Mut zur Hässlichkeit
Unförmiges Gemüse hat es schwer
Ob Salatkopf, Gurke oder Karotte. In Supermärkten geht es in der Regel sehr konform und standardisiert zu – alle entsprechen der Norm, keiner fällt aus dem Raster. Unförmiges Gemüse hat es hierzulande schwer. Natürlich ist das nicht. Dass es in den Läden so aussieht, liegt unter anderem an EU-Normen, die die Größe und Form von Gemüse regulieren, wodurch das „hässliche“ Gemüse auf den Feldern liegen bleibt oder in der Mülltonne landet.
Der Online-Reservierungsservice Bookatable fragte direkt bei 600 Restaurantgästen aus dem deutschsprachigem Raum nach: Wie finden Sie es, dass unförmiges Gemüse nicht verkauft und verarbeitet wird? Denken Sie, dass Restaurants dieses Gemüse nicht lieber verwenden sollten? Die Meinung ist hier einhellig: 93 Prozent der Befragten finden Regelungen verkehrt, die den Verkauf natürlich geformten Gemüses zu stark regulieren oder gar verhindern. Über ein Drittel der Gäste (36 Prozent) gab sogar an, ein Restaurant, dass solch „hässliches“ Gemüse verarbeitet, gegenüber anderen Lokalen zu bevorzugen.
Das Bewusstsein der Verbraucher in puncto Lebensmittelverschwendung scheint immer größer zu werden. Nur sechs Prozent der befragten Gäste gaben an, immer das Gemüse zu kaufen, das am besten aussieht. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) ist sich jedoch einig, dass es bei gutem Gemüse auf den Geschmack ankommt und nicht auf die Optik. Weitere 40 Prozent unterstützen generell keine Regelungen, die dazu führen, dass zu viele essbare Lebensmittel in der Mülltonne landen.
Die Gäste sehen durchaus die Restaurants in der Verantwortung, bewusst mit Lebensmitteln umzugehen. 47 Prozent der Befragten fänden es sehr gut, wenn Restaurants auch gezielt „hässliches“ Gemüse einkaufen und verarbeiten. 36 Prozent gehen sogar so weit und würden diese Restaurants dann auch häufiger besuchen. Lediglich drei Prozent fänden die Vorstellung komisch und würden Lokale meiden, die mit unförmigem Gemüse kochen. Vier Prozent ließen sich auf das Konzept ein, wenn Restaurants ihre Speisen dann auch günstiger anbieten würden. „Bei der Umfrage wollten wir herausfinden, ob Gäste Vorurteile gegenüber nicht Norm-konformem Gemüse hegen“, sagt Thomas Bergmann, Regional Director D-A-CH bei Bookatable by Michelin. „Die Ergebnisse belegen das genaue Gegenteil. Gäste wissen sogar gezielt gastronomische Konzepte zu schätzen, die sich mit dem Thema Lebensmittelverschwendung auseinandersetzen. Natürlich ist es nicht allein an den Restaurants hier entgegenzusteuern, auch Konsumenten müssen bewusster einkaufen. Dennoch können Gastronomen mit gutem Beispiel vorangehen und andere Restaurants und Gäste so von einem bewussteren Umgang mit lebenswichtigen Ressourcen überzeugen.“
Hässlich als neues Bio?
Inzwischen gibt es einige Startups, deren Geschäftsmodell sich auf den Verkauf von hässlichen Knollen und Köpfen stützt. Diese kaufen das krumme Gemüse und liefern es als Bio-Kiste direkt an die Verbraucher. 89 Prozent der befragten Gäste sind der Meinung, dass Restaurants auch sehr gut mit diesen Startups arbeiten könnten, um eine Alternative zum standardisierten Großmarkt zu bilden. Auch die Gastronomen sind dieser Idee nicht abgeneigt. Bei einer Stichprobe von 23 befragten Gastronomen können sich 91 Prozent vorstellen, hässliches Gemüse einzukaufen, sofern Qualität und Geschmack stimmen. Zudem sind sich 77 Prozent sicher, dass sie mit der Verarbeitung hässlicher Rüben durchaus Gäste locken könnten. Die Umfrage zeigt: Damit würden sie Recht behalten. Das Thema Nachhaltigkeit geht damit in die nächste Runde und vielleicht ist nun „hässlich“ das neue Bio.