Hongkong: Gastro Glamour und Food punks
Pulsierende Fläche kleiner als Manhattan
«Ich kenne keinen einzigen Ort auf der Welt, wo auf so wenig Raum so viel passiert“, schwärmt Geoffrey Wu. Die Rede ist von der sogenannten Sonderverwaltungszone Hongkong. Und Mister Wu muss es wissen: Seine Beratungsfirma zählt einige der schillerndsten und innovativsten Restaurants der südchinesischen Sonderverwaltungszone zu ihren Kunden. Sieben 3-Sterne-Tempel kann Hongkong sein Eigen nennen, insgesamt befinden sich sage und schreibe 63 Sternerestaurants auf dieser pulsierenden Fläche, die kleiner als der New Yorker Stadtteil Manhattan ist.
Siebeneinhalb Millionen meist überdurchschnittlich zahlungkräftige Einwohner aus aller Herren Länder kreieren hier eine Nachfrage, die von der (Spitzen-)Gastronomie auf eine Weise beantwortet wird, die fortschrittlicher nicht sein könnte. „Von chinesischer Küche über die japanische, französische, italienische, vietnamesische, koreanische oder südamerikanische, britische oder auch spanische – Hongkong kennt keine kulinarischen Berührungsängste“, weiß Wu. Da überrascht es kaum, dass Spitzenköche in dieser einmaligen Stadt ihr Glück probieren. „Für sie“, erklärt Wu, „geht von Hongkong verständlicherweise ein besonderer Reiz aus. Aber so attraktiv diese Stadt auch ist, man muss wissen, dass jedes Unterfangen hier mit hohen Kosten verbunden ist.“
Skyline-Fine-Dine: Das Écriture eröffnete im April 2018 seine Pforten und holte unter der Führung des französischen Herdmagiers Maxime Gilbert innerhalb von nur sieben Monaten gleich zwei Michelin-Sterne.
In Bezug auf die Höhen der Geschäftsmieten hat Hongkong bereits London überholt und ist damit die teuerste Stadt weltweit, wenn es um die Kosten von Geschäftsräumlichkeiten geht. Wer in Hongkong eine Immobilie – ob nun geschäftlich oder privat – erwerben möchte, muss durchschnittlich mit 1,2 Millionen US-Dollar rechnen. Auch das ist weltweit die absolute Spitzenposition. Aber Hongkong als asiatische Finanzmetropole bietet nicht nur die entsprechende Kundschaft für die Spitzengastronomie, sondern liegt geografisch auch so günstig, dass der Import von Produkten aus Japan, China, aber durch entsprechend dichte Flugverbindungen auch aus Fankreich fast schon Tradition hat. So gut wie alles wird übrigens eingeflogen. Denn der berüchtigte Hafen, so Wu, ist „einfach scheußlich. Von dort“, stellt er klar, „bezieht kein Betrieb seine Ware.“ Dass Hongkong aus dem Kantonesischen übersetzt übrigens „duftender Hafen“ heißt, lässt also den Schluss zu, dass es sich wohl um eine blumige Untertreibung handelt. Aber wir schweifen ab. Was konkret hat Hongkong also gastronomisch zu bieten?
Pulsierende Fläche kleiner als Manhattan
Ich kenne keinen einzigen Ort auf der Welt, wo auf so wenig Raum so viel passiert“, schwärmt Geoffrey Wu. Die Rede ist von der sogenannten Sonderverwaltungszone Hongkong. Und Mister Wu muss es wissen: Seine Beratungsfirma zählt einige der schillerndsten und innovativsten Restaurants der südchinesischen Sonderverwaltungszone zu ihren Kunden. Sieben 3-Sterne-Tempel kann Hongkong sein Eigen nennen, insgesamt befinden sich sage und schreibe 63 Sternerestaurants auf dieser pulsierenden Fläche, die kleiner als der New Yorker Stadtteil Manhattan ist.
Siebeneinhalb Millionen meist überdurchschnittlich zahlungkräftige Einwohner aus aller Herren Länder kreieren hier eine Nachfrage, die von der (Spitzen-)Gastronomie auf eine Weise beantwortet wird, die fortschrittlicher nicht sein könnte. „Von chinesischer Küche über die japanische, französische, italienische, vietnamesische, koreanische oder südamerikanische, britische oder auch spanische – Hongkong kennt keine kulinarischen Berührungsängste“, weiß Wu. Da überrascht es kaum, dass Spitzenköche in dieser einmaligen Stadt ihr Glück probieren. „Für sie“, erklärt Wu, „geht von Hongkong verständlicherweise ein besonderer Reiz aus. Aber so attraktiv diese Stadt auch ist, man muss wissen, dass jedes Unterfangen hier mit hohen Kosten verbunden ist.“
Skyline-Fine-Dine: Das Écriture eröffnete im April 2018 seine Pforten und holte unter der Führung des französischen Herdmagiers Maxime Gilbert innerhalb von nur sieben Monaten gleich zwei Michelin-Sterne.
In Bezug auf die Höhen der Geschäftsmieten hat Hongkong bereits London überholt und ist damit die teuerste Stadt weltweit, wenn es um die Kosten von Geschäftsräumlichkeiten geht. Wer in Hongkong eine Immobilie – ob nun geschäftlich oder privat – erwerben möchte, muss durchschnittlich mit 1,2 Millionen US-Dollar rechnen. Auch das ist weltweit die absolute Spitzenposition. Aber Hongkong als asiatische Finanzmetropole bietet nicht nur die entsprechende Kundschaft für die Spitzengastronomie, sondern liegt geografisch auch so günstig, dass der Import von Produkten aus Japan, China, aber durch entsprechend dichte Flugverbindungen auch aus Fankreich fast schon Tradition hat. So gut wie alles wird übrigens eingeflogen. Denn der berüchtigte Hafen, so Wu, ist „einfach scheußlich. Von dort“, stellt er klar, „bezieht kein Betrieb seine Ware.“ Dass Hongkong aus dem Kantonesischen übersetzt übrigens „duftender Hafen“ heißt, lässt also den Schluss zu, dass es sich wohl um eine blumige Untertreibung handelt. Aber wir schweifen ab. Was konkret hat Hongkong also gastronomisch zu bieten?
Kaiseki auf Spanisch-Argentinisch
Es ist zweifellos eines jener Restaurants, die ein perfektes Beispiel für Hongkong als kulinarischen Schmelztiegel abgeben. Erst im Juli 2017 eröffnet, hat sich das Haku zu einer der innovativsten und vielversprechendsten Fine-Dine-Adressen in Hongkong entwickelt. Eigentlich kein Wunder – wenn man weiß, wer hinter dem Konzept steckt, das japanischen Produktpurismus, virtuose Küchentechnik und eine unverkrampfte Offenheit gegenüber anderen kulinarischen Traditionen in ungeahnte Sphären hievt. Kein Geringerer als der legendäre Küchen-Samurai Hideaki Matsuo aus dem Dreisterner Kashiwaya am Rande der japanischen Stadt Osaka ist es, der als Patron dieser neuen Pilgerstätte fungiert. Bezeichnenderweise befindet sich diese übrigens auf dem Ocean Terminal, einem unglaublichen Deck mit Sicht auf den Hafen im noblen Einkaufszentrum Harbour City.
Der Zweite im Bunde braucht Kennern nicht mehr vorgestellt zu werden. Agustin Balbi ist, wie Geoffrey Wu klarmacht, ein Küchenchef mit „einmaligem Background“. Als Kind spanischer Eltern, das in Argentinien aufwächst, lernt er zunächst mit 15 Jahren in seinem Heimatland die Grundlagen des Kochberufs. Nach Stationen in den USA geht er für mehr als sechs Jahre nach Japan, weil ihn die Zubereitung von Fisch interessiert. Der Übereifer des technischen Messervirtuosen trägt bald erste Früchte: Innerhalb kürzester Zeit lernt er nicht nur, sich auf Japanisch zu verständigen – Balbi spricht die Sprache fließend! –, sondern auch, Fisch auf eine einmalige Art und Weise zu veredeln. Die besten Köche des Landes nehmen ihn unter seine Fittiche – und Balbi taucht letztlich so tief in die kulinarische Kultur der Japaner ein, dass Matsuo ihn als Küchenchef im Haku einsetzt. „Wir machen japanisch-spanische Fusionsküche, wir kreieren modernes japanisches Essen mit mediterranen Einflüssen“, so Balbi im Mai dieses Jahres auf der Mainstage der CHEFDAYS Austria.
Agustin Balbi, der Argentinier mit spanischen Wurzeln, der in Hongkong in seinem Haku die japanische Küche revolutioniert.
„Das Konzept des Haku“, erklärt Wu, „gründet auf Kaiseki, also den leichten Gerichten, die traditionell zur japanischen Teezeremonie serviert werden. Kaiseki Cuisine gehört zum Schwierigsten, was Küchenchefs in Japan machen – und letztlich beherrschen es nur sehr wenige. Jemanden wie Agustin Balbi zu haben, der seine eigene, biografisch bedingte Interpretation von Kaiseki nach Hongkong bringt, ist einfach einmalig.“
Die Spätberufene
Dass die Hongkonger Gastronomie in geografischer Hinsicht vielfältiger nicht sein könnte, macht sie auch gegen das Branchenmerkmal Nummer eins nicht immun. Denn selbst in dieser pulsierenden Sonderverwaltungszone dominiert in gastronomischer Hinsicht das männliche Geschlecht. Die gebürtige Hongkongerin Vicky Lau gehört zu den wenigen Frauen ihrer Zunft, die ihren Weg konsequent gegangen sind – und das, obwohl sie vergleichsweise spät in das Gastro-Business eingestiegen ist. Als gelernte Grafikdesignerin, die in New York studiert und eine Zeit lang sogar als Creative Director einer Design-Agentur gearbeitet hatte, gründete Lau erst 2012 – mit 31 Jahren – ihr eigenes Restaurant: das Tate Dining Room.
In seinem Kytaly zaubert der Pizzabäcker Franco Pepe die nachweislich beste Pizza der Welt.
Im Grunde genommen ist das Konzept dieses ästhetischen Tempels eine Hommage an das einschneidende Erlebnis, das die zukünftige Küchenvirtuosin hinter den Herd gebracht hat. In einer Phase der Orientierungslosigkeit nahm sie mehr zufällig mit zwei Freundinnen an einem Grundlagenkurs im Le Cordon Bleu in Bangkok teil. Wie sehr Lau dort kulinarisches Blut geleckt hat, beweist der darauffolgende neunmonatige Kurs des renommierten Grand Diplôme im Le Cordon Bleu Dusit.
Es folgten eineinhalb Jahre im mittlerweile geschlossenen Restaurant Cépage in Hongkong unter Sebastien Lepinoy, der heute bekanntlich das Les Amis in Singapur führt, das auf Platz 29 der Liste der Asia’s 50 Best Restaurants steht. Die Küchenlinie samt Konzept, die Vicky Lau in ihrem Tate etablierte, stellte sich schon bald als hocherfolgreich heraus. Detailverliebte französische Technik kombiniert mit japanischen und kantonesischen Einflüssen waren nur ein Jahr nach Eröffnung dem Guide Michelin einen Stern wert. 2015 schließlich wurde Lau im Rahmen der Asia’s 50 Best Restaurants der renommierte Award Asia’s Best Female Chef verliehen.
Von Michelin als „eklektischer Mix“ besungen, loben diverse Medien neben den puristischen Aromenkombinationen der Gerichte auch die ästhetische Dimension von Laus Schaffen. Der Hongkonger Luxusguide Hong Kong Tatler verlieh dem Tate 2017 nicht umsonst den Preis für das Best Interior Design, das genauso wie die Gerichte reduziert und ohne Scheu vor offensichtlich weiblicher Ästhetik ein beeindruckendes, persönliches Konzept veranschaulicht.
Franzosen, immer und überall
Über das gastronomische Hongkong zu schreiben, ohne die in Scharen dort einfliegenden französischen Küchenchefs zu erwähnen, wäre nicht nur ein redaktionelles Sakrileg, sondern würde auch der gastronomischen Identität dieser Megastadt nicht gerecht werden. Denn so vielfältig es in den Restaurants dort auch zu- und hergehen mag: Französische Küchenchefs und die cuisine à la française sind Teil der Hongkonger Gastro-DNA.
„Er gehört wie Balbi zu den Vielversprechendsten in Hongkong“, sagt Wu über Maxime Gilbert aus dem Zweisterner Écriture. Der aus einem künstlerischen Haushalt stammende Franzose begann seine Karriere bei keinem Geringeren als Yannick Alléno im Alléno Paris au Pavillon Ledoyen. „Dort wurde ich nach drei Jahren Sous Chef“, so Gilbert in einem Interview mit dem Guide Michelin, „und zwei Jahre später bekamen wir drei Sterne.“ Als Sohn eines asien- und besonders hongkongaffinen Vaters, der in der Cognac-Industrie tätig war, zog es Gilbert nach Stationen in Marrakesch und Peking nach Hongkong. Dort lernte er als Küchenchef des Zweisterners Amber, wie ein Restaurant auch buchhalterisch funktioniert. „Ich verstand nichts von Kalkulationen. Aber während der vier Jahre im Amber habe ich gelernt, wie ein Restaurant gemanagt werden muss. Nur so konnte ich zum General Manager des Écriture werden“, erklärt Gilbert. Und was für einer: Das Écriture eröffnete im April vergangenen Jahres und erhielt nach nur sieben Monaten zwei Michelin-Sterne. „Was dieses Restaurant so besonders macht“, erklärt Wu, „ist Gilberts Verständnis von moderner französischer Küche gepaart mit extrem hochwertigen japanischen Produkten.“ Doch wer das Écriture-Konzept auf ein beliebiges japanisch-französisches Kuddelmuddel reduziert, der irrt. „Natürlich verwenden wir japanische Produkte“, stellt Gilbert klar, „aber ich hasse es, wenn wir als ‚fusion restaurant‘ bezeichnet werden. Wir sind ein französisches Restaurant.“
Das Aulis ist der intime Chef’s Table des britischen Starkochs Simon Rogan, der in England bereits vier Michelin-Sterne sein Eigen nennen darf: zwei für sein L’Enclume im englischen Cartmel, einen ebendort mit seinem Rogan & Co sowie einen mit dem Roganic in London.
Vielleicht macht gerade das die Hongkonger Gastronomie aus: Starre kulinarische Traditionen und Identitäten geraten ins Wanken – und bringen Konzepte hervor, für die es (noch) keine gastronomischen Schubladen gibt. Denn ob jetzt japanische Produkte, die mit französischen Techniken zubereitet werden, oder spanisch-argentinische Küchenchefs, die Kaiseki im Hongkonger Schmelztiegel neu erfinden – im Gegensatz zur spärlichen Fläche ist der Geist der kochenden Götter in Weiß offenbar grenzenlos.
www.tate.com.hk