(R)Evolution im Glas
Jedes Jahr aufs Neue quält sich eine kleine, aber feine Elite aus den besten Mixologen, Produzenten und Experten der Barszene mit der Mutter aller Fragen: Quo vadis, Cocktail? Wohin geht die Reise 2018? Welche Produkttrends folgen auf den (endlich) abklingenden Gin-Hype? Wodka, Whiskey und Co. scharren in den Startlöchern und sagen der jahrelangen Schreckensherrschaft des gemeinen Wacholderschnapses den Kampf an.
Dabei scheint es, als würde die Zukunft aber nicht unbedingt einer Marke oder einem bestimmten Produkt gehören, wie das in den letzten Dekaden stets der Fall war, sondern dem Gefühl. Wie jetzt? Gefühle kann man also trinken? Na klar! Emotional Economy heißt das Zauberwort und es ist das überraschende Ergebnis des wohl größten Cocktail-Thinktanks unseres Planeten. Und der muss es schließlich wissen.
Emotional Economy
The World Class: Future of Cocktails, eine Initiative des Getränke-Riesen Diageo, geht in einem 31-seitigen Cocktail-Manifest gemeinsam mit Bargranden wie dem langjährigen 50-Best-Bars-Leader Alex Kratena oder Operation-Dagger-Mastermind Luke Whearty genau diesem befremdlichen Megatrend auf den Grund. Ob ein lauer Sommerabend mit Freunden am See oder doch die romantische Kaminfeuerstimmung in der Berghütte in trauter Zweisamkeit, künftig sollen solche hoch emotionalisierten Ereignisse mithilfe moderner Algorithmen, exotischer Zutaten und raffinierter Düfte im Glas den Hippocampus seines Trinkers triggern. Luke Whearty, Chef der Operation Dagger Bar in Singapur, bringt es knackig auf den Punkt: „Wer bin ich, Ihnen zu sagen, wie Sie Ihren ‚Old Fashioned‘ trinken sollen?
Ich mag meinen so und andere anders. Warum sollten Leute also in eine Bar gehen, um etwas zu trinken, was sie zu Hause haben können. Ich will ihnen etwas bieten, was sie zu Hause nicht haben können.“ Frei nach dem Motto „Der Gast hat nicht immer recht“, kredenzt der Star-Barkeeper in seiner Kultbar Cocktails im Omakase-Style und schickt seine Gäste mit genialen Kreationen und abgefahrenen Pairings auf einen emotionalen Rollercoaster-Ride. Signature Cocktails wie Dangerous Water entführen dabei wohl eher auf eine wilde Verfolgungsjagd aus der Rubrik James Bond und sind designt, bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Der Gast soll seinen Barbesuch wie einen Urlaub im Gedächtnis behalten und so Zuflucht vor dem hektischen Alltag finden. Dass Farben gewisse Emotionen hervorrufen können, ist weitläufig bekannt. Im Seymour’s Parlour London setzt man sogar noch einen drauf und sorgt durch assoziative Gerüche für Flashbacks: Mit geräucherter Kiefer Herbstgefühle wecken, Düfte von frisch gemähtem Gras sollen beim Gast den Frühling aufblühen lassen und ihn so auf eine Reise zurück in seine Kindheit schicken. Alles Kinderkram, wenn es nach den Machern der East London Juice Company geht.
In der britischen Saftbar werden nämlich ausgewählte Drinks mit dem Hormon 5-HTP beflügelt. Das Happy-Hormon hebt den Seratonin-Spiegel an, der bei Menschen Glücksgefühle auslöst und Wunder gegen Angstzustände wirkt. In Sachen Emotional Economy spielen aber nicht nur perfekt austarierte Zutaten, die mit der Psyche spielen, eine gewichtige Rolle, auch Themen-Bars schlagen erbarmungslos in diese Kerbe. Das Cape Collins in Stuttgart hat sich beispielsweise ganz und gar dem Weltraum verschrieben und beamt Gäste in der spacigen Location direkt ins All.
Jedes Jahr aufs Neue quält sich eine kleine, aber feine Elite aus den besten Mixologen, Produzenten und Experten der Barszene mit der Mutter aller Fragen: Quo vadis, Cocktail? Wohin geht die Reise 2018? Welche Produkttrends folgen auf den (endlich) abklingenden Gin-Hype? Wodka, Whiskey und Co. scharren in den Startlöchern und sagen der jahrelangen Schreckensherrschaft des gemeinen Wacholderschnapses den Kampf an.
Dabei scheint es, als würde die Zukunft aber nicht unbedingt einer Marke oder einem bestimmten Produkt gehören, wie das in den letzten Dekaden stets der Fall war, sondern dem Gefühl. Wie jetzt? Gefühle kann man also trinken? Na klar! Emotional Economy heißt das Zauberwort und es ist das überraschende Ergebnis des wohl größten Cocktail-Thinktanks unseres Planeten. Und der muss es schließlich wissen.
Emotional Economy
The World Class: Future of Cocktails, eine Initiative des Getränke-Riesen Diageo, geht in einem 31-seitigen Cocktail-Manifest gemeinsam mit Bargranden wie dem langjährigen 50-Best-Bars-Leader Alex Kratena oder Operation-Dagger-Mastermind Luke Whearty genau diesem befremdlichen Megatrend auf den Grund. Ob ein lauer Sommerabend mit Freunden am See oder doch die romantische Kaminfeuerstimmung in der Berghütte in trauter Zweisamkeit, künftig sollen solche hoch emotionalisierten Ereignisse mithilfe moderner Algorithmen, exotischer Zutaten und raffinierter Düfte im Glas den Hippocampus seines Trinkers triggern. Luke Whearty, Chef der Operation Dagger Bar in Singapur, bringt es knackig auf den Punkt: „Wer bin ich, Ihnen zu sagen, wie Sie Ihren ‚Old Fashioned‘ trinken sollen?
Ich mag meinen so und andere anders. Warum sollten Leute also in eine Bar gehen, um etwas zu trinken, was sie zu Hause haben können. Ich will ihnen etwas bieten, was sie zu Hause nicht haben können.“ Frei nach dem Motto „Der Gast hat nicht immer recht“, kredenzt der Star-Barkeeper in seiner Kultbar Cocktails im Omakase-Style und schickt seine Gäste mit genialen Kreationen und abgefahrenen Pairings auf einen emotionalen Rollercoaster-Ride. Signature Cocktails wie Dangerous Water entführen dabei wohl eher auf eine wilde Verfolgungsjagd aus der Rubrik James Bond und sind designt, bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Der Gast soll seinen Barbesuch wie einen Urlaub im Gedächtnis behalten und so Zuflucht vor dem hektischen Alltag finden. Dass Farben gewisse Emotionen hervorrufen können, ist weitläufig bekannt. Im Seymour’s Parlour London setzt man sogar noch einen drauf und sorgt durch assoziative Gerüche für Flashbacks: Mit geräucherter Kiefer Herbstgefühle wecken, Düfte von frisch gemähtem Gras sollen beim Gast den Frühling aufblühen lassen und ihn so auf eine Reise zurück in seine Kindheit schicken. Alles Kinderkram, wenn es nach den Machern der East London Juice Company geht.
In der britischen Saftbar werden nämlich ausgewählte Drinks mit dem Hormon 5-HTP beflügelt. Das Happy-Hormon hebt den Seratonin-Spiegel an, der bei Menschen Glücksgefühle auslöst und Wunder gegen Angstzustände wirkt. In Sachen Emotional Economy spielen aber nicht nur perfekt austarierte Zutaten, die mit der Psyche spielen, eine gewichtige Rolle, auch Themen-Bars schlagen erbarmungslos in diese Kerbe. Das Cape Collins in Stuttgart hat sich beispielsweise ganz und gar dem Weltraum verschrieben und beamt Gäste in der spacigen Location direkt ins All.
Kulinarisch kombiniert wird das Abenteuer von Besitzer Bastian Sommer mit selbst gebrauten Sirups, extrahierten Kräutern oder Eingelegtem. Mit einem gewagten Konzept sorgt derzeit auch der Österreicher Albert Trummer in seiner Sanatorium Bar im New Yorker Inviertel East Village für mächtig Furore. Antiquierte Operationssaal-Lampen an der Decke, alte Apothekerflaschen, Laborgeräte sowie chirurgische Instrumente hinter dem Tresen, die Wände erinnern an das Grün des Outfits vom Onkel Doktor und die anatomischen Bilder im Lokal dokumentieren den menschlichen Körper unter Einfluss von Alkohol.
Ein Paradebeispiel, wie durchgeknallt ein Bar-Konzept heute fast schon sein muss, um überhaupt noch aufzufallen, ist das Alcoholic Architecture des genialen Gastro-Duos Sam Bompas und Harry Parr – aktuell sind die beiden auf der Suche nach einer neuen Location in der Glamour-Stadt Las Vegas. In einem eigens dafür eingerichteten Raum können wagemutige Gäste eine Gin-Tonic-Wolke im wahrsten Sinne des Wortes inhalieren. „Entweder man mag oder man hasst, was wir machen. Aber es ist immer provokant“, bringt Gastro-Pionier Sam Bompas das Bar-Konzept der Zukunft auf den Punkt.
Provokation als Werbemittel
Zwischen Weltraum und OP-Saal, Hormonen und hochprozentigen Wolken, die Möglichkeiten, die sich bei diesem Emo-Trend bieten, sind schier unendlich. Wer allerdings in der Bar-Szene der Zukunft kräftig mitmischen möchte, sollte wie Bompas und Barr ordentlich provozieren. Mit einer Überwachungskamera auf den Toiletten sorgt Bar-Ikone Luke Whearty im Operation Dagger für verblüffte Gesichter und spaltet ganz nebenbei mit dreisten Mixturen die Geister seiner Klientel.
Nicht selten bedienen sich Barbetreiber und Produzenten auch politischer Themen, um von sich reden zu machen. Der Spirituosen-Hersteller Illegal Mezcal geht sogar noch einen Schritt weiter und beschimpfte in einer Kampagne US-Präsident Donald Trump als „Pendejo“, spanisch für Arschloch. Damit versuchen viele, das altmodische, steife Image der Cocktailbar abzulegen. „Cocktails und Bars wurden gleichermaßen langweilig. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem man Spaß haben darf, ohne blöd angeschaut zu werden“, erklärt Tim Philips, Besitzer der Bulletin Place Bar in Sydney, die derzeit auf Platz 76 der 50 Best Bars liegt. Auch renommierte Bars in Europa und den USA setzen vermehrt auf freundliches Feel-Good-Ambiente, wie das Original Sin in London oder die Radion Bar in Miami beweisen. Denn ob Flip-Flops oder Nadelstreif, hier ist jeder herzlich willkommen.
Der Barkeeper 2.0
Trends bedeuten naturgemäß Veränderung. Und Veränderungen unterliegen nicht nur Cocktails, sondern auch die, die sie kreieren. Waren es früher oft noch übersemestrige Studenten, die sich als Barkeeper ihr Taschengeld verdient haben, sind es heute hochprofessionelle Mixologen, deren Fame nicht selten Kultstatus erlangt. Einer dieser Star-Barkeeper mit besagtem Kultstatus ist Alex Kratena.
Als Herr der berühmten Artesian Bar im Londoner Luxushaus The Langham diktierte er maßgeblich viele Hypes und Trends der Szene und strahlte jahrelang vom Thron der The-World’s-50-Best-Bars-Liste.
2015 war aber Schluss und mittlerweile tourt Kratena mit seinem (P)our Symposium durch die Welt und bietet der globalen Barszene eine große Bühne. Gemeinsam mit Branchengrößen wie Ryan Chetiyawardana, Jim Meehan, Simone Caporale, Monica Berg, Joerg Meyer und Xavier Padovani hat es sich Kratena zum Ziel gemacht, den Beruf Bartender neu zu positionieren und vor allem jungen Talenten eine Plattform zu bieten, sich mit arivierten Barkeepern austauschen zu können.
Denn heute reicht es lange nicht mehr, sich eine vollständige Enzyklopädie über Kräuter, Drinks, Essenzen oder schräge Techniken anzueignen. Der moderne Barkeeper ist Psychologe, Freund, Koch, Sommelier und Barista in Personalunion. „Ein Allrounder, der praktisch alles können sollte“, meint Luke Whearty. Mission Impossible? No way. Denn künftig gilt: je durchgeknallter, desto besser.