Aroma Codes

Kochen ist Wissenschaft, den perfekten Cocktail zu kreieren auch. Dass das keine hohle Phrase ist, beweist das gebündelte Wissen aus Parfümeurskunst, Chemie und Physik hinter dem Tresen.
November 13, 2015

Aroma CodesFotos: Addie Chin, Drink Factory, Shutterstock

Wie knackt ein Bartender den Code für die perfekte Aromenbalance eines Drinks, um seinen Gästen das genialste Cocktailerlebnis ihres Lebens zu bescheren? Grundlage für das komplexe Zahlenspiel: die Harmonie der Zutaten und ihrer Aromen. Welche Rolle jeder Bestandteil einnimmt, dafür hat jeder Master an der Mixstation seine eigene Hardware an Begriffen. Weltmeister-Barkeeper Stephan Hinz braucht für seine Kreationen fünf Kategorien von Zutaten: Basis, Former, Begleiter, Filler und Zusatz. Welche Rolle die einzelnen Zutaten in der Kompositionslehre spielen, beschreibt Hinz in seinem Buch Cocktailkunst: „Die Basis ist das Fundament des Drinks. Die übrigen Zutaten interpretieren die Basis. Dafür eignen sich hauptsächlich aromatische, hochprozentige Spirituosen.“ Der Former hingegen gebe die Richtung, den Charakter vor wie etwa leicht, sauer oder herb. Das sind Bestandteile mit intensivem Geschmack, die die Basis jedoch nicht überdecken, wie etwa Wermut, Zitronensaft oder Likör. „Basis und Former kommen immer vor. Je nach Art des Drinks werden die anderen Kategorien ergänzt.“ Der Begleiter, wie Sirup, Likör oder Saft in geringer Menge, bringt die Balance, der Filler glänzt durch geschmackliche Leichtigkeit, etwa Tonic, Soda, Orangensaft, Champagner oder Eiweiß, und der Zusatz, in Form von beispielsweise Schmelzwasser, Zitrusöl, Bitter oder Garnitur, sorgt für den letzten Schliff, die zarten Zwischentöne.
Das Geheiminis eines fein ausbalancierten Drinks mit seinen verschiedenen Komponenten kann der Barkeeper jedoch erst lüften, wenn…

Aroma CodesFotos: Addie Chin, Drink Factory, Shutterstock

Wie knackt ein Bartender den Code für die perfekte Aromenbalance eines Drinks, um seinen Gästen das genialste Cocktailerlebnis ihres Lebens zu bescheren? Grundlage für das komplexe Zahlenspiel: die Harmonie der Zutaten und ihrer Aromen. Welche Rolle jeder Bestandteil einnimmt, dafür hat jeder Master an der Mixstation seine eigene Hardware an Begriffen. Weltmeister-Barkeeper Stephan Hinz braucht für seine Kreationen fünf Kategorien von Zutaten: Basis, Former, Begleiter, Filler und Zusatz. Welche Rolle die einzelnen Zutaten in der Kompositionslehre spielen, beschreibt Hinz in seinem Buch Cocktailkunst: „Die Basis ist das Fundament des Drinks. Die übrigen Zutaten interpretieren die Basis. Dafür eignen sich hauptsächlich aromatische, hochprozentige Spirituosen.“ Der Former hingegen gebe die Richtung, den Charakter vor wie etwa leicht, sauer oder herb. Das sind Bestandteile mit intensivem Geschmack, die die Basis jedoch nicht überdecken, wie etwa Wermut, Zitronensaft oder Likör. „Basis und Former kommen immer vor. Je nach Art des Drinks werden die anderen Kategorien ergänzt.“ Der Begleiter, wie Sirup, Likör oder Saft in geringer Menge, bringt die Balance, der Filler glänzt durch geschmackliche Leichtigkeit, etwa Tonic, Soda, Orangensaft, Champagner oder Eiweiß, und der Zusatz, in Form von beispielsweise Schmelzwasser, Zitrusöl, Bitter oder Garnitur, sorgt für den letzten Schliff, die zarten Zwischentöne.
Das Geheiminis eines fein ausbalancierten Drinks mit seinen verschiedenen Komponenten kann der Barkeeper jedoch erst lüften, wenn er die Aromenvielfalt seiner Produkte exakt kennt, sie zu kategorisieren weiß – und so entschlüsseln kann wie die Codes der einzelnen Flavours eine Einheit bilden. Tony Conigliaro, Titan der britischen Barszene, hat mit seiner Drink Factory eine Zutatenbibliothek mit um die 1000 Komponenten erstellt, wobei das Aromenspektrum einer einzigen Zutat dabei noch gar nicht mitgezählt ist. Hier wird es erst richtig spannend: Wie kann man das Aroma eines Produkts erfassen und wie variantenreich ist es? Max Venning von der Drink Factory beschreibt die Suche nach einem Aroma mit einem linearen Prozess: „Wenn wir ein neues Produkt haben, probieren wir es zuerst, dann recherchieren wir, um herauszufinden, ob es bereits verwendet wurde, in Parfümbüchern, in der Küche, im Drinkbereich und dann machen wir uns ein Bild von den Hauptaromen.“ In Zusammenarbeit mit der Foodpairing Company wird analysiert, aus welchen chemischen Bestandteilen ein Produkt besteht, um besser zu bestimmen, wie es verwendet werden kann.

Aromenzusammensetzung

Was jetzt über den Geschmack eines Cocktails und seine feinen Nuancen entscheidet, ist das technische Equipment. Hinter der Drink Factory mit berühmten Locations wie der preisgekrönten The Bar With No Name in London steht auch ein höchst innovatives Bartender-Thinktank mit seinem Labor: als Forschungscenter und Kreativlocation für Vorträge, Seminare und Produktentwicklung mit Laborgeräten wie dem Rotationsverdampfer und der Zentrifuge, aber auch einem Gefriertrockner. „So können wir die bestmöglichen Drinks produzieren und Fortschritte in der Entwicklung machen. Ohne die Technik wären die Cocktails nicht auf dem Level, auf dem sie sind“, da ist sich Max Venning sicher. Dabei komme immer die Technik zum Einsatz, die das beste Aroma für einen Drink hervorbringe. Herzstück sei aber der Rotationsverdampfer, weil man damit die klarsten Aromen herstellen könne. Am Beispiel des Ausgangsprodukts Rose erklärt Venning, was möglich ist: „Ein Cocktail, den wir schon relativ lange anbieten, heißt The Rose mit sieben oder acht verschiedenen Aromatypen der Rose. Wir nehmen zehn Mikrogramm auf einen Zuckerwürfel, geben darauf Champagner. Man trinkt den Cocktail, während sich der Zuckerwürfel auflöst, und bekommt so ein immer kräftigeres Rosenaroma. Die Idee dahinter war die Vorstellung, immer tiefer in einen englischen Rosengarten zu spazieren.“
Ein emotionales Erlebnis will auch der österreichische Barkeeper Kenny Klein, Geschäftsführer der Maniac Bar Artists in Bad Ischl, mit seinen Cocktails erzeugen und stellte sich die Frage: Wie erreicht man mit einem Cocktail den Frontallappen des Gehirns? „Ich wollte einen Cocktail entwickeln, der meine Gäste emotional berührt und in Erinnerung bleibt, und zwar länger. Deshalb habe ich mich mit allen menschlichen Sinnen auseinandergesetzt.“ Wissenschaftliche Artikel, Gespräche mit einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und die faszinierende Erkenntnis, dass der Geruchssinn das Fenster zum Gehirn sei und den Menschen am stärksten berühre, ließen den Bartender immer tiefer in die Wissenschaft eintauchen. Dabei konzentrierte er sich auf die Wahrnehmung über die Nase, die mit ihren Rezeptoren Tausende Gerüche unterscheiden, abspeichern und mit emotionalen Erlebnissen verknüpfen könne.

Ohne die Technik wären unsere Drinks nicht auf diesem Level.
Max Venning von der Drink Factory über hoch entwickelte Labortechnik als Grundlage der High-Class-Cocktails

Max Venning von der Drink Factory

Ausgangsbasis von Kenny Kleins Test waren über 200 Zutaten seiner Cocktails, die er katalogisierte, um sie anschließend auf die Homogenität ihres Aroma-Codes zu testen. „Geruch ist ein chemischer Reiz. Er besteht aus kleinen Molekülen in der Luft, die beim Einatmen auf unser Riechorgan stoßen. Ich habe alle Zutaten mit flüssigem Stickstoff versetzt, um die Moleküle in die Luft zu transportieren und zu intensivieren. Ohne die Zutaten zu verkosten, testete und katalogisierte ich alle Produkte einzeln, nur anhand ihres individuellen Aromas.“ Basis von Kenny Kleins Cocktail, den er für die Bacardi-Legacy-Vorausscheidung kreiert hat, sollte Bacardi Gold Rum sein.
Auf einer Skala von eins bis zehn testete er die perfekte Aroma-Homogenität der Zutaten, bis die Top fünf feststanden. Drei Tage lang ging es nur um das Riechen und Kategorisieren der Aromen, der Drink selbst und die Zusammenführung in flüssiger Form seien dann in 20 Minuten entstanden. Die Theorie besagt außerdem, dass der Mensch 80 Prozent von dem, was er riecht, auch schmeckt, deshalb war Kenny Klein nicht überrascht, dass die Zutaten auch im Geschmackstest überzeugten.
Beim Finetuning ging es dann nur noch um die Abstimmung der Balance und der Schwere des Alkohols. Ergebnis des Aroma-Code-Tests: der Cocktail „The golden moment“. „Das Ergebnis war wie eine kleine Offenbarung. Das schlägt ein wie die Liebe des Lebens.“ Auch bei der Jury in Berlin schlägt Kleins Aroma-Cocktail ein und sichert ihm das Ticket zur Finalrunde der Bacardi Legacy Cocktail Competition mit den besten Barkeepern aus 40 Ländern Anfang Mai in Sydney. Mission erfüllt. Aroma Code geknackt.

Die Erfindung eines neuen Cocktails ist wie eine Offenbarung.
Kenny Klein kreiert neue Drinks, indem er ihren Aroma-Code entschlüsselt

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