Convenience: Die schnelle Geschichte der Bequemlichkeit

Convenience in der Küche: Wo fängt Geldgeilheit an, wo hört Moral auf, was lohnt sich wirklich und wie fing eigentlich alles an?
März 15, 2017 | Text: Kathrin Löffel | Fotos: Shutterstock

Convenience

Bequem muss es sein, Geld zu verdienen. Ginge es um reinen Profit, könnte man es Köchen doch kaum verübeln, möglichst viele verzehrfertige Lebensmittel zeit- und geld­sparend einzukaufen und auf den Teller zu bringen. Nicht umsonst trägt also Abgepacktes den Namen Convenience (zu Deutsch: Bequemlichkeit oder Komfort).

Allerdings geht es nicht nur um den Komfort in der Branche, in der der Beruf des Kochs gerne auch als Berufung bezeichnet wird. Und Berufung kann es nun einmal nicht sein, Tüten aufzureißen und Kunden aufs (verzehrfertige) Glatteis zu führen.

Trotzdem hat die Medaille immer zwei Seiten: Im Stress mit Budgets und Fachkräftemangel muss eben manchmal die einfachste (und bequemste) Lösung gefunden werden. Es geht dann doch um Umsatz, auch wenn es schöner wäre, wenn es nur um Leidenschaft ginge.

Die Zeit ist reif

Mit Leidenschaft hatten die Anfänge der unter dem Wort Convenience zusammengefassten Produkte recht wenig zu tun. Vielmehr war es der Wunsch nach kräftigen, gesunden Männern, der die Erfinder anregte.
Zu ebendiesen Geistreichen zählte ein französischer Zuckerbäcker, der von Napoleons Aufruf angestachelt die Sterilisation für den Transport von Lebensmitteln an die Kriegsfront erfand. Das war Ende des 18. Jahrhunderts.

Retro Bild einer Frau in der Küche

Bequem muss es sein, Geld zu verdienen. Ginge es um reinen Profit, könnte man es Köchen doch kaum verübeln, möglichst viele verzehrfertige Lebensmittel zeit- und geld­sparend einzukaufen und auf den Teller zu bringen. Nicht umsonst trägt also Abgepacktes den Namen Convenience (zu Deutsch: Bequemlichkeit oder Komfort).

Allerdings geht es nicht nur um den Komfort in der Branche, in der der Beruf des Kochs gerne auch als Berufung bezeichnet wird. Und Berufung kann es nun einmal nicht sein, Tüten aufzureißen und Kunden aufs (verzehrfertige) Glatteis zu führen.

Trotzdem hat die Medaille immer zwei Seiten: Im Stress mit Budgets und Fachkräftemangel muss eben manchmal die einfachste (und bequemste) Lösung gefunden werden. Es geht dann doch um Umsatz, auch wenn es schöner wäre, wenn es nur um Leidenschaft ginge.

Die Zeit ist reif

Mit Leidenschaft hatten die Anfänge der unter dem Wort Convenience zusammengefassten Produkte recht wenig zu tun. Vielmehr war es der Wunsch nach kräftigen, gesunden Männern, der die Erfinder anregte.

Zu ebendiesen Geistreichen zählte ein französischer Zuckerbäcker, der von Napoleons Aufruf angestachelt die Sterilisation für den Transport von Lebensmitteln an die Kriegsfront erfand. Das war Ende des 18. Jahrhunderts.
Fast ein Jahrhundert später war es Julius Maggi, der auch die Schweizer Fabrikarbeiter vor der Mangelernährung retten sollte und 1884 ein Suppenpulver aus Hülsenfrüchten auf den Markt brachte.

Mit der Konservendose, dem Kühlschrank und der Entwicklung chemischer Zusatzstoffe für die längere Haltbarkeit war es kein Wunder, dass das Thema Convenience richtig Fahrt aufnahm.
Der Gipfel war der Boom der Tüte-auf-Köche und -Hausfrauen, weil die Produkte immer günstiger und die Qualität immer schlechter wurden. Bequem eben.

In den letzten 20 Jahren hat sich dann doch noch einmal viel getan: Nach „Hauptsache, billig und schnell“ ist jetzt „Qualität, wenige Zusatzstoffe und sinnvoll“ das Motto der Gas­tronomen, wenn es um Convenience-Produkte besonders im Bereich Obst und Gemüse, Fisch sowie Fleisch geht.

Mehlbehälter

Das weiß auch Metro-Category-Manager für Obst und Gemüse Pierre-Yves Delforge: „Arbeit einsparen ist das oberste Ziel, wenn ein Chef Convenience-Produkte kauft. Heute achten viele Einkäufer aber auch darauf, dass die Produkte, die gekauft werden, so sind, als ob er sie selbst gemacht hätte.“

Das betrifft nicht nur das Aussehen, sondern auch die Verpackungsgrößen, damit wenig weggeschmissen werden muss, sowie wenige Zusatzstoffe. Besonders solche, die auch nicht drin wären, wenn das Produkt in der eigenen Küche produziert werden würde. Köche und ihre Gäste stehen zudem auf regionale Ausgangsprodukte.

Convenience bedeutet nicht, dass Abstriche in der Qualität gemacht werden – ganz im Gegenteil: „Mit Convenience-Produkten wie geschnittenem Salat, vorgeschälten Kartoffeln oder weiterverarbeiteten Produkten wie Pommes kann ein Gastronom immer die gleiche Qualität erwarten und auch einen weitestgehend gleichbleibenden Preis. Oft wird beim Anblick des Preises behauptet, dass Convenience teurer sei. Dabei werden aber Parameter wie Zeit, Arbeitskräfte, Lagerung und Energie vergessen. Rechnet man alle Größen mit ein, ist ein Convenience-Produkt meist genauso teuer wie die Verarbeitung der Ausgangsprodukte“, so Delforge.

Oft wird beim Anblick des Preises behauptet, dass Convenience teurer sei. Dabei werden aber Parameter wie Zeit, Arbeitskräfte, Lagerung und Energie vergessen. Rechnet man alle Variablen mit ein, ist ein Convenience-Produkt meist genauso teuer wie die Verarbeitung der Ausgangsprodukte.
Pierre-Yves Delforge über den Preis von Convenience-Produkten

Mit Dauerbrennern wie geschnittenem Salat oder geschälten Kartoffeln fing die Industrie an, den Zweig der frischen Convenience-Produkte auszubauen. Heute sind die Produkte komplexer, mit eigener Rezeptur, sinnvoll verpackt – in den benötigten Größen und intelligenter Verpackung. Allerdings seit Jahrzehnten unter den Topsellern: Pommes.

Delforge: „Mit Convenience aus dem Bereich Obst und Gemüse wie Früchte- oder Knoblauchpürees soll nicht die Arbeit eines Kochs ersetzt werden, sondern unterstützt. Beispielsweise durch weniger Abfall, eine Zeit- und Personalersparnis und bei der Lagerung.“ Quintessenz: Gutes Convenience unterstützt, schlechtes ersetzt.

Viel mehr als Kartoffelpüreepulver

Nein, das wird kein Plädoyer für den Gebrauch von jeglichen heute auf dem Markt erhältlichen Convenience-Produkten – von der fixfertigen Sauce hollandaise über TK-Schnitzel bis zum pasteurisierten Ei im Tetrapak. Greift ein Koch nur dazu, unterscheidet seine Küche sich bald nicht mehr von der der allgemeinen Hausfrau.

Und dann interessiert sich auch kein Gast mehr für die Speisekarte, denn wer würde schon mehr Geld im Restaurant ausgeben für die gleiche Tütentomatensuppe, die es zu Hause auch gibt? Trotzdem gibt es Mittel und Wege, die Wirtschaftlichkeit des eigenen Restaurants zu verbessern – mit Convenience.

Positiv zu bewerten sind definitiv die bessere Planbarkeit, weniger Verluste, weniger Vorratshaltung, weniger Manneskraft und der gleichbleibende Geschmack. Nicht umsonst wird geschätzt, dass rund 80 Prozent aller deutschen Restaurants Convenience-Produkte verwenden.

Alle, die jetzt schreien, dass das mal so gar nicht geht, die sollten erst einmal genau lesen, was eigentlich so alles unter den mit Schmach bedeckten Namen der Convenience-Produkte fällt.

Es gibt fünf Verarbeitungsstufen, die unter den englischen Begriff fallen. Stufe 0 (zum Vergleich) sind zum Beispiel rohes Gemüse, Obst oder Tierhälften. Küchenfertig sind Lebensmittel, die auf Stufe 1 der Convenience-Leiter stehen. Damit sind beispielsweise Fleischstücke gemeint, von denen bereits unverzehrbare Teile wie Knochen entfernt wurden. Aha!

Retro Bild einer Frau mit Suppenkelle

Damit verstummen also schon die ersten Schreihälse, die eben noch behaupteten, Convenience-Produkte nie in der Küche zu benutzen, denn küchenfertiges Fleisch oder tiefgekühlte Fischfilets haben sich vermutlich schon in jeder Küche aufgehalten. Das soeben erwähnte Rührei aus dem Tetrapak gehört übrigens auch in diese Kategorie.

In Stufe 2 befinden sich alle Produkte, die garfertig sind. Per Definition sind das Lebensmittel, die noch gebacken, gekocht, frittiert oder gebraten werden müssen. Tiefgekühlte Pommes dürfen hier wohl als Klassiker nicht unerwähnt bleiben. Aber auch bereits paniertes Schnitzel, Aufbackbrötchen und Reis oder Nudeln gehören dazu.

Langsam meldet sich das Gewissen

In dieser Stufe fängt also langsam die Moral an, an die Tür zu klopfen: Darf man das als Restaurant? Reis o.k., aber paniertes Schnitzel oder TK-Rahmspinat? Schwierig. Zudem stellt sich hier die Frage: Was muss der Gast wissen? Inwieweit sind diese Produkte Verrat an der Kochkunst? Ist das überhaupt noch Kunst, wenn das panierte Schnitzel aus der Kühlung kommt, die Preiselbeeren aus dem Glas und die Pommes nur noch auf die Fritteuse und das fertige Pommes-Gewürz warten?

Andererseits erwarten die Gäste immer gleichbleibende Qualität und in der Küche fehlen die Zeit sowie die Arbeitskraft, Kartoffeln zu schälen, zu waschen und zu schneiden. Diese Zeit investieren also andere für den Koch und diese anderen garantieren auch für die Qualität, die ja nicht schlecht sein muss, nur weil es jemand anderes macht.

Ganz zu schweigen von der Gemeinschaftsverpflegung oder Küchen in sozialen Einrichtungen, die schwer unter Zeit- und Arbeitskräftemangel leiden. Gleichzeitig stellt sich die Gegenfrage: Wenn jeder nur noch eine Tüte aufmacht, ist das dann noch kochen? Und was passiert mit der Kochkultur? Wie sollen Lehrlinge eines Besserem belehrt werden, wenn für Selbstgemachtes keine Zeit mehr bleibt?
Weiter oben auf der Leiter der Convenience-Produkte warten die misch- oder aufbereitungsfertigen Lebensmittelerzeugnisse auf den minimalen Arbeitsaufwand in der eigenen Küche. Das berühmt-berüchtigte Kartoffelpüreepulver und Tütensuppen sind die beliebtesten Vertreter.

Zwischen vermeintlich „frisch in den Vakuumbeutel“ und „einer Pampe“ ist alles auf dem Markt vertreten. Wenn es so was auf dem Markt aber gibt, muss es auch gekauft werden. Logisch, oder?

Einen Schritt weiter in der Verarbeitung sind zubereitungsfertige Produkte zu finden. Unter diese in Stufe 4 angesiedelten Erzeugnisse fallen alle Produkte, die nur noch erhitzt werden müssen, bevor sie auf dem Teller landen. Tiefkühlfertig- oder Mikrowellengerichte gehören dazu. So was kann man doch nicht im Restaurant verkaufen, mag jetzt vielleicht der eine oder andere denken.

Allerdings gibt es auch hier wieder krasse Qualitätsunterschiede. Zwischen vermeintlich „frisch in den Vakuumbeutel“ und „einer Pampe“ ist alles auf dem Markt vertreten. Wenn es so was auf dem Markt aber gibt, muss es auch gekauft werden. Logisch, oder? Sonst gäbe es keinen Absatz für die Industrie und damit auch kein Angebot. Denn für nix machen die Firmen ihren Job auch nicht.

Um die Reihe der Verarbeitungsstufen abzuschließen, fehlt nur noch Stufe 5: verzehrfertig. Dazu zählen Dosenobst, Fischkonserven, kalte Saucen, Joghurt oder Smoothies. Moment! Auch Fischkonserven? Erwischt! Sardellen, Kaviar und Co. gehören also auch in diese Liste und verlieren kein bisschen ihren Reiz, nur weil sie eben auch Convenience sind.

Eine vehemente Ablehnung aller Convenience-Produkte ist nach der genauen Betrachtung also überhaupt nicht sinnvoll. Besonders dann nicht, wenn das bedeuten sollte, dass man auf Pralinen aus der Hand von Pâtissier Dominique Persoone verzichten müsste. Denn die sind auch verzehrfertig und damit auf Stufe 5 der tabuisierten Convenience-Liste.

Gekonntes Outsourcing

Von außen zugekauft wird dort, wo innen Fachkräfte, Geld oder Zeit Mangelware sind. Hochwertige Convenience-Produkte zu kaufen, bedeutet aber auch, jemanden, der es besser und schneller kann, dafür zu bezahlen, es auch für das eigene Restaurant zu machen. Die Betonung liegt auf hochwertig.

Ein Geschäftsmodell, das auf der Produzenten- und der Konsumentenseite funktioniert, ist das von Schokoladen-Guru Dominique Persoone. Der Belgier und Meister seines Fachs produziert für Dreisterner wie Christian Bau, Gert De Mangeleer oder Peter Goossens, aber auch für Virtuosen wie Sergio Herman oder Nick Bril Pralinen, die alle einzigartig sind.

Private Labeling – und Convenience – in seiner süßesten Form. Die Gäste sind zufrieden, die Köche sparen Zeit und können auf immer gleiche und perfekte Qualität vertrauen. In diesem Zusammenhang klingt Convenience weniger dreckig, sondern vielmehr wie ein gekonnter Schachzug.

Retro Bild einer Frau mit Essensteller

Es kommt also auf den Kontext an, wann Convenience verteufelt wird und wann nicht. Und die Qualität. Plus: Zeit- und Geldersparnisse können enorm sein. Für viele werden die Just-in-Time-Verwendung und die kalkulierbare Menge ein wichtiger Aspekt bei der Entscheidung für Convenience sein.

Denn eine pasteurisierte Sauce hollandaise ist länger haltbar als das selbst zubereitete Pendant mit frischer Butter. Außerdem können Industrieprodukte aufgrund der hohen Mengen günstiger produziert werden. Da kann ein Industrieprodukt wie die TK-Herzoginnenkartoffel schon einmal nur ein Viertel so viel kosten wie die selbst gemachten.

Auch das – dezent perverse – Stangenei, bei dem Eigelb und -weiß erst getrennt voneinander zubereitet werden, um dann in Stangenform gepresst wieder zueinanderzufinden, vermeidet Abfälle, weil das Verhältnis Eigelb und -weiß immer dasselbe ist, und das spart damit Geld.

Ach, wie schön wäre es, wenn es mal nicht um Geld ginge, aber diesen Luxus können sich viele Restaurants einfach nicht leisten. Die Entscheidung zwischen Moral und Umsatz muss am Ende nun einmal jeder selbst treffen.

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