Der talentierte Mr. Beke
Die Gibson Bar versteht sich als Hommage an eine Reise ins Reich der Cocktails. Eine Zeitmaschine, die dem Gast durch die Auswahl seines Drinks sein Ziel selbst bestimmen lässt!“ – so stand es in der Getränkekarte und auf der Webseite von „The Gibson Bar“ zu lesen.
Die Gibson Bar versteht sich als Hommage an eine Reise ins Reich der Cocktails. Eine Zeitmaschine, die dem Gast durch die Auswahl seines Drinks sein Ziel selbst bestimmen lässt!“ – so stand es in der Getränkekarte und auf der Webseite von „The Gibson Bar“ zu lesen.
Erwarten konnte der Gast ein buntes, nicht enden wollendes Feuerwerk aus pompösen, ausufernden, perfekten Drinks. Jeder einzelne Cocktail glich in Geschmack und Erscheinung einem kleinen, aufwendigen Kunstwerk. Signature Cocktails – vom klassischen Gibson-Trio-Martini mit eingelegten Silberzwiebelchen über die Bloody Mary im Brotteig serviert bis hin zum Moonwalker im porzellanenen Astronautenanzug kredenzt — im eigenen, individuellen Behältnis wurden Drinks durch Form und Präsentation zusätzlich optisch zu Wunderwerken.
Kurz: Reduzierte Zurückhaltung oder zeitgeistigen Minimalismus suchte man hier vergebens. Und die Vergangenheitsform ist bewusst gewählt – denn seit diesem Sommer ist die Theke leergeräumt, die Webseite stillgelegt und die weltberühmte Jugendstil-Bar in 44 Old Street „Dauerhaft geschlossen!“ Was ist im verflixten siebenten Jahr des Dauererfolgs, der unzähligen globalen Auszeichnungen seit der Eröffnung des Mixologentempels 2016 geschehen?
Corona, Brexit und Wucher haben mich aus London vertrieben!
Marian Beke, Star-Mixologe
„Der Mietvertrag und meine Lizenz sind im Juli ausgelaufen und zu den neuen, unverschämten Bedingungen wollte und konnte ich nicht verlängern. Auch wenn es mir schwergefallen ist“, erklärt der Besitzer, einer der besten und einflussreichsten Barkeeper der Welt, Marian Beke, seinen vorläufigen Rückzug aus London.
„Die langandauernde Pandemie, der Brexit und ein unersättlicher Vermieter haben uns schließlich den Rest gegeben“, ergänzt der gebürtige Slowake mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Denn seine atemberaubende Erfolgsgeschichte wird weitergeschrieben werden. Nicht in der legendären Old Street, aber an anderen, vielen Orten rund um den Globus.
Bratislava als Mixologen-Kaderschmiede
„Ich wusste wohl schon im Alter von neun Jahren, in welche Richtung mein Leben einmal gehen würde“, erinnert sich der Star-Barkeeper an seine Jugend. Marian Beke wuchs in Žilina in der Slowakei auf. „Mein Vater hatte ein Wein- und Spirituosengeschäft und belieferte Restaurants und Bars in der ganzen, damaligen Tschechoslowakei“, erzählt der 40-Jährige.
„Schon als ich zehn Jahre alt war, half ich ihm bei den Snacks und servierte Wein im Glas über den Tresen im Geschäft.“ Sommelier wollte er werden und dann in die Fußstapfen des Vaters treten. Cocktailbars lernte Beke erst als Teenager kennen, als er nach Bratislava zog, Gastgewerbe studierte und seine ersten Gehversuche hinter dem Bar-Tresen machte.
Nach Erik Lorincz, Stanislav Vadrna, Alex Kratena oder Peter Marcina ein weiterer Fixstern am internationalen Bartender-Himmel, der in der slowakischen Hauptstadt zu leuchten begann.
„Wir sind ein sehr kleines Land und dass ausgerechnet so viele anerkannte Barkeeper in Bratislava begonnen haben, liegt wohl daran, dass wir den richtigen Riecher für gute Bars und die besten Lehrmeister im Ausland hatten“, versucht Beke die überdurchschnittliche Dichte an internationalen Star-Keepern, deren Karriere in Bratislava begann, zu erklären. „Diese Personalisierung für jeden Gast hat mich immer am meisten fasziniert“, meint Beke. „Flüssiges Kochen, nicht nur das Öffnen einer Flasche Bier oder das Einschenken eines Glases Wein, sondern das Anpassen des Getränks an die Wünsche des Gastes.“
In London schreibt Beke Bar-Geschichte
Naheliegend, dass es auch ihn mit 20 Jahren in die Ferne zog. London war für ihn – damals wie heute – der Zenit der Barkeeper-Szene: „Auch wenn Barcelona in den Best-Bar-Rankings jetzt ganz vorne liegt, in der Themse-Metropole wird noch immer die wahre, beständige Bar-Geschichte geschrieben.“
Unser spezieller The-Gibson-Spirit wird nun eben rund um die Welt gehen!
Marian Beke, The Gibson Bar Gründer
Sein Kumpel und Mentor Eric Lorincz hatte schon ein Jahr zuvor in London Fuß gefasst: „Erik konnte schon die Sprache und verschaffte mir einen Job im Club Attica.“ Beke war noch am Büffeln, musste sich in der Großstadt einleben, damals noch ganz ohne Internet und Social Media. „Meine Sprachschule hatte ein Internetcafé, da saß man stundenlang und erledigte seine E-Mails. Heute ist man immer und überall online — vielleicht nicht nur ein Segen“, sinniert Beke, der grundsätzlich oft und gerne in den sozialen Medien für seine Sache wirbt und seine Gedanken austauscht.
Als eine der prägendsten Bar-Persönlichkeiten hat er heute noch Agostino Perrone von der legendären Speakeasy Bar „Montgomery Place“ in bester Erinnerung: „Ago war mein großer Lehrmeister von Champagner bis Negroni. Von ihm lernte ich zudem alles, was italienische Gastfreundschaft und den Umgang mit Gästen anlangt.“ Das Hantieren mit flüssigem Stickstoff und Hightech-Equipment lehrte ihn sein Landsmann Alex Kratena im „Artesian“ und als Geschäftsführer vom „Nightjar“ verinnerlichte er das Rechnungswesen in der Branche.
2016 eröffnete er schließlich mit „The Gibson Bar“ sein erstes eigenes Unternehmen. „Ein Kulturschock“, sagt Beke über die Transformation vom Barkeeper und Manager zum Eigentümer: „Es kommt nicht darauf an, wie gut man als Barkeeper ist oder wie gut ein Cocktail ist – man kann den besten Cocktail der Welt zubereiten, aber das bedeutet nicht, dass man auch eine Bar eröffnen kann.“
Er schaffte diese Schere, trotz der 250.000 Pfund, die er für die Lizenz auf den Tisch legen musste. Nach einem Jahr war seine „The Gibson“ in 44 Old Street in allen Top-50-Rankings vertreten und mit der Opulenz seiner extravaganten Kreationen mit komplexen Zutaten und ausuferndem Erscheinungsbild setzte er neue Maßstäbe. Als Geheimnis seines Erfolgs sieht Beke „das tägliche Präsentsein hinter dem Tresen, die Liebe zu den Produkten und zu den Gästen.“
Ein Zusammenspiel, das momentan unterbrochen ist, aber für nicht lange…
Megadeal macht Gibson-Konzept global
Aber zurück zu den großen Plänen. Bekes grandioses „Gibson Bar“-Konzept geht jetzt in die nächste Runde: Im Juli ist der Vater einer vier Monate alten Tochter samt Partnerin nach Berlin gezogen und zum „Managing Partner“ avanciert. Partner der „Bellboy Group Tel Aviv“, der größten und am schnellsten wachsenden Hospitality und Investoren-Gruppe in Israel. „Bellboy gehören weltweit gut 150 Immobilien, die von angesehenen Hotelkonzernen angemietet werden und genau das ist der Ansatz für die neue Gibson-Zukunft“, verrät Beke.
Neben den erfolgreichen Bellboy Bars soll in den zentralsten Lagen von Metropolen wie Barcelona, Paris oder Mailand sein Gibson-Konzept reanimiert werden. „Nicht als Franchise, sondern als eigenständiger Teil der Bellboy Group auf der bewährten Basis von Drinks, Food und Entertainment.“
Den Anfang macht Berlin mit vier neuen Locations und einer Gibson Bar direkt am Gendarmenmarkt, die noch in diesem Jahr eröffnet werden soll. „Grundsätzlich sollen die Gibson-Säulen, was Ambiente und Cocktail-Kreationen anlangt, erhalten bleiben, aber wir werden uns regional der Stadt und dem Land etwas annähern.“
Der Star-Mixologe selbst wird wohl nicht mehr allabendlich hinter dem Tresen stehen, der Ideengeber wird zum Pendler zwischen seinen Gibson-Bars und seine heißbegehrten Masterclasses, die ihn auch zur Rolling Pin.Convention 2023 nach Graz führten, werden seltener stattfinden. Ob er auf seiner Bar-Rekrutierings-Tour auch Wien einen Besuch abstatten wird, lässt er vorerst noch kryptisch offen: „Wien wäre mit den vielen Touristen und dem anspruchsvollen Bar-Publikum eine ideale Basis für eine Gibson und eine Immobilie gäbe es da wohl auch!“
Österreich darf also gespannt bleiben.
Marian Beke
1983 im slowakischen Žilina als Sohn eines Weinhändlers geboren, absolviert Marian Beke erst ein -Gastro-nomiestudium, dann eine Barkeeper-Ausbildung in Bratislava. Mit 20 Jahren ging er nach London, Stationen in der „Attika Bar“, im „Montgomery Place“ oder in „The Nightjar“ folgten. 2016 eröffnete Beke mit „The Gibson Bar“ sein erstes eigenes Lokal in der Old Street und avancierte mit Extravaganz zu einem der besten Barkeeper der Welt. Im Juli 2023 sperrte er nun seine Bar zu. Seither ist Beke mit der israelischen Bellboy-Group auf globalem The-Gibson-Expansionskurs.