Upper Cut

Stefan Lastin war König vom See, wurde geputscht und formiert nun seine Truppe in der Gewerbezone neu. Ein Gegenschlag aus der kulinarisch feinen Ecke.
November 13, 2015

Upper Cut mit Stefan Lastin Fotos: Werner Krug

Auch mit reichlich Fantasie lassen sich die dröhnenden Motorengeräusche der vierspurigen Einzugsschneise nach Villach nicht in das lauschige Plätschern des Wörthersees gegen die Kaimauer in Velden verwandeln. Allerdings braucht es nur wenige Sekunden, um die stark frequentierte Maria-Gailer-Straße hinter sich zu lassen. Dann ist die Türe zu und Stefan Lastin wieder da.

Bullig, kahlköpfig, mit dem Schalk im Stiernacken und den frisch zerlegten Rinderhälften im Rücken. Hier in der Gewerbezeile 4 ist sein neues Hoheitsgebiet. Das Schloss Velden ist Geschichte. Ebenso warum und wie der Ex-Executive-Chef, der binnen fünf Monaten mit 17-Gault-Millau-Punkten das Schlossstern aus dem posttraumatischen Nickol-Schönheitsschlaf riss, gegangen war. „Als die Headhunter spitzbekamen, dass ich am Markt bin, klingelte mein Telefon nicht nur einmal. Aber warum soll ich nochmals ins Ausland? Meine Wanderjahre sind vorbei – ich will sesshaft werden.“ Lastin, 33 Jahre, entschied sich gegen ein lukratives Angebot in Singapur. Und für Kärnten. Für das…

Upper Cut mit Stefan Lastin Fotos: Werner Krug

Auch mit reichlich Fantasie lassen sich die dröhnenden Motorengeräusche der vierspurigen Einzugsschneise nach Villach nicht in das lauschige Plätschern des Wörthersees gegen die Kaimauer in Velden verwandeln. Allerdings braucht es nur wenige Sekunden, um die stark frequentierte Maria-Gailer-Straße hinter sich zu lassen. Dann ist die Türe zu und Stefan Lastin wieder da.

Bullig, kahlköpfig, mit dem Schalk im Stiernacken und den frisch zerlegten Rinderhälften im Rücken. Hier in der Gewerbezeile 4 ist sein neues Hoheitsgebiet. Das Schloss Velden ist Geschichte. Ebenso warum und wie der Ex-Executive-Chef, der binnen fünf Monaten mit 17-Gault-Millau-Punkten das Schlossstern aus dem posttraumatischen Nickol-Schönheitsschlaf riss, gegangen war. „Als die Headhunter spitzbekamen, dass ich am Markt bin, klingelte mein Telefon nicht nur einmal. Aber warum soll ich nochmals ins Ausland? Meine Wanderjahre sind vorbei – ich will sesshaft werden.“ Lastin, 33 Jahre, entschied sich gegen ein lukratives Angebot in Singapur. Und für Kärnten. Für das Headquarter von Frierss, einem heimischen Produzenten für Fleisch- und Wurstspezialitäten. Der Name: Feines Haus.

Stefan Lastin bereit zum Angriff Dort steht Lastin seit Anfang Juli aber nicht im Vertrieb oder in der Produktionsentwicklung. Sondern in der dreifach einsehbaren Küche am Pass. Die neue Frierss-Schaltzentrale ist nämlich die konzentriert-kärntnerische Variante des New Yorker Meatpacking Districts: Fleischproduktion, Fine Dine, Casual und Feinkost. Im Haupthaus, einer ehemaligen Schuh-Discounter-Filiale vor der Frierss’schen Zerlegungs- und Verarbeitungshalle und neben der Dependance eines Automobilclubs, haben die Innenarchitekten und Konzeptentwickler ganze Arbeit geleistet und einen Store aus der Taufe gehoben, der den Vergleich mit ähnlichen Häusern in urbanen Metropolen nicht scheuen muss. Weder optisch noch haptisch oder gar geschmacklich. Im Zentrum des kulinarischen Triumvirats aus Großmarkt, Einzelhandel und Restaurant: das Reich von Stefan Lastin, die Schauküche, die von den Theken der Feinkost-, Restaurant- und Barbereiche umrahmt ist.

Jeder dieser Bereiche wird von dieser gläsernen Schaltzentrale aus bedient. Im Feinkostbereich, dem namensgebenden Feinen Haus, das mit der Patina eines Lifestyle-Retro-Ladens versehen wurde, reicht das Angebot von den Fleisch- und Wurstspezialitäten aus Eigenproduktion über die Palette von kleinen Spezialitäten-Anbietern, denen sich Stefan Lastin auch in seiner Küche bedient, bis hin zu den sechs Gewürzmischungen, die er selbst entwickelt hat. In Handarbeit, zuerst nur für sich selbst, nun aber auch für die zahlungswillige Klientel, die sich zuvor von deren Qualität im direkt anschließenden Restaurantbereich überzeugen konnte. Und in den er nach nur zwei Wochen seit der Eröffnung mittags bis zu 130 unkompliziert, junge Couverts um etwa 8,50 Euro schickt.

Stefan Lastin

Allerdings liegt dort auch das teuflisch Gute im Detail beziehungsweise in einer kleinen Ecke versteckt. Um dieses Kind beim Namen zu nennen: Feines Eck – der Fine-Dine-Bereich des Konzeptstores. Mit leichten Vorhängen aus Gaze abgeteilt, wird an vier Tischen und für maximal 16 Gäste ganz im feinen Stil und Sinne von Lastin aufgetischt. Nur vielleicht ein wenig fleischlastiger. Bietet sich ja auch an, wenn man das Produktarsenal von Frierss im Rücken hat.

Eine fast kitschige Heimatromanze
Dass Lastin schon von einem gewissen Regionalwahn gebeutelt wurde, bevor es überall als Marketingschiene angepriesen wurde, ist bekannt. Dass sich diese Einstellung, die man durchaus der Obauer-Schule zuschreiben darf, auch in seiner neuen Wirkungsstätte nicht geändert hat, überrascht nicht. Seine Stilistik hat er sich Stück für Stück über die Jahre erarbeitet und klare Grundsätze dabei aufgestellt. „Für einen Koch ist die persönliche Linie das Wichtigste. Sonst bist du ganz schnell vergleichbar. Köche, die genau das nachkochen, was sie irgendwo sehen, gibt es viele. Das kommt dann vielleicht optisch der Vorlage nahe, aber den Geschmack bekommen die dann nicht hin.“ Das ist mit ein Grund, warum er von Trends nicht gar so viel hält. „Man muss nicht immer mit dem Schwarm mitschwimmen, was aber nicht bedeutet, dass ich mich gegen Neues verschließe. Du musst immer probieren, tüfteln, denken. Und dich und deine Techniken hinterfragen. Jede Welle hat was Gutes gebracht, man muss aber für sich selbst herauspicken, was zu einem passt. Das kann eine Anrichtepräsentation sein oder eine spezifische Kochtechnik.“ So passen beispielsweise gemahlene Ameisen in etwa so gut in die Küche von Lastin, wie ein Fön unter seinen Christbaum. Nämlich gar nicht.

phpvA5qpXWo wir wieder kurzfristig bei der Optik wären. Während Lastin durchaus als gestandener Mann durchgeht, haben seine Kreationen eine gewisse feingliedrige Form mit femininem Touch. Bulle vs. Blümchen? „Die Anrichteweise mag filigran sein, aber nur der Schönheit wegen landet bei uns keine Blume auf dem Teller. Das muss alles einen Sinn ergeben. Eine Lavendelblüte zu Gänseleber? Gerne. Aber niemals zu einem Kalb, dazu wäre sie viel zu heftig.“

So petit seine Gerichte auch aussehen, die Intensität der Komponenten strafen sämtlichen Vorurteilen Lügen. Denn die Aromendichte hat es in sich. Gut, dass es maximal drei Hauptgewürze sein dürfen, die Lastin als Geschmacksträger in seinen Gerichten duldet. „Alles mehr macht den Gaumen zu. Die Gäste müssen erkennen, was das Grundprodukt ist. Eine Petersilie hat nun mal wie eine Petersilie zu schmecken.“ Letztere bildet auch den roten Faden in seinem Gericht „Tauernkalb-Filet/Kopf/Backerl/Kompott mit Petersilie und Eierschwammerl“. Als Klammer findet sie sich in der Kruste, als Chip und als Creme von der Petersilienwurze auf dem Teller wieder. Was man in der Küche allerdings auch wiederfindet, sind bekannte Gesichter. Sein Team gleicht dem aus dem Schlossstern nämlich frappant. Allen voran Lastins Sous Chef, Thomas Maierbrugger. „Kochen ist Mannschaftssport, ohne Team geht gar nichts.“ Die Begeisterung und der Sound in der Küche lassen darauf schließen, dass das nicht nur eine schön formulierte Taktik, sondern gelebte Praxis ist.

ein Gericht vom Meister Stefan Lastin

Und sich mit seiner Brigade selbstständig machen? Das war für Lastin keine Option. „Ich bin lieber Angestellter und identifiziere und konzentriere mich zu 100 Prozent auf meine Arbeit. Und habe in meiner Freizeit den Kopf frei für meine Frau und mein Kind.“ Wobei, so ganz gedanklich ist Lastin nie raus. „Vor allem wenn ich im Auto sitze und nach Hause fahre, kommen mir die Ideen. Mittlerweile weiß ich ja ganz gut, wie was schmeckt und da kombiniere ich in meinem Kopf die unterschiedlichsten Sachen. So entstehen bei mir die meisten Gerichte.“ Mindmapping à la Lastin, das dann in der Früh im Betrieb umgesetzt wird. Eine Stunde am Tag ist für neue Tüfteleien geblockt.

Demut zur Materie und sich ständig selbst hinterfragen. Sonst geht es nicht. Vor allem nicht weiter.
Stefan Lastins Kochphilosophie

Stefan Lastin ist glücklich, so wie es gekommen ist. Aber eine Frage brennt dennoch auf der Zunge. Nach dem Sensationserfolg im Schlossstern, liegen die Erwartungen hoch, dass die Leistung wiederholt wird. Auch beim Arbeitgeber? „Wir haben das Feine Eck nicht, um in Schönheit zu sterben. Das muss sich wirtschaftlich rentieren. Dazu gibt es Vorgaben, aber nicht zu den Auszeichnungen.“ Ob diese hinkommen, wird sich herausstellen, denn im Moment ist es sogar noch zu früh, um den genauen Wareneinsatz ermitteln zu können. Der erste wird gerade erstellt. Und die Erwartungen, die Lastin an sich selbst stellt? Darauf kommt dann sein Klassiker: „Was geht, das geht. Rudi Obauer hat einmal zu mir gesagt: ‚Das Wichtigste ist, am Boden zu bleiben. Der Rest kommt von selbst‘. Und daran halte ich mich.“

Wenn sich Lastin also an das hält, was er kann, nämlich kochen, dann sieht die Zukunft so rosig aus, wie die Dämmerung über dem Wörthersee. Der Blick auf selbigen fehlt zwar, aber das ist, mit Verlaub, nicht nur Stefan Lastin komplett wurst.

www.frierss.at

Hier geht’s zu den großartigen Rezepten von Stefan Lastin und anderen Starköchen!

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