Das schwarze Gold
Fotos: Shutterstock, Thomas Schweiger, beigestellt
Schlechten Kaffee zu servieren, ist wie Wein aus dem Tetrapack anzubieten. Ein echtes No-Go, und trotzdem kommt es öfter vor, als man denkt. Denn die meisten Gastronomen haben keine Ahnung, welche Brühe sie ihren Gästen eigentlich servieren. Und das nicht etwa, weil der Kaffee minderwertig ist, sondern weil die wenigsten wissen, wie man die Maschinen rund um den Kaffee richtig bedient.
Wolfram Sorg, amtierender deutscher Baristameister, ist einer von vielen Kaffee-Experten, die seit Jahren entsetzt über diesen Zustand sind: „Schließlich ist der Kaffee der allerletzte Eindruck, den der Gast…
Fotos: Shutterstock, Thomas Schweiger, beigestellt
Schlechten Kaffee zu servieren, ist wie Wein aus dem Tetrapack anzubieten. Ein echtes No-Go, und trotzdem kommt es öfter vor, als man denkt. Denn die meisten Gastronomen haben keine Ahnung, welche Brühe sie ihren Gästen eigentlich servieren. Und das nicht etwa, weil der Kaffee minderwertig ist, sondern weil die wenigsten wissen, wie man die Maschinen rund um den Kaffee richtig bedient.
Wolfram Sorg, amtierender deutscher Baristameister, ist einer von vielen Kaffee-Experten, die seit Jahren entsetzt über diesen Zustand sind: „Schließlich ist der Kaffee der allerletzte Eindruck, den der Gast vom Restaurantbesuch mitbekommt. Die Köche kennen zwar jede Kartoffel beim Namen, aber beim Kaffee servieren sie ihren Gästen, ohne es zu wissen, den größten Mist. Und dann gibt es nach einem stundenlangen Aromenspektakel am Teller eine grauenhafte Lauge zu trinken, die einen alles, was davor war, sofort vergessen lässt.“
Dauerbrenner Kaffee
Und trotzdem. Der Bedarf – offensichtlich sogar an schlechtem Kaffee – ist ungebremst. Weltweit werden drei Milliarden Tassen Kaffee pro Tag getrunken. Davon schluckt jeder Deutsche im Schnitt 150 Liter und jeder Österreicher 162 Liter pro Jahr. Bier ist längst nicht mehr das beliebteste Getränk nördlich und südlich der Alpen, denn der durchschnittliche Konsum liegt im Jahr bei 130 Litern pro Kopf – und damit unter dem des Kaffees.
Kaffee-Experte Wolfram Sorg sieht in diesen Zahlen kein Argument, sich zurückzulehnen: „Auch in der Sterne-Gastronomie hat vor Jahren einer den Schritt mehr getan und nur mehr auf die besten Qualitäten gesetzt, obwohl die Gaumen der Gäste den Unterschied damals vielleicht nicht erkannt haben.“ Und diesen Schritt setzen seit Jahren auch immer mehr Baristas, und werden mit Erfolg belohnt. Denn mit Coffee-Shops, in denen Top-Beratung und höchste Kaffeequalität bereits zum Standard gehören, werden nicht erst seit gestern offene Türen eingerannt und fette Umsätze erzielt.
Die Großen Fünf
Wer sexy Kaffee machen will, muss einige wesentliche Kriterien beachten. Baristas sprechen dabei von fünf Ms. Denn von diesen Großen Fünf, nämlich Mischung, Mahlgrad, Menge, Maschine und Mensch, hängt das sechste und wichtige M ab – die Marge. Und die ist bei richtiger Kalkulation trotz Rekordpreisen für Rohkaffee immer noch beachtlich.
ROLLING PIN zeigt die Big Five im großen Check auf den nächsten Seiten und weiß: Wer die fünf Ms richtig für sich nutzt, hat nicht nur sexy Kaffee, sondern auch einen ausgeschlafenen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.
Mischung – Mix it up, baby
Die Mischung macht’s. Die Auswahl der Bohnensorten, der Grad der Röstung, die Herkunft und die Selektion bei der Ernte: Das sind die Details, die eine sexy Mischung ausmachen.
Robusta-Bohne
Diese Bohnen-Art enthält weit mehr Koffein als die Arabica-Bohne. Ihr Geschmack wird als nussig und malzig beschrieben. In Mischungen wird sie als Verschnittpartner verwendet. Reinsortig ist sie kaum zu finden. Einige Baristas sind der Meinung, dass aufgrund des Qualitätsunterschiedes zur Arabica-Bohne Mischungen, die Robusta-Bohnen enthalten, in der Top-Gastronomie ohnehin nicht verwendet werden sollten.
Arabica-Bohne
Die Arabica-Bohne wird aufgrund ihrer Aromatik als beste Bohnensorte gehandelt und ist mit 60 Prozent Weltmarktanteil die meistangebaute Art. Je höher über dem Meeresspiegel die Pflanze dabei angebaut wird, desto langsamer wächst sie und umso intensiver fällt die Aromatik aus. Der Geschmack wird gemeinhin als spritziger und fruchtiger beschrieben als der der Robusta-Bohne.
Die Kopi-Luwak-Legende
Einige Mischungen wie Kopi Luwak werden als besonders erlesen und daher für weit über hundert Euro pro Kilogramm verkauft. Experten sprechen im Fall Kopi Luwak von einer genialen Marketing-Strategie. Denn die Qualität dieses Kaffees ergab sich durch die natürliche Selektion der indonesischen Schleichkatze, die nur die bestgereiften Bohnen fraß. Daher war die Qualität des Kaffees besonders fein. Heute werden diese Tiere auf Farmen gehalten und mit Bohnen gefüttert. Das entscheidende Kriterium für den guten Geschmack, die natürliche Selektion, fällt somit weg.
Röstgrad
Im Zuge der Röstung findet eine chemische Veränderung der Bohnen statt, die verantwortlich für den charakteristischen Kaffeegeschmack ist. Somit spielt die Röstung eine zentrale Rolle für die Qualität des Endprodukts. Geröstet sollte für 12 bis 15 Minuten werden, wobei eine Temperatur von 220 bis 250 Grad Celsius weder unter- noch überschritten werden sollte. Wird zu kalt geröstet, treten die für den Geschmack essenziellen Aromaöle erst gar nicht aus. Wird zu heiß geröstet, verbrennen diese.
Herkunft
Ebenso wie sich Klima und Wetterverhältnisse auf den Wein auswirken, so haben sie auch ihren Effekt auf die Kaffeebohne. Daher raten Experten zur Verwendung von reinsortigem Kaffee gleicher Herkunft, sogenannten Single Origins. Das Nonplusultra ist dabei der Einsatz sogenannter Single-Estate-Kaffees. Diese stammen ausschließlich von einer bestimmten Farm. Das Terroir des Kaffees kommt so am besten zum Tragen. Auch sollte das Angebot, der jeweiligen Kaffeesaison entsprechend, laufend angepasst werden.
Mahlgrad – Beziehungskrach
Zu zierlich, zu grob: Mit dem Mahlgrad ist es wie mit der Figur einer Frau. Jede Mischung ist individuell und wird vorschnell geurteilt, gibt es Krach in der Mühle.
Kontrolle & Reinigung
Bei jedem Mahlvorgang verändert sich der Mahlgrad minimal. Daher müssen diese Einstellungen laufend überprüft werden. Zudem muss auch die Mühle täglich gereinigt werden, da Kaffeebohnen Öle enthalten, die ranzig werden können und sich ansonsten als Fehltöne im Kaffee widerspiegeln.
À La Minute
Ab dem Zeitpunkt, zu dem Kaffee gemahlen wird, verflüchtigen sich die Aromastoffe rasant. Daher raten Experten zur Nutzung einer sogenannten Grind-on-Demand-Mühle, die exakt jene Menge à la minute mahlt, die benötigt wird. Empfohlene Herstellerfirmen sind Mahlkönig sowie das Unternehmen Mazzer.
Grob vs. fein
Je gröber Kaffee gemahlen ist, umso weniger Aromastoffe werden extrahiert. Wird er zu fein gemahlen, treten eventuell unerwünschte Aromen in den Vordergrund. Einen pauschal perfekten Mahlgrad gibt es nicht, da er je nach Röstung unterschiedlich ist. Passend ist er, wenn die Extraktionszeit 25 Sekunden für einen Espresso beträgt.
Maschine – abgebrühte Lady
Die Kaffeebohnen-Diva will richtig behandelt werden. Wer an den richtigen Knöpfen dreht, der bekommt auch guten Kaffee. Ansonsten muss man sich auf saure Zeiten einstellen.
Extraktionszeit
Als Faustregel gilt eine Zeit von 25 bis 30 Sekunden. Dauert die Extraktion kürzer, gelangen die für den Geschmack entscheidenden Aromen erst gar nicht in den Kaffee. Dauert sie länger, so werden zusätzliche Bitterstoffe in den Kaffee transportiert. Daher sollte auch ein klassischer Americano mit heißem Wasser aufgegossen werden, anstatt auf eine Portion Kaffee die doppelte Menge Wasser zu lassen.
Wassertemperatur
Die Wassertemperatur sollte abhängig von der Kaffeemischung zwischen 88 und 94 Grad betragen. Die Serviertemperatur ist mit 70 Grad perfekt. Entscheidend ist, dass die Maschine die Temperatur auch konstant hält.
Wasserhärte
Hat das Wasser einen zu hohen Carbonatwert, schadet das nicht nur der Maschine, sondern verfälscht auch die Aromatik des Kaffees. Durch Zwischenschalten eines Wasserfilters kann der Carbonatwert des Wassers gesenkt werden. Dieser sollte zwischen fünf und sieben Grad Härte betragen.
Maschinenart
Die Bandbreite reicht von Vollautomaten über Tab-Maschinen wie Nespresso bis hin zu Siebträgermaschinen. Laut Expertenmeinung erzielen Siebträgermaschinen die beste Qualität. Vorausgesetzt allerdings, dass sie korrekt bedient werden. Ein Vollautomat hingegen hat den Vorteil, dass, egal wer ihn bedient, die Qualität des Kaffees stets dieselbe bleibt.
Druck
Der Druck, mit dem das Wasser durch das Sieb gepresst wird, sollte zwischen neun und zehn Bar betragen, da die Aromastoffe des Kaffees ansonsten zu stark oder zu wenig extrahiert werden. Diese Parameter gilt es täglich an der Maschine und durch Probieren zu überprüfen.
Hersteller
Insbesondere in puncto Kaffeemaschinen beherrschen einige wenige Produktionsfirmen den Markt. Befragte Baristas stellten der Herstellerfirma La Marzocco gute Noten aus. Preislich liegen Modelle von La Marzocco zwischen 7000 und 8000 Euro. Weiters positiv bewertet wurden Modelle der Firma Astoria für ungefähr 6000 Euro. Als qualitativ sehr gut, preislich allerdings zu hoch angesetzt wurden die Hersteller La Cimbali und Limonelli bewertet, für 6000 bis 8000 Euro.
Menge – Schwergewicht
Das Idealgewicht der Bohnen-Diva ist genau definiert. Und in diesem Fall darf und sollte man sogar auf dessen Einhaltung bestehen.
Sieben Gramm
Ein Espresso sollte exakt mit sieben Gramm frisch gemahlenem Kaffeepulver zubereitet werden. Hier zu wenig Pulver zu verwenden, ergibt eine geschmacklose Plörre, da zu wenig Aromen extrahiert wurden. Verwendet man zu viel des Guten, kann der Gast zusätzlich auch noch den Kaffeesatz in seiner Tasse lesen.
Gewinnspanne
Setzt der Gastronom auf bessere Qualitäten und zahlt dementsprechend mehr für das Kilogramm Kaffee, muss er nicht um seine gesamte Gewinnspanne fürchten. Angenommen das Kilogramm Kaffee wird um 30 Euro eingekauft, so ergeben sich daraus 142 Espressi à 21 Eurocent pro Tasse. Auch zuzüglich Personal-, Wasser- und Instandhaltungskosten bleibt immer noch eine annehmbare Gewinnspanne übrig.
Weltmarkt
Nur zwei Prozent des auf dem Markt erhältlichen Kaffees sind Spezialitätenkaffee. 20 Prozent deckt Instant- Kaffee ab. Den Rest beanspruchen massentaugliche Kaffeemischungen für sich, die dem Geschmack der breiten Masse entsprechend manchmal besser, manchmal schlechter aufgepeppt wurden.
Mensch – die persönliche Ebene
Nobody is perfect, aber der Mensch ist nun einmal der Einzige, der die Bohne und ihre Ansprüche in ihrer Gesamtheit verstehen kann. Ansonsten nutzt alle Technik nichts.
Schulungen
Kaffee richtig zuzubereiten ist eine komplexe Angelegenheit. Baristas bieten daher Schulungen an, in denen der Umgang mit Maschinen und Kaffee erklärt sowie die Sensorik geübt wird, um sofort zu erkennen, welche Komponenten abgeändert werden müssen. Auf der Webseite der Speciality Coffee Association of Europe (SCAE) werden zertifizierte Trainer angeführt.
Anders und darum besser
Die Konkurrenz schläft niemals. Warum also nicht den Kaffee nutzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben? Zum einen mit einer individuellen Mischung aus kompetenter Hand. Zum anderen durch gekonntes Handling der Technik rund um die Kaffeebohne. Das Ergebnis ist ein aromatischer Kaffee, der im Gedächtnis bleibt.
Tassenform
Auch die Tasse spielt eine nicht unwesentliche Rolle in Bezug auf die Endqualität des Kaffees. Sie sollte nicht zu dünnwandig sein, da die Wärme sonst zu schnell verloren geht. Als ideale Form gilt eine konische Form, da die Wärme im unteren Teil erhalten bleibt, die Aromen aber durch die breite Oberfläche genügend Platz haben, um sich zu entfalten.
Kaffeepreis am abheben?
Seit das Kaffeeabkommen zwischen kaffeeimportierenden und -exportierenden Ländern 1989 ausgelaufen ist, ist der Kaffeepreis massiven Schwankungen von bis zu 300 Prozent unterworfen.
Quelle: International Coffee Organisation, www.ico.org