Allergie-ABC
Foto: Restaurant La Vie, Shutterstock, Werner Krug, Sternefresser.de
Kommt ein Allergiker ins Lokal… Was klingt wie der Anfang eines guten Witzes, ist in Wirklichkeit todernst – und das in der schlimmsten Ausführung, im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, die Allergiker sind die Stiefkinder der Top-Gastronomie, denn genießen sie auch noch so gern, sie werden immer der Tisch sein, der es dem Koch am Herd schwer macht, weil er sich mitten im laufenden Service ein neues Gericht einfallen lassen muss und das auch noch ohne die gängigen Zutaten. Zudem muss schnell ein Platz in der Küche komplett dekontaminiert werden, damit der Allergiker, sei er nun ein echter oder nur jemand, der schlicht und einfach keine Erdnüsse mag, nicht vom Sessel kippt. So weit die allgemeine Annahme zur Causa Allergiker im Gourmet-Tempel.
Doch diese Haltung von Köchen und Serviceprofis ist definitiv von gestern. Der allgemeine Tenor in der Sterneküche: „Jeder Gast hat das Recht auf ein gutes Essen, wenn er zu mir kommt, und ich werde mein Möglichstes tun, um ihm ein tolles kulinarisches Erlebnis zu bieten. Das ist schließlich mein Job.“ Tim Raue, Sternekoch im gleichnamigen Restaurant in Berlin, ist einer dieser Gastronomen: „Der Grund für die Veränderung meines Kochstils ins Asiatische 2007 war unter anderem der, meine Küche mit einem Mal auch so auszurichten, um die damals aufkommende Allergie-Welle in meinen Kochstil zu integrieren. Heute verwende ich vorwiegend laktosefreie Milchprodukte, keinen weißen Zucker mehr und koche weitgehend glutenfrei.“ Und Raue tut gut daran, denn die Zahl der Allergiker steigt immer weiter. Die Art zu essen hat sich im letzten Jahrhundert radikal geändert. Inzwischen hat nahezu jeder Zugang zu internationalen Produkten, die der europäische Magen allerdings oft nicht gewohnt ist, und es entwickeln sich Unverträglichkeiten. Bestes Beispiel dafür: die steigene Anzahl von Meeresfrüchteallergien in Binnenstaaten. Weiterer Faktor ist der steigende Konsum von Convenience-Produkten im Alltag. Süßstoff wird beispielsweise aus Fruktose gewonnen und auch ein gesunder Körper kann die zugeführten, weil zu hohen Mengen, oft nicht mehr abbauen. Das Resultat sind Unverträglichkeits-Symptome.
Kein Schaden ohne Nutzen
Natürlich bedeuten Unverträglichkeiten mehr Aufwand. Gleichzeitig bieten sie aber…
Foto: Restaurant La Vie, Shutterstock, Werner Krug, Sternefresser.de
Kommt ein Allergiker ins Lokal… Was klingt wie der Anfang eines guten Witzes, ist in Wirklichkeit todernst – und das in der schlimmsten Ausführung, im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, die Allergiker sind die Stiefkinder der Top-Gastronomie, denn genießen sie auch noch so gern, sie werden immer der Tisch sein, der es dem Koch am Herd schwer macht, weil er sich mitten im laufenden Service ein neues Gericht einfallen lassen muss und das auch noch ohne die gängigen Zutaten. Zudem muss schnell ein Platz in der Küche komplett dekontaminiert werden, damit der Allergiker, sei er nun ein echter oder nur jemand, der schlicht und einfach keine Erdnüsse mag, nicht vom Sessel kippt. So weit die allgemeine Annahme zur Causa Allergiker im Gourmet-Tempel.
Doch diese Haltung von Köchen und Serviceprofis ist definitiv von gestern. Der allgemeine Tenor in der Sterneküche: „Jeder Gast hat das Recht auf ein gutes Essen, wenn er zu mir kommt, und ich werde mein Möglichstes tun, um ihm ein tolles kulinarisches Erlebnis zu bieten. Das ist schließlich mein Job.“ Tim Raue, Sternekoch im gleichnamigen Restaurant in Berlin, ist einer dieser Gastronomen: „Der Grund für die Veränderung meines Kochstils ins Asiatische 2007 war unter anderem der, meine Küche mit einem Mal auch so auszurichten, um die damals aufkommende Allergie-Welle in meinen Kochstil zu integrieren. Heute verwende ich vorwiegend laktosefreie Milchprodukte, keinen weißen Zucker mehr und koche weitgehend glutenfrei.“ Und Raue tut gut daran, denn die Zahl der Allergiker steigt immer weiter. Die Art zu essen hat sich im letzten Jahrhundert radikal geändert. Inzwischen hat nahezu jeder Zugang zu internationalen Produkten, die der europäische Magen allerdings oft nicht gewohnt ist, und es entwickeln sich Unverträglichkeiten. Bestes Beispiel dafür: die steigene Anzahl von Meeresfrüchteallergien in Binnenstaaten. Weiterer Faktor ist der steigende Konsum von Convenience-Produkten im Alltag. Süßstoff wird beispielsweise aus Fruktose gewonnen und auch ein gesunder Körper kann die zugeführten, weil zu hohen Mengen, oft nicht mehr abbauen. Das Resultat sind Unverträglichkeits-Symptome.
Kein Schaden ohne Nutzen
Natürlich bedeuten Unverträglichkeiten mehr Aufwand. Gleichzeitig bieten sie aber auch die Chance, Kunden an sich zu binden. Marco Franzelin, Chef-Sommelier im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg, sieht beispielsweise allergische Gäste als willkommene Herausforderung: „Restaurants unterscheiden sich im Wesentlichen nur dadurch, wie sehr sie auf die Kundenwünsche eingehen. Am allerwichtigsten ist es, dass der Gast niemals das Gefühl hat, auf Genuss verzichten zu müssen.“ Weit besser auf die Allergien eingehen kann man als Koch freilich, wenn man bereits vorab darüber informiert wurde. Thomas Bühner, 3-Sterne-Koch im Restaurant La Vie in Osnabrück: „Köche können umso kreativer werden, je genauer sie vom Gast gebrieft wurden. Denn sie sind schließlich die besten Fachleute für ihre Unverträglichkeiten.“ Und damit Sie mit diesen auch richtig fachsimpeln können, bringt ROLLING PIN auf den folgenden Seiten den ultimativen „Allergie-Test“.
Allergiker-Freund
Er ist jung und wild und Besitzer sowie Chefkoch des Restaurants Gesellschaftsraum in München. Doch bei Allergien und Unverträglichkeiten geht der 38-jährige Junge Wilde immer auf Nummer sicher.
Sie führen ein kleines Restaurant mit 60 Sitzplätzen und einer kleinen Karte aus nur 12 Gerichten. Kommen da Allergiker nicht besonders ungelegen?
Bernd Arold: Definitiv nicht. Ich sehe meine Aufgabe als Restaurantbesitzer darin, dem Gast einen schönen Abend zu bieten. Dazu gehört es nun einmal auch, auf Allergien und besondere Wünsche der Gäste einzugehen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Arold: Jeder Gast wird bei der Aufnahme der Bestellung gefragt, ob er denn gegen irgendein Produkt allergisch ist. Wenn ja, ist es unsere Aufgabe, als Köche und Gastgeber darauf zu achten und die Speisen so zuzubereiten, dass der Gast seine Gerichte ohne Bedenken genießen kann.
Aber ganz so einfach ist das oft nicht, oder?
Arold: Wir führen sowieso auch immer Menüs für Veganer und Vegetarier. Das ist zwar keine Unverträglichkeit, aber in diesen Menüs findet sich oft etwas für Allergiker. Natürlich, wenn jemand vorab seine Allergien bekannt gibt, ist das nur umso besser. Dann können wir uns darauf perfekt vorbereiten. Und ansonsten heißt es improvisieren. Ich finde, auch das zählt zu den schönen Seiten unseres Berufes.
Also sind die Zeiten, in denen Allergiker schief angesehen werden und schon fast als Zumutung galten, endgültig vorbei?
Arold: Also, das wäre ja schön. Da kommt jemand in mein Restaurant und schenkt mir so viel Vertrauen, dass ich etwas für ihn zubereiten kann, das ihm schmeckt und einen genialen Abend bereitet, und ich seufze genervt wegen ihm. Am Ende des Tages sind wir Dienstleister und müssen uns auf die Bedürfnisse unserer Gäste einstellen. Und das ist auch gut so.
Gluten
Für Menschen, die an Zöliakie leiden und dabei Gluten zu sich nehmen, herrscht erhöhtes Darmkrebsrisiko.
DIE FAKTEN Gluten ist ein Klebereiweiß, das fast alle Getreidearten enthalten. Die Unverträglichkeit wird in der Fachsprache als Zöliakie bezeichnet. Bei Zöliakiepatienten kommt es bei Verzehr von Gluten zu Entzündungen der Darmschleimhaut, die Darmoberfläche wird kleiner und kann nicht mehr genügend Nährstoffe aufnehmen. Die Symptome sind Durchfall, Bauchschmerzen, Nährstoffmangel, Gewichtsverlust und in den schlimmsten Fällen Osteoporose oder Darmkrebs. Die Anzeichen sind meist erst spät nach dem Verzehr bemerkbar.
FINGER WEG Zöliakiepatienten dürfen keinen Weizen, Hartweizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste, Hafer, Malz, Bulgur, Couscous, Grieß, Graupen, Weizenkeimöl, Keimlinge, Kleie, Mehl, Paniermehl, Seitan oder Stärke zu sich nehmen.
STATTDESSEN GENIESSEN Kartoffeln, Reis, Samen, glutenfreie Ersatzprodukte wie Nudeln und Brot sowie Mehl aus Amaranth, Buchweizen, Hirse, Maronen, Mais und Quinoa.
Histamin
Gereifte Produkte verfügen tendenziell über einen höheren Anteil an Histamin.
DIE FAKTEN Histamin entsteht aus dem Abbau der Aminosäure Histidin. Dieser Prozess dient auch der Reifung bestimmer Lebensmittel. Im Normalfall baut der Körper Histamin mithilfe bestimmter Enzyme ab. Sind diese nicht ausreichend vorhanden, kommt es zu in der Fachsprache als „pseudoallergische Symptome“ bezeichneten Auswirkungen. Diese sind etwa Herzrasen, Hitzewallungen, Migräne, Magen-Darm-Beschwerden oder typischerweise fleckige Rötungen im Bereich von Wangen, Hals und Dekolleté.
FINGER WEG Je gereifter ein Produkt ist, umso höher ist der Anteil an Histamin. Daher Vorsicht bei gereiftem Käse, Rotwein, Essig oder Sauerkraut. Schmerzmittel wie zum Beispiel Aspirin blockieren oder verzögern zudem den Abbau von Histamin.
STATTDESSEN GENIESSEN Ungereifte Käse wie beispielsweise Frischkäse sowie junge, tanninarme Weine – vorwiegend leichte Weißweine oder Süßwein.
Erdnuss
Sie ist nicht einmal eine echte Nuss und trotzdem lebensgefährlich für Allergiker.
DIE FAKTEN Auslöser der allergischen Reaktion sind mehrere sogenannte Arah-Allergene, bei denen es sich um Proteine handelt. Die Symptome reichen von Schnupfen, Juckreiz, Hautrötungen, Schwellungen, Übelkeit, Durchfall, Husten, pfeifender Atmung, Erbrechen und Bauchkrämpfen bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen, die eine Verengung der Atemwege, tiefen Blutdruck und Herzrhythmusstörungen verursachen und unbehandelt zum Tod führen können. Bei hochgradigen Allergikern reichen bereits minimale Mengen.
FINGER WEG Erdnussprodukte (wie -butter, -sauce, -öl). Geringste Mengen können beispielsweise auch in Cerealien, Brot- und Backwaren, Wurst- und Hackfleischprodukten und orientalischen Spezialitäten vorhanden sein.
STATTDESSEN GENIESSEN Frisch zubereitete Speisen, in denen weder Erdnüsse verarbeitet wurden, noch die Produkte mit Erdnussrückständen in Berührung kamen.
Fruktose
Laut Schätzungen leidet jeder dritte bis fünfte Deutsche an Fruktose-Unverträglichkeit.
DIE FAKTEN Fruchtzucker-Unverträglichkeit (Fruktose-Intoleranz) hat seit einigen Jahren stark zugenommen. Zu den Symptomen wie Durchfall und Magenschmerzen kommt es, wenn der Fruchtzucker nicht vollständig durch die Dünndarmwand aufgenommen werden kann. Die steigende Unverträglichkeit rührt auch daher, dass dieser als günstiges, künstliches Süßungsmittel häufig verwendet wird und daher immer größere Mengen an Fruchtzucker pro Person verzehrt werden.
FINGER WEG Industriell hergestellte Lebensmittel wie Ketchup und künstlich gesüßte Lightprodukte sollten vermieden werden. Ebenso Zuckeralkohole wie Sorbit, Xylit und Isomalt sowie insbesondere Äpfel, Birnen, Trockenobst und Pflaumen.
STATTDESSEN GENIESSEN Der zeitgleiche Verzehr von protein- und fettreichen Lebensmitteln unterstützt die Fructoseabsorbtion. Eher eignen sich Obstsorten, die die gleiche Menge Glukose wie Fruktose enthalten, wie Banane oder Avocado.
Laktose
In Asien und Afrika betrifft Laktose-Intoleranz über neunzig Prozent der erwachsenen Bevölkerung.
DIE FAKTEN Das völlige Fehlen des spaltenden Enzyms Laktase ist äußerst selten. Als häufigster Enzymdefekt weltweit hingegen gilt die Hypolaktasie, ein Laktasemangel, der auch als Laktose-Intoleranz bezeichnet wird. Im Normalfall wird Laktose im oberen Dünndarm in seine Bausteine Galaktose und Glukose zerlegt. Wird Laktose nicht oder unzureichend gespalten, treten Unverträglichkeitsreaktionen wie Übelkeit, Blähungen, Diarrhö und Bauchschmerzen auf.
FINGER WEG Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Xylit und Isomalt sind zu meiden. Zudem Milch und Milchprodukte, unabhängig von der Tierart, sowie Lebensmittel, die mit Laktose hergestellt wurden, wie Speiseeis, Molke und Schokolade.
STATTDESSEN GENIESSEN Laktosefreie Milch und Milchprodukte sowie ausgewählte Käse wie Hartkäse (Emmentaler, Parmesan) und Schnittkäse (Gouda), Sojaprodukte, Reis- und Haferdrinks können ohne Bedenken genossen werden.
Allergien-Check
Fisch
Bereits geringste Mengen von Fisch führen bei entsprechender
Disposition bis zu schweren allergischen Reaktionen. Anders
als andere Allergene, die beim Kochen und Backen „unwirksam“
werden, sind Fischeiweiße hitzestabil. Allergiker müssen daher
auf jegliche Art von Fisch verzichten.
Nuss
Nussallergien treten oft als Kreuzreaktion zusammen mit
Pollenallergenen auf. Erste Symptome sind meist ein Juckreiz
im Mund, auf Zunge und Lippen. Weitere Symptome sind
Schleimhautschwellungen, Atemnot und Magen-Darm-Beschwerden.
Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Kreislaufzusammenbruch.
Glutamat
Das viel zitierte China-Restaurant-Syndrom wird auch oft als
Unverträglichkeit eingestuft. Tatsächlich sind allergische
Reaktionen bis dato nicht auf die Glutaminsäure zurückzuführen.
In puncto Unverträglichkeit spielt zudem der Unterschied
zwischen natürlicher und synthetischer Glutaminsäure keine Rolle.
Meeresfrüchte
Meeresfrüchte-Allergien sind weiter verbreitet als Fischallergien.
Die Häufigkeit der Fisch- oder Meeresfrüchteallergien ist insbesondere
in Küstenregionen höher. So gilt sie beispielsweise auf den Kanarischen
Inseln als häufigste Unverträglichkeit. Allergiker müssen auf sämtliche
Meeresfrüchte verzichten.
Lamm von vorne bis hinten
Rezept von 3-Sterne-Koch Thomas Bühner, Restaurant La Vie
Hands on, Allergiker!
Ein perfektes Beispiel für Sterneküche, die auch Allergiker mit gutem Gewissen bestellen können. Denn dieses Lammgericht kommt wunderbar ohne Gluten und Kuhmilch aus.
1 ZUNGE, ungepökelt Sous-vide gegart
2 BRIES, gewässert, danach mit Lammfond, Sellerie, Karotten und Zwiebel Sous-vide gegart
3+4 NACKEN UND SCHULTERN, mit Lammfond, Sellerie, Karotten, Ingwer, Zitronengras und Knoblauch Sous-vide gegart.
5 RÜCKEN MIT REISMEHLKRUSTE, bei 100 °C ohne Salz medium gegart. In der Kruste aus Koriander und Reismehl gewendet und kurz angebraten
6 LEBER, kurz in Butter angebraten
7 LAMMSCHWANZ, mit Lammfond und Knoblauchzehen elf Stunden bei 85 °C gegart
8 KAROTTEN, in Lammfond und Karotttensaft Sous-vide gegart
9 KAROTTEPÜREE PUR, Sous-vide gegart und passiert
10 BROKKOLI, 45 Minuten gegart
11 CREME AUS BROKKOLISTIELEN UND KRÄUTERN, Brokkoliköpfe und Karottenblätter passiert, mit Geflügelfond angerührt
12 SCHAFSMILCHTALER, Schafsmilch und Schafkäse bei 50 °C gegart. Danach eine Minute mit Iota aufgekocht und in gewünschte Form gegossen