Diego Bonetto: Sydneys extremster Sammler
Nach einem grandiosen Dinner in Sydneys Momofuku Seiobo war die Nacht kurz und sieben Uhr früh eigentlich viel zu unmenschlich für den ersten Fotoshootingtermin des Tages. Doch für Australiens schrägsten Foodhunter nimmt man auch Schlafentzug gerne in Kauf. „The weedy one“ nennt Sydneys Fine-Dine-Szene den gebürtigen Italiener.
Warum in die Ferne schweifen?
Und der Begriff passt zur drahtigen Quasselstrippe wie die Faust aufs Auge. Heißt der Begriff „weedy“ übersetzt nämlich zum einen „spindeldürr“ und zum anderen „verunkrautet“. Treffpunkt mit Bonetto ist Tempe Station nahe dem Mackey Park. Und unglaublich, aber wahr: Kaum vier Meter gehen wir mit dem Kräuterguru in den Park und der leidenschaftliche Forager hält auch schon die ersten zehn verschiedenen Kräuter in der Hand.
Nach einem grandiosen Dinner in Sydneys Momofuku Seiobo war die Nacht kurz und sieben Uhr früh eigentlich viel zu unmenschlich für den ersten Fotoshootingtermin des Tages. Doch für Australiens schrägsten Foodhunter nimmt man auch Schlafentzug gerne in Kauf. „The weedy one“ nennt Sydneys Fine-Dine-Szene den gebürtigen Italiener.
Warum in die Ferne schweifen?
Und der Begriff passt zur drahtigen Quasselstrippe wie die Faust aufs Auge. Heißt der Begriff „weedy“ übersetzt nämlich zum einen „spindeldürr“ und zum anderen „verunkrautet“. Treffpunkt mit Bonetto ist Tempe Station nahe dem Mackey Park. Und unglaublich, aber wahr: Kaum vier Meter gehen wir mit dem Kräuterguru in den Park und der leidenschaftliche Forager hält auch schon die ersten zehn verschiedenen Kräuter in der Hand.
Den Krähenfuß-Wegerich zum Beispiel. Eine etwa fünf bis 25 Zentimeter große Pflanze, deren Laubblätter in einer grundständigen Rosette stehen und die einen langen, blätterlosen, blütentragenden Stängel ausbildet. Der Krähenfuß-Wegerich wurde in der Vergangenheit oft als Gemüse genutzt, dann war es lange Zeit ruhig um dieses Gewächs, doch seit einiger Zeit erlebt der Krähenfuß-Wegerich einen Aufschwung.
Heute ist er wieder vermehrt auf dem Wochenmarkt, in Spezialitätenläden und in Bioläden zu finden. Er findet auch als Mischungspartner in der Saatgutmischung Misticanza seinen Platz. „Die Pflanze kann roh oder gekocht gegessen werden. Der Geschmack ist leicht bitter, auch säuerlich und kann, je nach Anbauort, auch schwach salzig sein“, schwärmt Bonetto von seinem Fund.
Man braucht keine zwei Meter aus dem Haus zu laufen und findet schon jede Menge Pflanzen oder Kräuter!
Diego Bonetto über die vielfältigen Möglichkeiten
Italo-Australo-Fanatico Der gebürtige Italiener kam vor etwa 25 Jahren nach Australien. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Sydney wurde ihm bewusst, dass viele der Pflanzen, die er bereits aus Italien kannte, auch in Sydney zu finden waren. Ausgehend von diesem Wissensstand konnte er die ihm noch unbekannte Pflanzenwelt entdecken. So begann Bonetto, sich sein näheres Umfeld genauer anzusehen und die Pflanzen, Beeren und Kräuter der näheren Nachbarschaft genauer zu erkunden.
Und bald stellte er fest, dass es nicht nur Menschen aus der ganzen Welt in Australien gibt, sondern dass sich auch die Pflanzenwelt aus aller Herren Länder zusammensetzt. Es gibt also eine sehr reichhaltige Botanik in Australien. Bonetto ist eine Art Umweltpädagoge. Er bietet geführte Touren durch Sydneys Parks und die nähere Umgebung an, in denen er Interessierten zeigt, welche kulinarischen Schätze direkt vor ihrer Haustüre liegen.
Wandelndes Lexikon
Gleichzeitig arbeitet er auch sehr stark mit Sydneys Spitzenchefs, Alternativmedizinern, Seifenmachern oder Bierbrauern zusammen und vermittelt ihnen ein neues Umweltverständnis. Ein Wissen, das die heutige Gesellschaft schon wieder verlernt hat. Vor drei Generationen war es noch weitverbreitet, dass die Omas ihren Kindern und Enkelkindern erklärten, was man in Wald, auf Wiesen oder im eigenen Garten essen kann.
Heute ist dieses Wissen großteils verloren gegangen. Warum in die Ferne schweifen? Geht es nach Bonetto, muss man nicht weit gehen, um Essbares zu finden: „Man braucht keine zwei Meter aus dem Haus zu laufen und findet schon jede Menge Pflanzen oder Kräuter!“ Wie etwa auch die Steineibe „Podocarpus elatus“. Eine große, bis zu 36 Meter hohe Konifere aus den Wäldern des nördlichen und östlichen Australien, mit einer ausladenden Krone und langen, dunkelgrünen Blättern.
Die fleischigen, pflaumenartigen Früchte sind essbar. Oder der sogenannte Känguruapfel. Ein Nachtschattengewächs mit lilablauen Blüten aus Australien, Tasmanien und Neuseeland. Er hat eine kräftig orange Farbe mit exotisch-fruchtigem, leicht herbem Geschmack. Die reifen Früchte werden von den Einheimischen als Wildobst verwendet, doch die unreifen grünen und gelben Früchte sind, wie bei allen Nachtschattengewächsen, giftig.
„Die unreifen Früchte, junge Blätter und das Mark der getrockneten Stängel enthalten einen cortisonähnlichen Wirkstoff. Bei den Maori wird er traditionell für das Einreiben der Haut nach Tätowierungen, Geschwüren oder Blutergüssen verwendet, da er entzündungshemmend wirkt“, weiß Bonetto zusätzlich zu berichten.
Man merkt bei jedem neuen Fund, wie sehr der Italiener in seinem Element ist und mit beinahe kindlicher Freude über die jeweiligen Vorzüge seiner Schätze referiert. Diese Faszination steckt an und hat natürlich auch Sydneys Gastrobranche infiziert. Es ist erstaunlich, wie viele Spitzenchefs auf die Expertise Bonettos zurückgreifen und ihren Kreationen durch die teils komplett eigenständigen Aromen neuen Pfiff verleihen.
Italo-Australo-Fanatico
Doch nicht nur Köche schätzen den Input, auch Sydneys angesagteste Barkeeper Trolleyd schwören auf Bonettos Fundstücke und mixen sich mit Gänsedisteln oder Hirtentäschel in die Herzen aller Mixologen. Vor allem Letzteres ist ein Allroundtalent: Sowohl junge Triebe mit Blüten und Knospen als auch die Blätter des Hirtentäschels schmecken roh im Salat und im Smoothie, gegart in Gemüsefüllungen und gedünstet als Beilage.
Die kleinen, herzförmigen Früchte sind mit ihrem feinen Nussaroma eine köstliche Salatzutat. Reife Samen werden wie Pfeffer verwendet oder zu Senf verarbeitet. Die Wurzel ergibt getrocknet und gerieben ein ingwerartiges Gewürzpulver. Sie wird dazu im frühen Frühjahr vor der Blüte geerntet.
Genau diese Preziosen sind es, die Bonetto begeistern: „Ich liebe, was ich tue. Das Ganze hat eine Wahrhaftigkeit, eine Gültigkeit. Ich bin nicht nur ein verrückter kleiner Italiener, der mit schrägen Ideen über die Wiese läuft.“ Er macht sich auf die Suche nach spannenden Früchten und Pflanzen, weil es viel sinnvoller ist, als Tonnen an Gift in irgendwelche Äcker zu schütten, nur um industriell gefertigten Müll in steril abgepackten Supermärkten daraus zu erhalten. Und genau diese überall verfügbare Vielfalt vor der Haustüre will Bonetto den Menschen wieder vor Augen führen.
www.diegobonetto.com