not least: Auch der Einfluss der Nouvelle Cuisine darf nicht unterschätzt werden. „In den 1980er-Jahren entstand eine Bewegung amerikanischer Spitzenköche, die weg von der Frankreichhörigkeit wollte – und als einheimische Alternative die ethnische Vielfalt amerikanischer Kochstile entdeckte und kombinierte“, konstatiert Dr. Peter. Aktuell zählen Metropolen wie Sydney oder Tel Aviv zu den aufregendsten Hotspots der Fusionsküche.
Es lebe der Wow-Moment
Wie in jeder Bewegung gibt es auch bei der Fusionsküche mittlerweile verschiedene Interpretationen. Die radikalste davon ist wohl die Cross-over-Küche. Während die klassische Fusionsküche an Gegebenes wie etwa den kulinarischen Stil des Nachbarlandes anknüpft, werden bei Cross-over-Kombinationen realisiert, die aus der Luft gegriffen scheinen und vorrangig dem Ziel dienen, zu provozieren und Erstaunen auszulösen.
Am besten gelingt das, wenn man heimische, vertraute Gerichte verfremdet. Wer würde schließlich nicht große Augen bekommen, wenn beispielsweise der traditionelle Schweinsbraten statt mit dem üblichen Sauerkraut mit Kimchi als Beilage auf den Tisch kommen würde?
So sehr das fusion cooking aber nach wie vor bejubelt und praktiziert wird, ist seine Wertschätzung nicht in Stein gemeißelt, sondern unterliegt vielmehr Schwankungen. Für Dr. Peter kann in der Fusionsküche das Beste, qualitativ Hochwertigste aus der Welt miteinander vermischt werden oder das Billigste.
Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen: Gutes schmackhaftes Essen muss nicht zwingend teuer sein, wie etwa die Currywurst beweist. Apropos Fast Food: Hier zeigt sich der Pioniergeist der Fusionsküche von seiner kreativsten Seite, man braucht nur an den deutschtürkischen Döner Kebab zu denken.
Ein Gericht, das mit seiner ursprünglichen traditionellen Rezeptur nur mehr wenig gemein hat, gerade aber durch seine Abwandlung enorm erfolgreich ist. Statt Lammfleisch wird günstigeres Puten- oder Kalbsfleisch verwendet, das Fladenbrot wurde durch eine Art Semmel ersetzt und der Salat zollt dem Gesundheitstrend Tribut.
Kein Trend ohne Gegentrend
Die im Zeitalter der Globalisierung scheinbar uneingeschränkte Verfügbarkeit von Produkten aus aller Welt öffnete der Fusionsküche Tür und Tor in eine Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Doch das stetige Überangebot sorgte mit der Zeit auch für eine dekadente Form der Langeweile, wie bei allem, was Mainstream-Charakter annimmt.
Seit Längerem hat sich eine radikale Regionalküche, wie etwa das mittlerweile geschlossene noma in Kopenhagen oder die Cuisine Alpine eines Andreas Döllerer, „als spannendere, intellektuellere und moralischere Gegenbewegung zur Fusionsküche positioniert“, hält Dr. Peter fest.
Wobei der Fokus auf verschwundenen, ausgefallenen Produkten wie etwa Walnussölen, Honig aus Tannenspitzen oder weißen Ribiseln liegt. Dabei ortet Dr. Peter den „Luxus der geringen Verfügbarkeit sowie den Luxus des Personalisierten“, also Produkte, die schwer zu bekommen sind und auf identitätsstiftende Geschichten verweisen.
Vor diesem Hintergrund funktioniert auch die neue Fusionsküche in der Spitzengastronomie, die darauf Wert legt, Zusammenhänge bei der Wahl der Produkte hervorzuheben und nachvollziehbar zu machen. Als Beispiel nennt Dr. Peter etwa das serbische Reisfleisch, das mit dem Turopolje-Schwein – einer der in den letzten Jahren vorm Aussterben geretteten Lieblingsrassen der k. u. k. Monarchie – zubereitet wird.
Für den Kulturwissenschaftler ist übrigens der von Gault Millau zum Koch des Jahres 2016 ausgezeichnete Wiener Gastronom Konstantin Filippou eines der Aushängeschilder der neuen Fusionsküche: „Wenn Filippou von den Aromen seiner griechisch-steirischen Kindheit erzählt, von seinen beruflichen Stationen wie im Steirereck, im baskischen San Sebastián und bei Londons höchstdekorierten Küchenchefs, dann spürt man: Ein Talent mit solchem Background auf pure Heimatküche einzugrenzen, wäre dogmatisch. Man freut sich, dass auch ein Saganaki, ein köstliches Shrimpspfännchen mit Feta, in dieser personalisierten World Cuisine der Delikatessen seinen Rang behauptet.“
Aber wie sieht es beispielsweise in den nächsten Jahrzehnten mit der Fusionsküche aus? Dr. Peter prognostiziert ihr eine positive Zukunft und sieht in diesem Bereich noch sehr viel Luft nach oben. Allein wenn man an den internationalen Tourismus denkt, „der mehr und mehr ,einheimische Küche‘ erleben und diese Inspirationen zu Hause wiederholen will.
Interesse an Gastrosophie?
Das Studienzentrum Saalfelden bietet in Kooperation mit dem Zentrum für Gastrosophie der Universität Salzburg und dem Internationalen Forum für Gastrosophie seit 2008 den ersten deutschsprachigen Studiengang zur aktuellen Kultur des Essens an. Der Münchner Autor, Food-Journalist und Kulturwissenschaftler Dr. Peter Peter unterrichtet in Salzburg das Modul „Weltküchen und Küchensysteme“. Die Anmeldefrist für den nächsten Studiengang endet am 18. August 2017.
studienzentrum.at/gastrosophie
Wie Sternekoch Konstantin Filippou die Fusionsküche auf ein neues Level hebt, erfährst du hier!