Moderner Paleokoch: Thomas Rode Andersen

Er gilt als Mit­begründer der Nordischen Revolution und zählt mittlerweile zu ihren schärfsten Kritikern. Thomas Rode Andersen über Redzepi-Kopisten und darüber, warum die Paleobewegung an Fahrtwind verloren hat.
August 31, 2017 | Text: Georg Hoffelner | Fotos: Wolfgang Hummer, Kong Hans Kælder, Monika Reiter, Helge O. Sommer, Territorium

Noch kurz vor dem Interview bearbeitet Thomas Rode Andersen seinen mehr als 1000 Quadratmeter großen Garten mit einem Bagger. Dort fühlt sich der einstige Sternekoch derzeit anscheinend am wohlsten, hat er sich doch schon vor Jahren komplett von der Spitzengastronomie verabschiedet. Heute kombiniert er Erkenntnisse aus der Evolutionswissenschaft mit Elementen der modernen Küche und den Kochmethoden unserer Vorfahren und will sein Wissen rund um das Steinzeitessen in die Welt hinaustragen. Der toughe Mit­begründer der New Nordic Cuisine über seine kulinarischen Lehrmeister aus Österreich, Fadesse in der nordischen Küche und darüber, weshalb seine heiß geliebte Steinzeitküche nicht mehr so gehypt wird wie früher.

 

Sie sind ja in Ihrer Karriere vor allem durch Ihre Zeit bei den Obauer-Brüdern geprägt worden. Was sind die Gedanken an diese Zeit?
Thomas Rode Andersen: Ich denke heute noch jeden Tag an die beiden zurück. Ihre Philosophie war schon damals wegweisend und hat auch meine Sichtweise auf die Dinge beeinflusst. Sie haben sich schon damals für Regionalität starkgemacht, aber einen wichtigen Punkt stets im Auge behalten: Man muss auch über den Tellerrand blicken. So wurde zum Beispiel ein regionales Produkt mit Gewürzen aus China oder einer malaysischen Sauce kombiniert. Um die eigene Linie permanent zu erneuern, damit etwas passiert. Man muss schon darauf achten, wo man herkommt, aber auch rausschauen, um Spannung reinzubekommen. Was mich ganz besonders erstaunt hat, als ich vor etwa vier Jahren das letzte Mal dort war: Ich hätte in die Küche gehen können und den Service mitmachen. Da war alles noch wie früher an seinem rechten Fleck.

Sie gelten ja als Mitbegründer der New Nordic Cuisine. Wie sind Sie denn mit den aktuellen Entwicklungen im hohen Norden zufrieden? 
Rode Andersen: Na ja. Das, was da in den letzten Jahren abgegangen ist, war natürlich spitze! Das hätte ich mir nie gedacht! Vor allem nicht, dass Dänemark eine solche kulinarische Bastion wird. Hätte mir jemand vor 15 Jahren erzählt, dass unser Land international einmal so dastehen wird, hätte ich ihn für verrückt erklärt! Da ist natürlich viel Gutes passiert. Aber wenn man aktuell hier bei uns im Norden in den verschiedensten Fine-Dine-Tempeln essen geht, kommt da meist ein und dasselbe auf den Tisch. Die gleichen Techniken und immer die gleichen Produkte. Das wird schon langsam langweilig. Es ist natürlich toll, dass hier bei uns mittlerweile sogar Unkraut einen Stellenwert hat, aber man muss ehrlich sagen: Sehr oft bringen solche Produkte kulinarisch rein gar nichts. Thymian schmeckt nun mal besser als Vogelgras. Das ist ein Fakt. Punkt!

Noch kurz vor dem Interview bearbeitet Thomas Rode Andersen seinen mehr als 1000 Quadratmeter großen Garten mit einem Bagger. Dort fühlt sich der einstige Sternekoch derzeit anscheinend am wohlsten, hat er sich doch schon vor Jahren komplett von der Spitzengastronomie verabschiedet. Heute kombiniert er Erkenntnisse aus der Evolutionswissenschaft mit Elementen der modernen Küche und den Kochmethoden unserer Vorfahren und will sein Wissen rund um das Steinzeitessen in die Welt hinaustragen. Der toughe Mit­begründer der New Nordic Cuisine über seine kulinarischen Lehrmeister aus Österreich, Fadesse in der nordischen Küche und darüber, weshalb seine heiß geliebte Steinzeitküche nicht mehr so gehypt wird wie früher.

 

Sie sind ja in Ihrer Karriere vor allem durch Ihre Zeit bei den Obauer-Brüdern geprägt worden. Was sind die Gedanken an diese Zeit?
Thomas Rode Andersen: Ich denke heute noch jeden Tag an die beiden zurück. Ihre Philosophie war schon damals wegweisend und hat auch meine Sichtweise auf die Dinge beeinflusst. Sie haben sich schon damals für Regionalität starkgemacht, aber einen wichtigen Punkt stets im Auge behalten: Man muss auch über den Tellerrand blicken. So wurde zum Beispiel ein regionales Produkt mit Gewürzen aus China oder einer malaysischen Sauce kombiniert. Um die eigene Linie permanent zu erneuern, damit etwas passiert. Man muss schon darauf achten, wo man herkommt, aber auch rausschauen, um Spannung reinzubekommen. Was mich ganz besonders erstaunt hat, als ich vor etwa vier Jahren das letzte Mal dort war: Ich hätte in die Küche gehen können und den Service mitmachen. Da war alles noch wie früher an seinem rechten Fleck.

Sie gelten ja als Mitbegründer der New Nordic Cuisine. Wie sind Sie denn mit den aktuellen Entwicklungen im hohen Norden zufrieden?
Rode Andersen: Na ja. Das, was da in den letzten Jahren abgegangen ist, war natürlich spitze! Das hätte ich mir nie gedacht! Vor allem nicht, dass Dänemark eine solche kulinarische Bastion wird. Hätte mir jemand vor 15 Jahren erzählt, dass unser Land international einmal so dastehen wird, hätte ich ihn für verrückt erklärt! Da ist natürlich viel Gutes passiert. Aber wenn man aktuell hier bei uns im Norden in den verschiedensten Fine-Dine-Tempeln essen geht, kommt da meist ein und dasselbe auf den Tisch. Die gleichen Techniken und immer die gleichen Produkte. Das wird schon langsam langweilig. Es ist natürlich toll, dass hier bei uns mittlerweile sogar Unkraut einen Stellenwert hat, aber man muss ehrlich sagen: Sehr oft bringen solche Produkte kulinarisch rein gar nichts. Thymian schmeckt nun mal besser als Vogelgras. Das ist ein Fakt. Punkt!

Da drehen sich anscheinend die Redzepi-Kopisten derzeit eher im Kreis, oder?
Rode Andersen: Genau. Er selbst bewegt sich ständig weiter, forscht in anderen Ländern nach neuen Produkten und Herausforderungen. Das ist gut und wichtig. Seine Neugier und Leidenschaft sind extrem ansteckend.

Gibt es in Skandinavien eigentlich wieder Köche, die bewusst in eine ganz andere Richtung gehen? Vielleicht klassisch französisch kochen, um einen Gegenpol zu bilden?
Rode Andersen: Mein Nachfolger im Kong Hans Kælder etwa macht das. Vielleicht etwas zu klassisch. Da fehlt meiner Meinung nach hin und wieder der Kick.

Wie sieht es eigentlich mit Ihrer eigenen Küchenliebe aus? Keinen Bock darauf, wieder fix hinter den Herd einer Profiküche zu wechseln?
Rode Andersen: Ich könnte mir durchaus vorstellen, ein Restaurantkonzept zu entwickeln und es zusammen mit einem Koch, der noch Saft, Kraft und Lust hat, umzusetzen. Aber selbst wieder für jeden Tag hinter den Herd: nie wieder! Dafür gibt es zu viele andere Projekte und Interessen, die mir wichtiger geworden sind. Ich habe es ja 30 Jahre lang gemacht, also ich weiß schon, was da abläuft.

Und wie würde dann ein eigenes Konzept aussehen?
Rode Andersen: Die Produkte sollten so ursprünglich wie möglich belassen werden. Und es würde sehr viel Gemüse vorkommen. Wenn ich denke, wie viel Inspiration es mir alleine bringt, in meinen eigenen Garten zu gehen, es ist einfach genial. Frische Eier, Kräuter und knackiges Gemüse: Wie können da manche Kollegen mitten im Sommer schwarze Trüffel aus Australien importieren? Es gibt doch Erbsen oder Kürbis. Wieso braucht man dann solchen Edelschnickschnack? Vielleicht im Winter, wenn es sonst nicht viel Frisches gibt, dann lasse ich mir das noch einreden, aber so? Für den Fall, dass ich also morgen ein Restaurant aufmachen sollte, würde ich auf jeden Fall ein spannendes vegetarisches Lokal eröffnen, bei dem die Karte aus grandiosen Gerichten besteht und man sich als Option tolles Fleisch in bestmöglicher Qualität zu den jeweiligen Gerichten dazubestellen kann.

Wie würden Sie denn eigentlich Ihr aktuelles berufliches Dasein bezeichnen?
Rode Andersen: Als Koch.

Schon noch Koch? Wie kann man sich Ihren derzeitigen Tagesablauf vorstellen? 
Rode Andersen: Viel Zeit geht vor allem einmal in unserem 1000 Quadratmeter großen Garten drauf. Ich habe jetzt aber eigentlich erreicht, was ich immer schon wollte: kochen, aber auch viele andere Dinge erleben. Dadurch gestaltet sich bei mir jetzt jeder Tag extrem verschieden. Ich trainiere Leute im Crossfit-Bereich, ich koche und habe eine Firma, mit der wir Genießer mit den besten Produkten beliefern. Momentan hauptsächlich noch Fisch aus Island und Fleisch aus Irland, aber das Sortiment wächst ständig. Wir haben auch Pata-negra-Schwein aus Spanien. Vor allem im Bio-Gemüse-Bereich wollen wir in Zukunft vermehrt Gas geben. Ziel ist es, tolle, faire Produkte anzubieten, von denen alle etwas haben. Die Produzenten sollen anständiges Geld für ihre Leistung bekommen und die Kunden tadellose gesunde Produkte. Supermärkte versauen doch nur alles. Das alles wird über unseren Webshop vertrieben. Zudem bieten wir auch noch vorgekochtes Essen an, damit sehr beschäftigte Familien auch anständige Gerichte auf den Tisch bekommen.

Ist dieses Angebot auch auf Paleo aufgebaut? 
Rode Andersen: Es sind zumindest dieselben Grundgedanken. Also keine Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel und alles so clean wie irgendwie möglich. Wie sind Sie eigentlich auf die Steinzeitküche gestoßen? Rode Andersen: Meine Frau Thilde und ich kochen seit 2009 nach der Steinzeit-Diät. Ich habe mich davor schon gesund ernährt und Vollkornprodukte gegessen, aber bereits eine halbe Stunde nach dem Abendessen fühlte ich mich müde. Ein Freund brachte mich auf die Idee, es mit der Paleodiät zu versuchen. Zwischen 20 bis 40 Prozent Fett und 35 Prozent Proteine nehme ich nun seitdem täglich zu mir. Der Rest sind Kohlenhydrate, aber nur in Form von Gemüse und Obst.

Wie erleben Sie denn derzeit die Paleobewegung? Ist das Interesse noch da oder nimmt das schon wieder ab? 
Rode Andersen: Ich würde sagen: Viele Dinge, die da propagiert wurden, haben Gott sei Dank schon eine breitere Akzeptanz gefunden. Es ist also keine Sensation mehr, für die Leute nichts wirklich Neues. Daher hat das Interesse bestimmt etwas nachgelassen. Die ganze Bewegung wurde ja immer als Steinzeitküche betitelt und damit war ich nie wirklich glücklich. Ein blöder Titel für das Jahr 2017. Ursprüngliche Küche wäre passender, hört sich aber natürlich nicht so spannend an und lässt sich nicht so gut verkaufen, darum haben die Medien eben Steinzeitküche dazu gesagt. Aber der Hype ist erst mal vorbei. Es lohnt sich aber, die Steinzeitküche einmal zumindest für 30 Tage auszuprobieren. Natürlich nutzt aber das beste Neandertaleressen nichts, wenn die Qualiät der Lebensmittel nicht stimmt.

Und was halten Sie von der veganen Bewegung oder von Flexitariern?
Rode Andersen: Der Grundgedanke ist gut. Es geht gegen Tierquälerei und Ausbeutung! Fleischkonsum nur noch selten, dafür mit Spitzenqualität. Wir produzieren aktuell viel mehr Essen, als wir tatsächlich benötigen. Da haben die Veganer recht. Was ich aber nicht verstehe, sind solche, die Scheiße fressen. Würden sie schönes Gemüse essen: o.k.! Aber sehr oft stecken die sich irgendwelche Sojaprodukte aus dem Supermarkt in den Mund, die eine ökologische Katastrophe darstellen. Die Art, wie heutzutage Soja produziert wird, ist doch völlig hirnverbrannt. Auch aus ernährungstechnischer Sicht ist es Schwachsinn. Das macht keinen Sinn.

Kann man auch zu gesund leben, sich zu viele Gedanken über Ernährung machen? 
Rode Andersen: Bestimmt. Sich nur auf Kalorienzählen zu versteifen, bringt doch auch nichts. Oder nur nach Rezept zu leben. Aber wenn man sich daran hält, wie die Menschen eben früher gelebt haben, sich ernährt haben, kann man, denke ich, nicht so falsch liegen und einigermaßen essen, was man will. Bis man das alles aber versteht, muss man vielleicht einige Jahre wirklich einmal zu gesund leben und sich aktiv mit diesem so wichtigen Thema auseinandersetzen. Organisch angebautes Gemüse kaufen, fair gehaltenes Tierfleisch konsumieren: Dann kann man sich auch immer wieder einmal einen Kuchen oder eine Schüssel Eis gönnen, aber doch nicht täglich! Das macht keinen Sinn! Das kostet uns alle zu viel Geld. Die Leute werden zu leicht krank und das fällt uns und unserem Gesundheitssystem wieder auf den Kopf. Der Mensch hat ein großes Problem: Wir leben nach unseren Präferenzen. Was ist billig, was geht schnell oder was hat eine schöne Farbe? Das zählt mehr als das, was wir eigentlich instinktiv essen. Da kann man gleich Plastikkugeln oder Sand essen, da hat man dann gleich viel davon! Solcher Supermarktmüll hat null Nährstoffe. Da gibt es also noch viel Aufklärungsarbeit.

Wenn Sie in die nächsten fünf Jahre blicken, was würden Sie diesbezüglich noch gerne erreichen?
Rode Andersen: Wenn ich Geld verdienen könnte und gleichzeitig die Menschen um mich herum zu mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit Lebensmitteln und Kulinarik verleiten könnte, wäre das spitze! Und vielleicht auch noch ein Restaurant realisieren.

Da haben Sie also schon wirklich Lust darauf, merkt man. 
Rode Andersen:
Also auf jeden Fall. Doch wie gesagt: nur als derjenige, der das Konzept und die Strategie vorgibt. Ins tagtägliche Küchenbusiness muss ich nicht mehr.

rodentiletgodtliv.dk

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