In Vino Veritas?

Halunken wie Rudy Kurniawan & Co. haben die größten Sommeliers der Welt über den Tisch gezogen und dadurch Millionen verdient. Wir schenken ihnen reinen Wein ein.
November 13, 2015

Vino Veritas
Fotos: Shutterstock, Weinbar Rutz/www.purephotography.de

Die Tür der Bösewicht-Villa geht auf, Dutzende FBI-Agenten stürmen das Anwesen und der Fiesling wird unter lautem Geschrei noch in T-Shirt und Unterhose auf den Boden gewuchtet. Eine Szene wie aus einem Hollywood-Blockbuster. Nur dass es dabei um keine fiktive Action-Story geht, sondern um den realen Fall Rudy Kurniawan, der im Vorjahr spektakulär mit dessen Festnahme endete.

Kurniawan stand im Verdacht, Weine gefälscht zu haben. Spitzenweine aus legendären Jahrgängen. Weine, die in der Welt der Wein-Aficionados hoch gehandelt werden. Weine, wie ein Château Petrus aus dem Jahrhundertjahr 1961, für den man inzwischen Zigtausende Euro zahlt. Und einiges spricht dafür, dass der 36-jährige Indonesier mit chinesischen Wurzeln zuletzt wohl geglaubt hat, seine gefälschten Weine wären besser als die Originale. Kann durchaus sein, dass das wahr ist. Diese Wahrheit ist aber nicht die Wahrheit, die im Wein liegt. Doch dazu später mehr.

Copy and paste

Bereits im 13. Jahrhundert wurden Weine im großen Stile gefälscht und das endete mitunter mit der Todesstrafe…

Vino Veritas
Fotos: Shutterstock, Weinbar Rutz/www.purephotography.de

Die Tür der Bösewicht-Villa geht auf, Dutzende FBI-Agenten stürmen das Anwesen und der Fiesling wird unter lautem Geschrei noch in T-Shirt und Unterhose auf den Boden gewuchtet. Eine Szene wie aus einem Hollywood-Blockbuster. Nur dass es dabei um keine fiktive Action-Story geht, sondern um den realen Fall Rudy Kurniawan, der im Vorjahr spektakulär mit dessen Festnahme endete.

Kurniawan stand im Verdacht, Weine gefälscht zu haben. Spitzenweine aus legendären Jahrgängen. Weine, die in der Welt der Wein-Aficionados hoch gehandelt werden. Weine, wie ein Château Petrus aus dem Jahrhundertjahr 1961, für den man inzwischen Zigtausende Euro zahlt. Und einiges spricht dafür, dass der 36-jährige Indonesier mit chinesischen Wurzeln zuletzt wohl geglaubt hat, seine gefälschten Weine wären besser als die Originale. Kann durchaus sein, dass das wahr ist. Diese Wahrheit ist aber nicht die Wahrheit, die im Wein liegt. Doch dazu später mehr.

Copy and paste

Bereits im 13. Jahrhundert wurden Weine im großen Stile gefälscht und das endete mitunter mit der Todesstrafe. So drastisch werden heute natürlich keine Urteile mehr ausgesprochen, aber wer im großen Vino-Plagiatorenbusiness erwischt wird, muss mit beinharten Sanktionen rechnen. US-Milliardär William Koch etwa bot auf einer Auktion für vier Flaschen zusammen 65.000 Euro. Leider erwiesen sich die ersteigerten Weine als Fälschungen, was der Milliardär erst nach dem Kauf bemerkte. In der Folge klagte er gegen den Verkäufer Eric Greenberg und erhielt 290.000 Euro Schadenersatz. Warum sich dennoch viele ins kriminelle Fahrwasser begeben, ist leicht erklärt: Fälschern winken unglaublich hohe Profite.

Denn viele Privatkunden, die zwei, drei oder gar sechs Flaschen erwerben, haben in den meisten Fällen gar nicht vor, sie zu trinken. Sie wollen den exklusiven Tropfen nur als Vorzeigeobjekt im Keller lagern. Der Besitz eines tollen Jahrgangs zeugt von Kennerschaft, gutem Geschmack und dickem Geldbeutel. Andere schlagen zu, um nach ein paar Jahren mit Gewinn weiterzuverkaufen. Das Misstrauen der angebefreudigen Kunden ist gering, der Profit hoch. Gewissensbisse müssen sie auch nicht haben. Hier trifft es keine Minderbemittelten, sondern meist nur Dumme.

Wein zu panschen, ist wesentlich einfacher, als Banknoten nachzudrucken. Etiketten lassen sich leicht kopieren und Flaschen sind in jeder gewünschten Art und Weise lieferbar. Und Kapselproduzenten werden offenbar auch dann noch nicht misstrauisch, wenn sie die Namen solch illustrer Hersteller wie Romanée-Conti, Pétrus oder Grange auf die Kapseln drucken sollen. Dass letztendlich so wenige Fälschungen auffliegen, hat auch damit zu tun, dass Kartons oder Holzkisten mit wertvollen Weinen oft erst nach Jahren geöffnet werden, wenn der Wein trinkreif ist. Für eine Reklamation ist es dann zu spät. Und beim Wiederverkauf erzielen Weine, die in ungeöffneten Original-Holzkisten liegen, paradoxerweise sogar noch höhere Preise als die entsprechende Anzahl an Einzelflaschen. Weinfälscher reiben sich also die Hände.

Big Business

Weinfälschungen sind in der Branche ein heißes Eisen. Einerseits ist die Empörung groß, wenn wieder einmal einige Kisten unseriös etikettierter Weine auftauchen, andererseits ist das Geschäft mit den teuren Prestigeweinen, vor allem mit älteren Jahrgängen, in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Und viele Händler haben sich damit regelrecht ein goldenes Näschen verdient. So mancher Einwand, dass es gar nicht so viele Flaschen dieser Weine geben kann, wurde einfach vom Tisch gekehrt. Rund 100 Millionen Kisten Wein kauft China pro Jahr ein und Insider rechnen bis zum Jahr 2015 mit einem Wachstum von 54 Prozent. Das entspricht einer Steigerung von über einer Milliarde Flaschen. Und man kratzt sich dann schon am Köpfchen, wenn man sieht, wie viele Flaschen Château Lafite-Rothschild 1990 zurzeit

Top 10 der Täuschungstropfen

Top 10 der Täuschungstropfen

Höchstpreise aktueller Stand in EUR
1 Lafite-Rothschild 1787 Thomas Jefferson 120.000
2 Pétrus 1921 38.000
3 Cheval Blanc 1947 27.500
4 Lafite-Rothschild 1870 24.900
5 Pétrus 1947 15.000
6 Lafleur 1947 14.500
7 Margaux 1900 14.000
8 Lafleur 1950 5.000
9 Cheval Blanc 1921 3.800
10 Latour à Pomerol 1961 3.500

in China ausgeschenkt werden. Schätzungen ergeben, dass ungefähr drei Millionen Flaschen jährlich gehandelt werden, wobei die überwiegende Anzahl dieser Flaschen nicht aus zuverlässiger Herkunft stammt. Experten schätzen sogar, dass die Zahl der gefälschten Lafite-Rothschild-Flaschen zwischen 50 und 90 Prozent liegt. 4000 gefälschte Château-Lafite-Rothschild Flaschen wurden alleine in Shanghai entdeckt.

Weinfälscher-Guru Kurniawan

Besonders brisant wie spektakulär war die bereits angesprochene Verhaftung von Rudy Kurniawan im Vorjahr durch das FBI in Südkalifornien wegen Betrugs mit gefälschten Weinen, die jahrzehntelang privat und bei Auktionen verkauft wurden. Hunderte selbst ernannte Weinkenner und -experten fragen sich nun im Stillen, ob ihre Heiligtümer echt sind, denn der 36-jährige Indonesier soll in wenigen Jahren für rund 50 Millionen Euro alte Weine gefälscht haben. Viele Bouteillen sind über das bis dahin renommierte New Yorker Auktionshaus „Acker Merrall & Condit“ versteigert worden, darunter Liebhaber-Exemplare à la Pétrus, Mouton, Cheval Blanc oder auch burgundische Tropfen wie ein La Romanée Conti, von dem jährlich im Schnitt lediglich um die 5000 Flaschen abgefüllt werden. Kurniawan bediente diesen exklusiven Markt mit allen Jahrgängen und Formaten dieses extrem teuren 10.000-Euro-Kultweines derart unerschöpflich, dass er in der Branche sogar als „Doktor Conti“ bekannt war. Das machte in Folge vor allem viele europäische Händler stutzig.

Aufgeflogen sind die Machenschaften von Kurniawan zu guter Letzt, weil er 80 Flaschen 1929 Clos de la Roche der Burgunder-Domaine Ponsot versteigern ließ, das Gut jedoch erst seit 1934 die Weine unter eigenem Etikett abfüllt. Ansonsten war der smarte Fälscher jedoch anscheinend ein cleveres, ausgefuchstes Kerlchen: Die FBI-Agenten fanden in seiner Nobelvilla in Los Angeles etliche Kartons mit Etiketten, Korken sowie Kapseln nahezu aller Weingüter von Rang und Namen.

4000 gefälschte Château-Lafite-Flaschen wurden alleine in Shanghai entdeckt.

 

Schlagerproduzierender Weinpapst

Auch in Deutschland war natürlich bereits spektakulär von Weinfälschung die Rede. Schillernder Hauptprotagonist: Künstlermanager von Schlagerstar Hardy Rodenstock, der bekannteste deutsche Raritätenweinhändler. Das Magazin Stern bezeichnete ihn einst treffenderweise als den „Indiana Jones der Flaschen“, da er uralte Weine an geheimnisvollen Orten aufgespürt haben will. Ihm wurde von einem amerikanischen Sammler vorgeworfen, Flaschen des sogenannten „Jefferson-Lafite“, benannt nach dem US-Präsidenten Thomas Jefferson, im Wert von unglaublichen 400.000 Euro verfälscht oder gefälscht zu haben. Rodenstock konnten damals allerdings keine Unlauterkeiten nachgewiesen werden.

Fakt ist jedoch: Kurniawans Betrug hat die Altweinszene vorgeführt und Weinexperten zutiefst blamiert. Viele reiche Weinsammler haben sich schlußendlich von ihrer Leidenschaft abgewandt, weil sie jahrelang einer dreisten Scharlatanerie ausgeliefert waren. Gut möglich, dass mit der Verhaftung Kurniawans nun die Weinfälschungen in den Vereinten Staaten von Amerika ein Ende haben. In den boomenden Nationen wie China, Indien oder auch in ölreichen Republiken der ehemaligen Sowjetunion finden sich immer noch Tausende Exemplare falscher Prestigetropfen auf dem Markt, die unter den aufstrebenden Oligarchen und auch in der neuen Mittelschicht reißenden Absatz finden.

Dabei jedoch gut zu wissen: In den meisten Fällen liegen diese Imitationen bloß als Dekoration in den Kellern und sollen den Besuchern Stil, Geschmack und Weltgewandtheit vorgaukeln.

Billy WagnerBilly Wagner

„Imageweine sind mir schnurz“

Diese Luxusweine kursieren nur in einer elitären Pseudo-Szene.

www.rutz-weinbar.de

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Super-Sommelier

Weinbar-Rutz-Chefsommelier Billy Wagner wurde zu unserem LEADER OF THE Year gewählt und spricht über Plagiate, Szene-Luxuswein-trinker und guten Geschmack.

Im Vorjahr geriet die Weinbranche ins Staunen über die Machenschaften von Fälscher Rudy Kurniawan. Waren Sie schon jemals mit Fälschungen konfrontiert?
Billy Wagner:Nein. Wobei ich sagen muss, dass ich mich nicht in dieser Szene befinde, in der Weine mit zigtausend Euro gehandelt werden. Diesen Leuten geht es ja zum Großteil nicht um den Geschmack, sondern um den Wert und die Story, die dahintersteckt.

Das heißt, Sie führen in Ihrem Restaurant keine sündteuren Luxusweine?
Wagner: Nein. Ich halte eben nichts von 7000-Euro-aufwärts-Tropfen. Es sollte immer in einem gewissen Rahmen bleiben.

Lernt man eigentlich in der Ausbildung zum Sommelier etwas über Weinfälschungen und darüber, wie man sich davor wappnen kann?
Wagner: Nicht wirklich. Wenn man sich aber über Jahre hinweg mit diesem Thema hauptberuflich auseinandersetzt, sollte man mit der Zeit natürlich ein gewisses Näschen entwickeln. Zudem ist es wichtig, den Markt zu beobachten, um zu wissen, wie viele Flaschenzahlen da pro Jahrgang herumschwirren. Aber wie gesagt, da wir uns nicht mit Abfüllungen mit horrenden Preisen beschäftigen, ich meine Händler und Produzenten sehr gut kenne und ihnen vor allem vertraue, stellt sich diese Problematik Gott sei Dank nicht.

Sie haben aber bestimmt im Lauf der Jahre äußerst kostbare Exemplare vor die Nase gesetzt bekommen. Wie teuer war der exklusivste Tropfen?
Wagner: Daran kann ich mich sogar noch sehr genau erinnern: Das war ein 61er Château Petrus. Da kostet die Flasche bestimmt stolze 20.000 Euro.

Und ist dieser Wein dann geschmacklich auch den stolzen Preis wert?
Wagner: Natürlich nicht. Kein Wein der Welt ist vom Geschmack her diese Unsummen wert. Wobei man schon sagen muss, dass es ein großes Erlebnis war, diesen 61er-Jahrgang zu verkosten. Aber steht er in Relation zur Ausgabe? Sicher nicht, denn dafür gibt es Tropfen, die weniger kosten, aber ebenso interessant schmecken. Es geht eben immer um die Story dahinter und wie viel jemand bereit ist, dafür zu bezahlen.

Ein Weinliebhaber wie Sie hat bestimmt einen grandiosen privaten Weinkeller. Wie teuer ist denn die exklusivste Flasche, die Sie besitzen?
Wagner: Um ehrlich zu sein, gar nicht so teuer. Maximal 150 Euro hat mich die teuerste Flasche gekostet, eher weniger. Natürlich gebe ich auch in einem Restaurant mal 150 Euro für eine gute Flasche aus. Das ist es mir dann schon wert. Bei mir zu Hause gibt es aber deutlich günstigere Weine, die aber allesamt weltklasse schmecken.

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