Angriff aufs Trinkgeld: Eigentor mit Folgen!
Ein Gastronom berichtet von Nachforderungen in Höhe von 120.000 Euro, ein anderer sogar von 150.000 Euro. Fünf Jahre rückwirkend nimmt die ÖGK (Österreichische Gebietskrankengasse) im Falle einer Prüfung ganz konkret die Trinkgelder der Service-Mitarbeiter ins Visier. Anhand der verpflichtenden Registrierkassen könne sie evaluieren, wie viel an Trinkgeldern geflossen sei, heißt es. Die daraus resultierenden zusätzlichen Forderungen der Sozialversicherung muss der Arbeitgeber decken – und das wird sehr schnell sehr teuer.

Kein Wunder, dass die Wogen hochgehen und Gastronomen auf die Barrikaden steigen. Doch selbst mit objektivem Abstand und einer Portion Menschenverstand lassen sich viele Aspekte dieser Gesamtsituation weder begreifen noch nachvollziehen: Warum versucht man eine Branche, die ohnehin bloß fünf bis fünfzehn Prozent Gewinn macht, noch stärker unter Druck zu setzen? Warum saniert man das Budget nicht dort, wo es mehr finanzielle Spielräume gibt? Wieso werden ausgerechnet jene, die durch Energiekrise und Inflation schon so richtig gebeutelt wurden, erneut belastet?
Besonders betroffen sind die Service-Mitarbeiter, die langfristig unter solchen Rahmenbedingungen leiden werden. Denn offensichtlich hat man sich bei der ÖGK nicht gefragt, welche Kettenreaktion durch dieses rigorose Vorgehen gegen die Trinkgelder in Gang gesetzt wird. Hier die bittere Realität:
Jene Gastronomen, die die Nachzahlungen überleben – für viele wird es der Todesstoß sein – sind von Rechts wegen gezwungen, einen Teilbetrag auch von ihren Mitarbeitern einzufordern. Das bedeutet: Den Servicekräften, für die das Trinkgeld nicht nur ein essenzieller Bestandteil ihres Gehalts ist, sondern auch eine Motivation, unorthodoxe Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, wird dieses gekürzt. Gleichzeitig steigen für die Arbeitgeber die Kosten, weshalb sie weniger Gehalt zahlen können.
Die weiteren Folgen kann sich jeder selbst ausmalen: Noch weniger Menschen wollen in der Gastronomie arbeiten, noch mehr Gaststätten müssen schließen, und diejenigen, die ihren Betrieb aufrechterhalten können, werden gezwungen sein, ihre Preise zu erhöhen. Dann kostet das Wiener Schnitzel bald nicht mehr – wie bereits kritisch diskutiert – 30, sondern 40 oder 50 Euro. Und das können sich viele Gäste nicht mehr leisten.
Das Ende vom Lied: Weniger Betriebe bedeuten weniger Mitarbeiter, weniger Mitarbeiter bedeuten weniger Abgaben an die ÖGK. Sprich: Die Sozialversicherung schneidet sich damit ins eigene Fleisch.
Tatsache ist allerdings, dass das harsche Vorgehen der Sozialversicherung rechtlich absolut gedeckt ist – das bestätigen auch Steuerexperten. Tatsache ist aber auch, dass dieses Thema in Österreich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird. Während in manchen keine großen Nachzahlungen zu erwarten sind, werden Gastronomen in der Steiermark etwa und in Salzburg sehr wohl nachträglich zur Kasse gebeten. Sprich: Die Situation ist nicht nur gefühlt ungerecht – sie ist es tatsächlich.
Und: Auch eine Behörde, die ein Gesetz exekutiert, sollte sich stets die Frage stellen, ob alles, was rechtlich zulässig ist, auch tatsächlich richtig ist. Egal, wie man es dreht und wendet – bei dieser Rechtsauslegung gibt es langfristig nur Verlierer.
Das bedeutet jedoch nicht, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Vielmehr wurde das Thema Trinkgeld, dessen Besteuerung und dessen gesellschaftliche Relevanz, von Arbeitgebern und Gesetzgebern sträflich vernachlässigt. Ganz offensichtlich passt hier vieles nicht zusammen, es gibt mehr als nur kleine Unschärfen.
Was aber läuft wirklich falsch? Was gilt es zu verbessern und wie wichtig ist Trinkgeld für die Servicemitarbeiter wirklich? Rolling Pin ruft alle Gastronomen und Mitarbeiter der Branche auf, ihre Geschichte zu erzählen. In wenigen persönlichen Worten zu erzählen, warum Trinkgeld so wichtig ist. (Per E-Mail unter: onlineredaktion@rollingpin.com oder per Sprachnachricht an: 0660/8709462).
Jeden Tag wird eine „Trinkgeld. NEU!“-Story auf dem Webportal von Rolling Pin veröffentlicht und an die politischen Entscheidungsträger weitergegeben.
Ziel der Kampagne: Die Bundesregierung dazu zu bewegen, eine neue, einheitliche Trinkgeld-Regelung zu erarbeiten. Eine, die in allen Bundesländern gilt, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen sinnvoll und praktikabel ist und auf die sich beide Seiten frühzeitig einstellen können, statt nachträglich zur Kasse gebeten zu werden.