Kolumne: Foodhunter Rainer Heubeck
Sie ist ein Schwarmfisch und schon die alten Griechen und Römer schätzte sie: die Sardine. Eingesalzen, mariniert, geräuchert oder gebraten (und am besten wie in Venedigs Osterien oder Bacari mit Zwiebeln, Rosinen und Essigmarinade serviert) ist der kleine bis mittelgroße Fisch eine Delikatesse.
Gefangen im Atlantik vor Frankreich, Spanien, Portugal und Nordafrika sowie im Mittelmeer brachte die Sardine auch ein wenig Reichtum in die Hafenstädte – vor allem nachdem 1810 ein Engländer namens Bryan Donkin die Konservendose erfand, denn nun konnte die Ware auch transportiert werden.
Die Methode, Lebensmittel in Behältnissen unter Sauerstoffabschluss zu erhitzen und sie dadurch haltbar zu machen, hatte der Pariser Konditor und Zuckerbäcker Nicolas Appert entwickelt. Er hatte noch mit zerbrechlichen Glasflaschen gearbeitet, die Metalldose war dagegen schier unverwüstlich. Ohne sie würde es auch die schwedische Spezialität Surströmming nicht geben. Der Fisch gärt im Inneren, die Dose wölbt sich.
Was für den Mitteleuropäer ein Zeichen für Verderb ist und ihn nach dem Öffnen vom Tisch flüchten lässt, ist für den Schweden echter Hochgenuss. Diesen bieten fernab der Dosenmassenware mit Linseneintopf und Gulaschsuppe viele der Fischkonserven – vorausgesetzt, die Qualität der Ausgangsprodukte und die Herstellungsmethode stimmen. Und da geht es wieder zurück an die Atlantikküste, denn in den Häfen entstanden auch die Dosenfabriken, in denen frisch verarbeiteter Fisch noch heute in herrliche Delikatessen verwandelt wird.
Der Koch Thomas Vetter hat seine Leidenschaft für diese Dosenware in Berlin-Charlottenburg in die erste Sardinen.bar Deutschlands verwandelt. Ja, dort kommt Dosenfutter aufs Brettchen – und was für eines! Vetter wie auch viele Feinkosthändler bieten heute Sardinendosen bester Qualität und sogar mit Jahrgangsangabe.
Das aufgedruckte und gesetzlich vorgeschriebene Mindeshaltbarkeitsdatum hat im Dosenbereich nur marginale Bedeutung, denn in gutem Olivenöl reifen die kleinen silbrigen Fischchen (am besten per Hand eingestaut) hervorragend und werden eher mürb und zarter denn schlecht.
Das sind sie nur, wenn sich die Dose wölbt oder es sich um absolute Billigware handelt. In Frankreich reihen sich die guten Hersteller von der Bretagne bis Biarritz wie Perlen an der Küste, in Portugal und Spanien ebenfalls. Der Portugiese Jesus Lorenzo hat dort vor über 20 Jahren neu angefangen und von Beginn an war ihm nur das Beste aus dem Meer gut genug.
Nur Sardinen, Tintenfischchen oder Muscheln höchster Qualität kommen händisch verarbeitet in die runden Dosen mit dem Firmennamen „Los Peperetes“. Er hat sogar Seeigel-Eier, Schwert- oder die von Muscheltauchern oft unter Lebensgefahr geernteten Percebes (Entenmuscheln) im Programm – erschrecken Sie aber bitte nicht am Preis für eine Muscheldose.
Bei Lorenzos Sardinen – es gib zwei unterschiedliche Größen: Sardinen und die kleinen Sardinillas – reichen ein gutes Weißbrot, ein Hauch Piment d’Espelette und etwas Zitronensaft – und schon können auch nach der abendlichen Küchenschlacht Koch oder Kellner noch ein delikates Abendmahl einnehmen. In Ruhe und zu Hause, was ja in der Gastronomie eher die Ausnahme ist.
Also: ran an die Dosen! Ach ja: die Flasche Albarino oder Muscadet nicht vergessen.